Rote Fahne 08/2023

Rote Fahne 08/2023

Schulpolitik: „So geht das nicht weiter!“

Es gibt kaum ein Thema, welches in der Bevölkerung so in der Kritik ist, wie die Zustände an den Schulen. Für viele Schüler und Eltern ist eines klar: So kann das nicht weitergehen! Die Gewerkschaft Erziehung Wissenschaft (GEW) geht von bald fehlenden 80 000 Lehrern aus. Zerfall von Schulgebäuden, wachsender Unterrichtsausfall, große Klassen bis 35 Schülerinnen und Schüler sowie weitgehend fehlende Maßnahmen zur Integration von fremdsprachigen Kindern – damit werden chaotische Zustände im Bildungswesen für eine Masse von Schülern immer mehr zum Alltag.

Von rt / cj / mst
Schulpolitik: „So geht das nicht weiter!“
In kleineren Kursen und Klassen kann besser gelernt werden – Foto: Flickr / Campus of Excellence / CC BY 2.0

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) hat messerscharf erkannt: „Wir sehen den Lehrerinnen- und Lehrermangel, wir sehen den Investitionsstau …“.1 Doch diesen Stau „sieht“ man nicht nur, wir stecken längst mittendrin! Schon 2001 prangerte die GEW den „Investitionsstau“ an Schulgebäuden und ähnlichem an. Typisch bürgerliches Krisenmanagement: Erst die Augen fest verschließen vor dem, was kommen wird. Und dann, wenn das Kind offensichtlich in den Brunnen gefallen ist, halbherzig an den Symptomen herumdoktern.

 

So kündigte die Bildungsministerin jetzt an, doch glatt eine Milliarde Euro für Personal und Raumausstattung locker zu machen – die sie über zehn Jahre auf 4000 Schulen verteilen will. Kaum genug für eine halbe Sozialarbeiterstelle pro Schule! Eine Milliarde Euro – das ist gerade einmal ein Prozent des „Sondervermögens“ für die Hochrüstung der Bundeswehr. So viel ist es also der Bundesregierung wert, die desolate Situation für eine wachsende Masse der Jugend an den Schulen abzumildern.

Chaotisches Krisenmanagement

Die anderen „Lösungen“ der „Ständigen Wissenschaftlichen Kommission“ der Kulturministerkonferenz sind nicht weniger dürftig. Immer mehr Lehrer wechseln in Teilzeit, um die Belastungen irgendwie abzufedern. Lösung: Drastische Einschränkung der Teilzeitarbeit, mehr Arbeitsdruck auf Lehrer! Zu wenige Lehrer für die Schüler? Na, dann machen wir doch größere Klassen2, heißt es da ernsthaft.

 

Die wirklichen Ursachen der Probleme spielen in der „Analyse“ der Ministerin keine Rolle. Die seit 2018 anhaltende Weltwirtschafts- und Finanzkrise verschärfte den internationalen Konkurrenzkampf, bei dem die deutschen Monopole ins Hintertreffen geraten sind. Das Volkseinkommen wird rigoros und in wachsendem Umfang für die Stärkung der „Wettbewerbsfähigkeit“ der größten Monopole und der Weltkriegsvor­bereitung umverteilt. Man muss Prioritäten setzen …

 

Statt zur Bekämpfung der Corona-Pandemie Gesundheitsschutz und Lockdowns in der Indus­trie wurden Lockdowns für Schulen verhängt und gesellschaftliche Aufgaben noch weiter in die Familien verlagert – was jetzt teils beibehalten wird. Ein Drittel aller Schüler zeigt offenkundige Lernrückstände.3 Besonders heftig wirkt sich das in Arbeiterfamilien und bei der Masse der Alleinerziehenden aus. Morgens kommt die Nachricht „Heute erst zur zweiten Stunde“, mittags steht das Kind früher als geplant vor der Tür: kurzfristiger Distanzunterricht. Viel Unterrichtsstoff soll zu Hause nachgeholt werden. 73 Prozent der Kinderbetreuungszeiten werden dabei wieder von den Frauen aufgebracht. Nicht gespart wird im Bildungswesen bei dem, was den Großkonzernen oder Banken besonders wichtig ist. Milliarden Euro fließen für Exzellenz-Cluster an den Unis. Die soziale Auslese im Bildungswesen verstärkt sich. In den letzten Jahren ist die Anzahl der Privat-Unis auf 35 Prozent gestiegen, mit höheren Studiengebühren. Die MLPD tritt dagegen für eine gründliche Schul- und Berufsausbildung für die Masse der Jugend ein!

Digitalisierung als „Allheilmittel“?

Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger schwärmt von der Digitalisierung. Es wäre richtig, die Schülerinnen und Schüler an einen vernünftigen Umgang mit moderner Technik besser heranzuführen. Auch vernünftig wäre, dass die digitale Ausstattung der Schüler nicht – wie heute meist – vom Geldbeutel der Eltern abhängt. Die „Digitalisierung“ allerdings als Allheilmittel verkaufen zu wollen, verschärft die Trennung von Theorie und Praxis, von Hand- und Kopfarbeit. Wer nur Laptops bedienen, aber keinen Nagel mehr in die Wand schlagen kann, wird nicht gerade lebenstauglich ausgebildet.

 

Entgegen dem Streben vieler Jugendlicher nach Lösung der großen Menschheitsprobleme, wie Rettung der Umwelt, Beseitigung von Hunger und Armut oder Kampf für den Frieden, ist das bürgerliche Bildungssystem strikt systemerhaltend ausgerichtet und auf die Förderung des Strebens nach individuellem Aufstieg.

Was fordert die MLPD?

Die allgemeine Unzufriedenheit mit dem bürger­lichen Schul- und Ausbildungssystem wächst unter den Massen und besonders in Arbeiterfamilien. Die GEW fordert berechtigt eine kürzere Arbeitszeit von Lehrern, Entlastung von Verwaltungsaufgaben, kleinere Klassen, bessere Bezahlung niedrig bezahlter Lehrkräfte zum Beispiel in Grundschulen und Schaffung von mehr Studien- und Referendariatsplätzen für angehende Lehrkräfte.4

 

Wirkliche Verbesserungen für eine gründliche Schul- und Berufsausbildungen erfordern den gemeinsamen Kampf der Masse der Jugend, Eltern und Lehrer mit der Arbeiterbewegung. Besondere Förderung ist bei Flüchtlingskindern wichtig.

 

Die MLPD tritt für ein kostenloses, einheitliches und qualifiziertes Bildungssystem von der Krippe bis zur Hochschule ein. Das bedeutet, dass ausreichend Ganztagskrippenplätze geschaffen und Gesamtschulen als Ganztagsschulen ausgebaut werden. Gründlicher Unterricht, verkleinerte Klassen, Praxisbezug, gute Schulverpflegung, Sport und Förderung der kulturellen Fähigkeiten. Dazu hat die MLPD eine Reihe von weiteren Forderungen aufgestellt (siehe Seite 16). Der Kampf dafür muss als Schule eines gesellschaftsverändernden Kampfs entwickelt werden. Denn das gesamte Schul- und Bildungswesen steht unter dem Diktat der Monopole. Sie verfügen über den Staatshaushalt, sie diktieren die Lehrinhalte.

 

Im echten Sozialismus dagegen wird die Arbeiterklasse an der Macht das Schul- und Bildungswesen revolutionär umgestalten. Die Erziehung der Jugend zum selbständigen Denken und Handeln steht dann im Zentrum. Das schließt einen kritischen Geist gegenüber Bürokratismus und bürgerlichen Traditionen mit ein. Ein polytechnischer Unterricht wird Lernen und körperliche Arbeit miteinander verbinden. Überlange Schulzeiten werden gekürzt. Unter dem Motto „Dem Volke dienen!“ lernen die Schülerinnen und Schüler den selbstlosen Einsatz für die Interessen der arbeitenden Menschen.

 

Die MLPD fördert, dass Jugendliche sich gesellschaftlich engagieren. Sei es im Kampf für eine gründliche Ausbildung, in Widerstandsgruppen gegen Weltkriegsvorbereitung und gegen die begonnene Umweltkatastrophe – auch an Schulen – oder im Jugendverband REBELL. Jugendliche können dabei erfahren, dass bewusstes und kollektives Handeln stark macht. In der Kritik an den bürgerlichen Lehrinhalten fördern die MLPD und der REBELL das materialistisch begründete freie Denken und helfen den Jugendlichen, in der komplizierten Wirklichkeit durchzublicken.

 

Die proletarische Erziehung in der Jugendarbeit der MLPD mit ihrem Jugendverband REBELL verbindet die Organisierung der Rebellion mit dem Erlernen aller Fähigkeiten, die die Jugend braucht, um zu Kämpferinnen und Kämpfern gegen Ausbeutung und Unterdrückung und für den echten Sozialismus zu werden.