Rote Fahne 08/2023

Rote Fahne 08/2023

Debatte um ein Streikgesetz

Gitta Connemann (CDU), Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion, bemächtigt sich der Kritik am fehlenden Streikrecht in Deutschland und fordert ein Arbeitskampfgesetz

Von gp
Debatte um ein Streikgesetz
Zunehmend wollen Kolleginnen und Kollegen „richtig streiken“ dürfen – ohne Einschränkungen (Foto: gemeinsamer Streik von Ver.di und EVG, München 27.3.2023)

Durchaus zutreffend stellt Connemann fest: „Zurzeit ist das Streikrecht in Deutschland ein reines Richterrecht, anders als in vielen anderen europäischen Ländern, … . Damit kommt es zu einem Flickenteppich in Deutschland – abhängig vom Richter.“1

 

Ersetzen will sie das „Richterrecht“ durch ein Arbeitskampfgesetz – allerdings nicht zur längst überfälligen Erweiterung des Streikrechts, sondern zu einer noch weitergehenden Einschränkung Eingeführt werden soll ein verpflichtendes Schlichtungsverfahren, eine viertägige Ankündigungspflicht und eine Bestimmung, dass „der Streik am Ende von Verhandlungen steht und nicht am Anfang“. Das wäre eine deutliche Verschärfung des in Deutschland ohnehin äußerst eingeschränkten Streikrechts.

 

Connemanns Vorstoß steht im Zusammenhang mit Warnungen von bürgerlichen Politikern und Unternehmervertretern vor „französischen Verhältnissen“. BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter mahnte: „Unser Arbeitskampfrecht wird zunehmend unberechenbar.“2

 

Unberechenbar für die Monopole ist beileibe nicht das deutsche Arbeitskampfrecht, sondern das auf breiter Front erwachende Klassenbewusstsein ,das man auch in den aktuellen Tarifrunden sieht. Es ist unter anderem dadurch gekennzeichnet, bisherige reformistische Tarifrituale über Bord zu werfen – wie etwa lange Verhandlungen, bevor überhaupt gestreikt wird, oder Beschränkung auf zahnlose Nadelstich-Warnstreiks. Aber auch von der wachsenden Verbindung ökonomischer mit politischen Fragen, dem Zusammengehen mit der kämpferischen Frauen- oder Jugendumweltbewegung.

Streikrechtdebatte – jetzt erst recht

Auf einigen Delegiertenversammlungen der IG Metall haben deshalb Kolleginnen und Kollegen Anträge für den Kampf um ein allseitiges und vollständiges gesetzliches Streikrecht an den bevorstehenden Gewerkschaftstag gestellt. Auf verschiedenen Versammlungen wurden diese Anträge von örtlichen Gewerkschaftsführern unter anderem mit dem Argument abgelehnt, man dürfe das Streikrecht „nicht von der Willkür wechselnder Regierungsmehrheiten abhängig machen“. Als ob das bestehende Richterrecht weniger willkürlich als ein im Gesetz verankertes Streikrecht wäre. Das Gegenteil ist der Fall!

 

Auch ein erkämpftes fortschrittliches Streikrecht, das selbständige, politische und Generalstreiks mit umfasst, muss gegen alle Versuche, es erneut zu beschneiden, energisch verteidigt werden. Vor allem: Beim Streikrecht geht es immer um die Kräfteverhältnisse zwischen den herrschenden Monopolen und dem Kampf der Arbeiterklasse!