Rote Fahne 07/2023

Rote Fahne 07/2023

Null Toleranz den Hetzern – Flucht ist Menschenrecht!

„Wir wollen einen generellen Switch in der Migrationspolitik.“1 Das verkündete Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) ...

Von (fh)
Null Toleranz den Hetzern – Flucht ist Menschenrecht!
Foto: Brainbitch / CC BY-NC 2.0

... am 1. Februar bei der Amtseinführung des neuen Sonderbevollmächtigten für Migrationsabkommen, Joachim Stamp (FDP). Gemeint war damit nicht etwa die Verwirklichung einzelner wohlklingender Versprechungen im Koalitionsvertrag, wie zur Abschaffung von Arbeitsverboten und Kettenduldungen für Geflüchtete. Diese wurden bisher nicht ansatzweise verwirklicht. Faesers „Switch“ entpuppt sich als weitere Verschärfung der schon bisher menschenfeindlichen Asyl- und Migrationspolitik – das geht bis hin zu einer neuen Qualität faschistoider Flüchtlingspolitik und einer faktischen Abschaffung des Asylrechts. Begleitet wird das von einer ultrareaktionären Kampagne, ausgehend vor allem von der CDU-Spitze und der faschistoiden AfD, aber letztlich im Einklang mit allen bürgerlichen Parteien.

 

Als die CDU/CSU am 2. März einen demagogischen Antrag in den Bundestag einbrachte „zur Verminderung illegaler Migration und zur verstärkten Rückführung“2, war die inszenierte Kampagne hysterischer Meinungsmanipulation gegen Geflüchtete bereits gestartet (siehe Seite 18 / 19). Eine Talkshow nach der anderen gibt Hetzern eine Tribüne, vom CDU-Fraktionsvize Jens Spahn bis zum reaktionären grünen Bürgermeister von Tübingen, Boris Palmer.

 

Die AfD schwadroniert von „ungebremster Masseneinwanderung“. Das stellt die Wirklichkeit dreist auf den Kopf. Eine Netto-Zuwanderung von 1,45 Millionen Menschen im Jahr 2022 erklärt sich vor allem durch Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine.3 Zugleich werden in vielen Branchen Arbeitskräfte händeringend gesucht. In Jordanien sind 29,7 Prozent der Einwohner Flüchtlinge, in Deutschland unter Einbeziehung aller Schutzsuchenden gerade mal 4,6 Prozent! Die Verbreitung kleinbürgerlich-nationalistischer Meinungen und Gefühle soll den Weg bereiten für Faschismus und Weltkriegsvorbereitung, nach dem Motto: „Wir Deutschen gegen die Fremden“. In einer Atmosphäre der internationalen Solidarität ist es bekanntlich schwer, die Massen für Krieg zu begeistern.

 

Vom „Asyltouristen“ zum „Illegalen“

 

Lange Zeit unterschied die bürgerliche Demagogie zwischen berechtigten Fluchtgründen vor blutiger Unterdrückung und Kriegen und dem angeblich verwerflichen Versuch, bessere Lebensumstände und eine Zukunft für die eigenen Kinder zu erreichen. Was soll aber verwerflich daran sein, vor Elend, Hunger und Umweltkatastrophen zu fliehen? Die neue Kampagne stuft mittlerweile alle Geflüchteten als „illegal“ ein, die nicht zur Kategorie „erwünschte Einwanderung“ gehören. Das geht genau von denjenigen aus, die mit ihrer Politik die Fluchtursachen hervorrufen. Für den Bundesverband der Deutschen Industrie ist das einzige Kriterium, ob Geflüchtete für den „Fachkräftebedarf deutscher Unternehmen“4 taugen oder nicht. Damit werden nicht nur „billige“ Ingenieure oder IT-Spezialisten rekrutiert, sondern auch deren Ausbildungskosten auf die ärmeren Länder abgewälzt. Der neokoloniale Arbeitskräfteimport imperialistischer Länder („brain drain“) wird so auf die Spitze getrieben. In Afrika fehlen jetzt schon 4,2 Millionen Kräfte im Gesundheitsbereich.

 

Zur Verhinderung „unerwünschter“ Migration wird zugleich das Asylrecht faktisch abgeschafft, unter anderem durch Auffanglager in Nordafrika. Aber nicht die Flüchtlinge sind „illegal“, sondern diese Pläne widersprechen selbst geltendem bürgerlichen Recht. Die Genfer Flüchtlingskonvention verbietet es, Flüchtlinge an der Grenze zurückzuweisen. Jens Spahn schert das wenig. Bei „hart aber fair“ erklärte er diese Konvention mal eben für „nicht mehr praktikabel“.

 

Wohnungsnot durch Flüchtlinge?

 

Die AfD hetzt: „Deutsche Mieter sollen ihre Wohnungen für Flüchtlinge räumen.“5 Dass in vielen Städten Wohnungen fehlen, liegt nicht an den Geflüchteten. Auch ohne sie würde eine halbe Million Wohnungen fehlen. Die Regierung versprach jährlich 400 000 neue Wohnungen, der Bauindustrie mangelt es aber an Profitaussichten. Der größte Immobilienkonzern Vonovia will dieses Jahr keine einzige neue Wohnung bauen.6 Bauinvestitionen seien „unattraktiv wie lange nicht“.7 Wo kämen wir auch hin, attraktive Sozialwohnungen zu fordern, wenn der Profit „unattraktiv“ ist? Das sieht auch die AfD so und lehnt deshalb den Bau von Sozialwohnungen wegen „zu hoher Kosten“ gleich ganz ab.8 Sie missbraucht die Wohnungsnot zur Spaltung: „Unsere Bürger zuerst!“9 Der gemeinsame Kampf um mehr Wohnungen wird so hintertrieben und verhindert.

 

Die Hauptmethode der reaktionären Kampagne besteht in der unterschwelligen Beeinflussung der Gefühle. Da werden Misstrauen und Feindseligkeit gegenüber „fremden“ Menschen und Kulturen gesät, werden Ängste und Negativismus geschürt. Dem kann man nicht alleine mit Fakten begegnen. Notwendig ist die weltanschauliche Auseinandersetzung mit der kleinbürgerlich-pragmatischen Einengung des Blickwinkels auf den nationalen Gesichtskreis („Wir haben selbst genug Probleme“) oder auch auf die Frage, ob die Flüchtlinge „uns nützlich“ sind.

 

Tatsächlich haben die gesellschaftlichen Probleme und Krisen längst globalen Charakter erlangt, weshalb ihre grundsätzliche Lösung eine weltweite revolutionäre Umwälzung erfordert. Die Frage nach der „Nützlichkeit“ stellt die vermeintlich gemeinsamen nationalen Interessen über die Frage der Klassenzugehörigkeit. Die entscheidende Grenze verläuft aber nicht zwischen Arbeitern verschiedener Herkunft, sondern zwischen Arbeitern und Kapitalisten gleich welcher Nationalität.

 

Der Ausblendung der Klassenfrage leistet auch die kleinbürgerlich-internationalistische Flüchtlingshilfe Vorschub. Sie dichtet den Flüchtlingen per se eine fortschrittliche Rolle an, ob sie nun zur Arbeiterklasse gehören oder nicht. Dabei sind auch viele Geflüchtete antikommunistisch oder reaktionär beeinflusst. Darüber muss man sich genauso streiten wie über Vorbehalte unter Einheimischen.

 

Klare Kante gegen reaktionäre Hetze

 

Die ultrareaktionäre Regierung von Großbritannien will Flüchtlinge inhaftieren und nach Ruanda abschieben. Als Gary Lineker, Sportmoderator und ehemaliger Fußballer, diese Pläne angriff, wurde er von der BBC gefeuert. Aufgrund breiter Solidarität musste die BBC Lineker wieder einstellen. In Steccato di Cutro in Süditalien demonstrierten am 11. März über 5000 Menschen gegen die menschenverachtende Regierungspolitik, die bewusst das Sterben im Mittelmeer als „Abschreckung“ einkalkuliert. Auch in Deutschland wächst die Solidarität mit Geflüchteten gegen die reaktionäre Kampagne. Hier spielt der Freundeskreis Flüchtlingssolidarität eine wichtige Rolle als Selbstorganisation der Flüchtlinge und ihrer Freunde. Kämpferische Geflüchtete gehören in die Talkshows, nicht Hetzer wie Jens Spahn oder Boris Palmer.

 

Die MLPD verkörpert den internationalistischen Gegenpol zur unsäglichen Stimmungsmache gegen Geflüchtete. Gemeinsam mit dem Freundeskreis Flüchtlingssolidarität, Migranten, Anwohnern und vielen anderen Kräften hat sie in Dortmund den Protest und die Solidarität gegen die Tötung des 16-jährigen Mouhamed Lamine Dramé aus Senegal durch ein Polizeikommando organisiert (siehe Seite 9). Das hat mit dazu beigetragen, dass mittlerweile gegen die verantwortlichen Polizisten Anklage erhoben wurde. Die erfolgreichen Aktivitäten wie Konzerte, Demonstrationen und die Einweihung einer Gedenktafel wurden dabei auch gegen teils wüste antikommunistische Anfeindungen ausgehend von anarchistischen und grünen Kräften erkämpft.

 

Für den gemeinsamen Kampf bringt die Masse der Geflüchteten einen Schatz an Lebens- und Kampferfahrungen, oft selbstverständliche Gewohnheiten der Solidarität und des Schutzes der Natur mit. Zugleich haben viele von ihnen auch eine Mentalität, sich individuell durchzuschlagen, und häufig illusionäre Erwartungen an das Leben in Europa. Unter einheimischen Arbeiterinnen und Arbeitern gibt es neben großer Solidarität nicht selten auch eine Distanz zu Geflüchteten bis hin zu Vorbehalten. Mit all dem gilt es sich geduldig auseinanderzusetzen, statt dieses Thema gerade auch in Betrieben und Gewerkschaften zu vernachlässigen.

 

Im Sozialismus wäre ein solidarisches Zusammenleben zum gegenseitigen Nutzen der Völker ein Grundprinzip. Die Verursacher der imperialistischen Kriege und der begonnenen globalen Umweltkatastrophe als Fluchtursachen würden unterdrückt. Die MLPD organisiert die Kräfte für den Kampf um die Menschheitsperspektive vereinigter sozialistischer Staaten der Welt, wo länderübergreifender Austausch genauso selbstverständlich sein wird wie die gesellschaftliche Verantwortung für den Aufbau in den jeweiligen Heimatländern.