Rote Fahne 06/2023

Rote Fahne 06/2023

Ein starker Charakter

Zufällig traf ich die Mutter eines alten Mitglieds unserer Gruppe der Kinderorganisation Rotfüchse auf der Straße.

Von (lg)
Ein starker Charakter
Das Foto zeigt eine andere Person, Foto: Freepik

Ich habe ihn seit Jahren nicht gesehen. Sie erzählte mir, dass er, jetzt Mitte 20, einen Gehirntumor habe. Außerdem erlitt er in diesem Zusammenhang einen Schlaganfall und wurde halbseitig gelähmt. Ein echter Schock! Ich verabredete mich mit ihr, um ihm einen Besuch abzustatten. Auf Nachfrage sagte sie, statt Schokolade sollte ich ihm Obst und vielleicht ein Hörbuch mitbringen, denn er braucht Vitamine und Beschäftigung.

 

Wir verbrachten zwei Stunden zusammen und unterhielten uns rege. Ihn und seine Mutter interessierte aufgrund ihrer Erfahrungen auch das Kapitel zur Krise der bürgerlichen Medizin im neuen Buch von Stefan Engel und sie kauften die E-PDF, damit er die Buchstaben auf seinem Tablet ganz groß machen kann.

 

Die Familie hat im letzten Jahr in ständiger Erwartung des Schlimmsten echte Qualen durchgemacht. Fehldiagnosen sowie Schikanen vom Arbeitsamt erschwerten das Ganze zusätzlich. Mittlerweile konnte ein Teil des Tumors entfernt werden, der Resttumor stagniert immerhin und durch fleißige Physiotherapie überwindet er langsam die teilweise aufgetretene Lähmung.

 

Da sie als Großfamilie mit alleinerziehender Mutter keine andere ausreichend große Wohnung finden, wohnen sie in der dritten Etage ohne Aufzug, sodass er seit Monaten die Wohnung nicht verlassen hat.

 

Im Lauf des Gesprächs fragte ich ihn: „Und wie geht es dir mental, bist du manchmal deprimiert oder wie verpackst du das Ganze?“ Er guckt mich entgeistert an: „Deprimiert? Ich hab doch schon genug! Wenn ich jetzt noch deprimiert wäre, dann würde es doch noch schlimmer!“

 

Ich staune. Ein starker Charakter.