Rote Fahne 03/2023
Was heißt Kriegswirtschaft?
Oberst André Wüstner, der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, prescht vor: „Wir müssen in die Kriegswirtschaft.“ In der Bild erläutert er: „Die Rüstungsindustrie muss unter Volldampf genommen werden. Die Produktion muss um ein Vielfaches erhöht werden.“1
Immer lauter werden Stimmen aus der CDU, die ebenso wie NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg den Übergang in eine „Kriegswirtschaft“ fordern. Aber was heißt das?
Das krasseste Beispiel für eine Kriegswirtschaft lieferte der Hitlerfaschismus. Der Mitbegründer der MLPD, Willi Dickhut, befasst sich in seinem Buch „Der staatsmonopolistische Kapitalismus in der BRD“ damit: „Die gesamte Wirtschaft war auf den bevorstehenden Angriffskrieg ausgerichtet. Angeführt von den Monopolen berieten die Unternehmer im Kriegswirtschaftsrat ihre Taktik, wurde in den Lenkungsverbänden die Steigerung der Produktion geplant und auch die zivilen Industriezweige kontrolliert. Rund 400 Konzern- und Verbandsdirektoren unterstützten als Wehrwirtschaftsführer die Vorbereitung des Krieges.“2
Aus Belegschaften wurden „Gefolgschaften“, die dem Kapitalisten als „Betriebsführer“ zu bedingungslosem Gehorsam verpflichtet waren. Für Kriegsgefangene bedeutete der Einsatz in der Rüstungsindustrie oft „Vernichtung durch Arbeit“.
Rüstungsindustrie will Führungsrolle in Europa
Heute geht es zunächst vor allem darum, Munition und Rüstungsgüter im Massenumfang für die Weltkriegsvorbereitung zu produzieren. Dafür reicht das 100 Milliarden „Sondervermögen“ für die Aufrüstung der Bundeswehr – zusätzlich zur jährlichen Erhöhung des Rüstungsetats – längst nicht mehr. 300 Milliarden fordert die Wehrbeauftragte Eva Högl von der SPD (siehe Seite 18). Hans-Christoph Atzpodien, der Vorsitzende des Bundesverbands der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie, hofft auf den „politischen Willen“ zu einer „echten verteidigungsindustriellen Strategie, die festlegt, wie wir mit deutschen Spitzentechnologien in Europa bei Rüstungsprojekten eine Führungsrolle übernehmen können“.3
Die Vorbereitungen auf eine Kriegswirtschaft laufen – mehr oder weniger verdeckt – auch in anderen Bereichen. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) forciert – allen umweltpolitischen Bedenken zum Trotz – den Straßenbau. Neue Autobahnen müssten „jederzeit in der Lage sein, militärisch notwendige Transporte mit erhöhten Lasten aufzunehmen“.4
Möglichkeiten werden entdeckt, auch in Deutschland „seltene Erden“ zu fördern, um von möglichen Gegnern wie Russland oder China weniger abhängig zu sein. Neue Chipfabriken werden staatlich subventioniert, um besonders hochwertige Chips zu liefern, die vor allem der Rüstungsindustrie zugute kommen.
Wer bezahlt die gigantischen Kosten?
Aber die Herrschenden sagen nicht, worauf ihre Forderung nach Kriegswirtschaft hinaus läuft. Kriegswirtschaft bedeutet, dass Arbeitskräfte und Natur maximal ausgebeutet werden. Rheinmetall kündigt bereits Nachtschichten an. Ressourcen werden umverteilt, weg von den Bedürfnissen der Massen, hin zu den Bedürfnissen des Militärs. Das bedeutet im Krieg Rationierung von Lebensmitteln, Hunger und Kälte. Die Rechte der Arbeiterinnen und Arbeiter werden eingeschränkt, besonders das Streikrecht, bis hin zur Zwangsarbeit. Die gigantischen Kosten dieser Kriegswirtschaft werden aus der Arbeiterklasse herausgepresst und der Masse der Bevölkerung mit erhöhten Steuern und Preisen auferlegt.
Die Massen werden eine solche Kriegswirtschaft nicht kampflos hinnehmen. Arbeiterbewegung, Umweltbewegung, Frauenbewegung, Antifaschisten und Demokraten müssen sich mit der neuen Friedensbewegung zu einer gesellschaftsverändernden Kraft zusammen schließen als Teil der internationalen antiimperialistischen und antifaschistischen Einheitsfront.