Rote Fahne 03/2023
Von der „Ideologiefreiheit“ zum „Lob der Ideologie“
Erik Flügge, seines Zeichens Geschäftsführer der Beratungsfirma Squirrel & Nuts und Bestsellerautor, verfasste kürzlich im Kölner Stadtanzeiger einen Gastkommentar unter der Überschrift „Lob der Ideologie“
Jahrzehntelang galt in den bürgerlichen Medien die vermeintliche „Ideologiefreiheit“ als Maß aller Dinge. Der Begriff „Ideologie“ wurde gezielt negativ belegt, um Vorbehalte gegen die Ideologie der revolutionären Arbeiterbewegung, den wissenschaftlichen Sozialismus, zu nähren.
Umso erstaunlicher die Ausführungen von Erik Flügge. Er schreibt: „Die große Mehrheit der Bevölkerung wünscht sich eine unideologische Politik, die sich allein pragmatisch an den Fakten orientiert. Dabei sollte man es sich allerdings nicht zu einfach machen. Denn ideologisches Handeln ist nicht immer verwerflich, sondern manchmal für uns alle höchst wertvoll.“
Zwar verwechselt er hier Ursache und Wirkung. Denn der Wunsch von Teilen der Bevölkerung nach einer „unideologischen Politik“ ist unter anderem Ergebnis der jahrelangen Verdammung jeglicher „Ideologie“. Allerdings stößt auch die damit gerechtfertigte Prinzipienlosigkeit und opportunistische Anpassung auf zunehmende Kritik. Davon verabschiedet sich nunmehr Flügge, wenn er „ideologischem Handeln“ zumindest in bestimmten Fällen etwas abgewinnen kann.
„Jeder Mensch hat eine Weltanschauung“
Er klärt uns weiter auf: „Ideologie heißt im Kern erstmal nur ‚Ideenlehre‘ oder – in gängigere Sprache übersetzt – Weltanschauung. Jeder Mensch hat eine Weltanschauung, davon kann man sich nicht frei machen. Diese Weltanschauung definiert mit, was man richtig findet und was nicht.“
Flügges Erkenntnisse zeigen die Defensive der bürgerlichen Meinungsmacher und dass die gezwungen sind, die antikommunistische Lebenslüge von der „Ideologiefreiheit“ zu modifizieren. Man kann sich allerdings des Eindrucks nicht erwehren, dass auch die von der MLPD mit dem Buch „Die Krise der bürgerlichen Ideologie und des Antikommunimus“ eröffnete Offensive dagegen eine gewisse Wirkung zeigt.
„Unterschiedliche Perspektiven“?
Freilich führt das bei Herrn Flügge nicht zum Abschied von der bürgerlichen Ideologie. Im Gegenteil! Flügge versucht es mit dem Loblied auf ihre vermeintliche Vielfalt: „Wir brauchen Ideologie in der Politik: konkurrierende Weltanschauungen, die dazu beitragen, dass unterschiedliche Perspektiven jederzeit stark gemacht werden.“ Nach Flügges Vorstellung sollen zum Beispiel die „Öko-Ideologen“ mit den „Freiheits“-Ideologen vom Schlage eines Marco Buschmann (FDP) konkurrieren, der alle Corona-Schutzmaßnahmen beenden will. Was Flügge als „konkurrierend“ darstellt, sind keine unterschiedlichen Weltanschauungen, sondern offen reaktionäre und reformistische Varianten der bürgerliche Ideologie. Sie bleiben alle im Rahmen des kapitalistischen Systems und haben mit wirklichen „Perspektiven“ wenig zu tun. In der offenen Konfrontation mit dem wissenschaftlichen Sozialismus, der im Unterschied zur bürgerlichen Ideologie eine universale und in sich schlüssige Weltanschauung ist, sind sie hoffnungslos unterlegen. Deshalb wird Flügges Lob der bürgerlichen Ideologie ihre tiefe Krise genauso wenig beseitigen wie die Propaganda von der „Ideologiefreiheit“.