Rote Fahne 03/2023
Tarifrunden: ... größere Bedeutung, je stärker die politischen Aspekte sind
Zurzeit finden Tarifrunden für fast 3 Millionen Beschäftigte im öffentlichen Dienst des Bundes und der Kommunen, bei der Post und der Eisenbahn statt
Die Tarifrunden finden in einer Situation statt, in der nicht nur die historisch hohe Inflation, sondern auch die weitere Eskalation des Ukrainekriegs und die begonnene globale Umweltkatastrophe den Menschen große Sorgen macht. Über all das wird in den Betrieben viel diskutiert. Umso wichtiger ist die Bewusstseinsbildung über den Zusammenhang dieser Fragen und der gesellschaftlichen Alternative in Verbindung mit dem dringend notwendigen entschlossenen Kampf mit Streiks um höhere Löhne und Gehälter.
Innenministerin Nancy Faeser (SPD) erwartet „schwierige Verhandlungen“ angesichts der „angespannten Haushaltslage, … gerade in den Kommunen“. Doch diese ist bestimmt nicht die Folge einer üppigen Bezahlung der Beschäftigten im öffentlichen Dienst, sondern Ergebnis der systematischen Umverteilung der Staatshaushalte zu Gunsten einer gigantischen Subventionierung der Großkonzerne, der Aufrüstung der Bundeswehr und astronomischer Summen für die Kriegswirtschaft, heuchlerisch als „Solidarität mit der Ukraine“ getarnt. Dass die deutschen Autokonzerne 2021 trotz Umsatzrückgang und Chipkrise ihre Profite um 136 Prozent1 steigern konnten, haben sie in erster Linie staatlichen Subventionen und der spekulationsgetriebenen Inflation zu verdanken. Das geht genauso wie die Steigerung des Rüstungshaushalts um 16,5 Prozent auf 58,6 Milliarden Euro 2023 nicht nur zu Lasten anderer Ressorts, sondern auch der Mittel für die Länder und Kommunen. Der verschärfte Kriegskurs bedeutet zugleich eine Verschärfung der Abwälzung der Kriegs- und Krisenlasten auf die Massen.
In Krisen- und Kriegszeiten von Streikaktionen „Abstand nehmen“?
Die Präsidentin der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände Deutschlands (VKA), Karin Welge (SPD)2, fordert, „in Zeiten des Krieges in Europa … von der ritualisierten Dramaturgie“ solcher Tarifrunden „Abstand zu nehmen“. Wenn etwas „ritualisiert“ ist, dann solche Wehklagen über kämpferische Tarifaktionen. Der Ukrainekrieg ist alles andere als ein Grund, davon Abstand zu nehmen. Ganz im Gegenteil: „Ein Wirtschaftskampf erhält umso größere Bedeutung, je stärker die politischen Aspekte dieses Kampfes sind.“3 Jeder ökonomische Kampf muss heute mit politischem Weitblick und Tiefgang geführt werden. Es gilt, den ökonomischen immer mehr mit dem politischen Kampf zu verbinden. Der Krieg wird vom neuimperialistischen Russland genauso wie von der Ukraine mit Unterstützung der imperialistischen NATO auf dem Rücken der Arbeiter und breiten Massen in allen direkt oder indirekt beteiligten Ländern geführt. Die Durchführung von Warnstreiks und die Vorbereitung unbefristeter Streiks müssen deshalb als bewusste Kampfansage an die sozialchauvinistische Verzichtspropaganda organisiert und mit Forderungen sowie Aktionen gegen die akute Weltkriegsgefahr verbunden werden.
Selbst die relativ hohen Forderungen in den anstehenden Tarifrunden decken nicht den Reallohnverlust einer vierköpfigen Arbeiterfamilie, der bei über 20 Prozent liegt. Die von der Bundesregierung beschlossenen „Entlastungen“ wirken dämpfend, sind aber alles andere als ein „Inflationsausgleich“. Deshalb bleibt der Kampf für Lohnnachschlag auf der Tagesordnung!