Rote Fahne 02/2023

Rote Fahne 02/2023

Grüne Jugend – „stacheliger“ Kuschelkurs?

Tausende Jugendliche setzten ihre Hoffnungen auf wirksame Umweltschutzmaßnahmen bei der Bundestagswahl 2021 in die Grünen. Deren Fraktion im Bundestag ist so jung wie nie, darunter Leute wie Katrin Henneberger, die früher bei „Ende Gelände“ aktiv war. „Jung. Grün. Stachelig.“, lautet das formulierte „Selbstverständnis“ der Grünen Jugend

Von Anna Schmit, Vorsitzende des Jugendverbands REBELL
Grüne Jugend – „stacheliger“ Kuschelkurs?

In dem von ihrem 35. Bündniskongress beschlossenen Grundsatzpapier schreiben sie: „Wir stehen der Partei Bündnis 90 / Die Grünen nahe, sind aber ein unabhängiger Jugendverband und entscheiden selbst über unsere politischen Positionen – im Zweifel auch im Konflikt mit der Partei.“1 So lehnten Bundessprecher Timon Dzenius und die Bundesvorsitzende Sarah-Lee Heinrich das 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr im April öffentlich ab. Immerhin 27 Abgeordnete der Grünen sind Mitglieder des Jugendverbands.

 

Aber: kein einziger von ihnen stimmte gegen die Grundgesetzänderung für das Sondervermögen! Zu groß war die Sorge, es sich mit Parteigrößen wie Annalena Baerbock oder Robert Habeck zu verscherzen und damit die eigene Karriere zu behindern. Allzu „stachelig“ oder „unabhängig“ darf man da natürlich nicht sein.

 

Bei vielen Führern der Grünen Jugend geht es bei solchen Kritiken in erster Linie um Imagepflege als „Kritiker der Parteiführung“. Voll integriert in die Abläufe der Grünen-Partei, dient der Mythos der Unabhängigkeit vor allem dazu, die wachsenden Kritiken aus der Jugendumweltbewegung oder Teilen der Basis an der Politik der Grünen scheinbar aufzugreifen und über ihren Jugendverband wieder einzubinden. So kann man sich dann als Gegner der Lützerath-Räumung darstellen, die die eigene Partei mitbeschlossen hat. Mehr Biegsamkeit geht nicht.

 

Die Führung der Grünen-Partei hat ihre „Stacheln“ längst abgeworfen. Ricarda Lang, Bundesvorsitzende der Grünen, beschreibt ihren auf die Spitze getriebenen Pragmatismus auf dem letzten Parteitag so: Die Grünen „machen Politik für die Realität, die da ist“.2

 

Als bürgerliche Monopolpartei haben sie sich den imperialistischen Sachzwängen längst vollständig untergeordnet. Dadurch verschärfen sie die „Realität“ und beschleunigen den Fortgang der globalen Umweltkatastrophe.

 

Entsprechend treten sie inzwischen aktiv für Waffenlieferungen in die Ukraine, den zeitweiligen Weiterbetrieb der Atomkraftwerke, die Inbetriebnahme neuer LNG-Terminals oder die Verbrennung von weiteren 280 Millionen Tonnen Braunkohle samt Abbaggerung des Widerstandsdorfes Lützerath durch RWE ein.


Protest loswerden?

 

„System Change“ – die Kapitalismuskritik und Suche nach einer grundsätzlichen Alternative dazu wächst besonders unter der Jugend.

 

Entsprechend gibt die Grüne Jugend in ihrem „Selbstverständnis“ vor, dem Genüge zu tun: „Der permanente Zwang zu Wachstum und Profiten, die Ausbeutung und Unterdrückung von Mensch und Natur sind im Kapitalismus innewohnend. Dieser kapitalistischen Logik wollen wir entgegenwirken.“3

 

Sarah-Lee Heinrich sagte auf der Bundesdelegiertenkonferenz in Bonn im  Oktober 2022: „Und ja, es formiert sich gerade Protest und das ist unangenehm. Wisst ihr, wie man den am schnellsten los wird? Indem man eine Politik macht, die so viel Sicherheit schafft, dass das die Ohnmacht und den Frust, die viele Leute gerade erleben, zu Sicherheit und Hoffnung macht.“ Welch ein Offenbarungseid! Während aktiver Widerstand und ein gesellschaftsverändernder Umweltkampf auf wachsenden Zuspruch stoßen, will Sara-Lee Heinrich Protest „am schnellsten“ loswerden. Den für die Zukunft der Menschheit streitenden Jugendlichen will sie „Hoffnung“ in die trügerische „Sicherheit“ eines Systems machen, das geradewegs den Untergang der Menschheit provoziert. Das höchste der Gefühle soll demnach sein, einer gesetzmäßigen Ausbeutung von Mensch und Natur allenfalls noch „entgegenzuwirken“. Das bedeutet Akzeptanz dieser Ausbeutung, die man grün garniert höchstens abmildern will. „System Change“ erfordert dagegen, dem Übel an die Wurzel zu gehen und den Kapitalismus revolutionär zu überwinden.Ein Graus für Politikerinnen und Politiker, denen schon Protest „unangenehm“ ist.


Antikommunistisches „Selbstverständnis“

 

„Unsere Kritik am Kapitalismus bedeutet aber nicht, dass wir zurückwollen zu den gescheiterten Versuchen à la DDR-Sozialismus oder Sowjetkommunismus. … Unser Ziel ist es, gemeinsam im demokratischen Prozess Ideen, Alternativen und Konzepte für eine solidarische und ökologische Ökonomie zu erarbeiten.“4

 

„Solidarisch“ und „ökologisch“ zu produzieren und zu konsumieren – davon träumen viele Menschen. Aber im Kapitalismus, der heute auf dem Prinzip des Maximalprofits und des Kampfs um eine weltmarktbeherrschende Stellung beruht, ist das nicht zu verwirklichen. Wie viele der hunderten Konzepte für eine „solidarische und ökologische Ökonomie“ müssen denn noch scheitern? Der Sozialismus ist dagegen nicht gescheitert, sondern durch eine Schicht kleinbürgerlicher Bürokraten verraten worden, die 1956 in der Sowjetunion die Macht ergriffen und zunächst einen bürokratischen Kapitalismus wiedereinführten.

 

Völlig unterschätzt die Grüne Jugend die immensen Errungenschaften im sozialistischen Aufbau. Die Elektrifizierung der Sowjetunion nach der Oktoberrevolution 1917 beruhte maßgeblich auf Wasserkraft.

 

Eine differenzierte Beurteilung, dass erst mit der Restauration des Kapitalismus in ehemals sozialistischen Ländern auch der Umweltschutz massiv untergraben wurde, hat die Grüne Jugend nicht nötig. Wozu auch? Einigen ihrer führenden Leuten reicht es völlig aus, wüst den Antikommunismus zu verbreiten, was bis zum Ausschluss von Marxisten-Leninisten, massiver Hetze und Gewalt gegen sie auf FFF-Demos geht. Damit agieren sie als Ordnungsfaktor des Kapitalismus. Die Vorsitzende der Grünen Jugend in Nordrhein-Westfalen, Nicola Dechant, sorgt sich berechtigt, dass viele – vor allem Jüngere – von den Grünen enttäuscht sind und sieht ihre Aufgabe darin, „in den kommenden Jahren ... verlorenes Vertrauen wieder zurückzugewinnen“.5

 

Sollen sich die kritischen Kräfte also wieder und wieder auf den gescheiterten Holzweg der Grünen leiten lassen? Alle, die ehrlich für den Umweltschutz eintreten und von den Grünen enttäuscht sind, sollten sich besser von diesen falschen Freunden trennen und sich in den gesellschaftsverändernden Umweltkampf einreihen.