Rote Fahne 01/2023

Rote Fahne 01/2023

NATO „Verteidigungsbündnis“? Russland „Friedensmacht“? Gegen alle Imperialisten!

„Imperialismus“ – ein Wort, das jahrzehntelang in der bürgerlichen Öffentlichkeit als Tabu-Wort galt. Er sei längst Geschichte, ja abgelöst von einer Friedenspolitik, hieß es in der bürgerlichen Propaganda.

Von (fh / pw)
NATO „Verteidigungsbündnis“? Russland „Friedensmacht“?  Gegen alle Imperialisten!
Foto: RF - Grafiken gemeinfrei

Von dieser sogenannten Friedenspolitik ist angesichts des Ukrainekriegs nur ein Scherbenhaufen übriggeblieben. Zugleich hat die MLPD beständig über den Imperialismus aufgeklärt und die revolutionäre Weltorganisation ICOR hat 2019 eine weltweite Aufklärungskampagne über den Imperialismus gestartet. Das alles trug dazu bei, dass es heute unter den Massen nicht mehr nur eine Kapitalismuskritik gibt, sondern auch eine Imperialismusdiskussion. Auch bürgerliche Politiker sehen sich bemüßigt, wieder vom Imperialismus zu sprechen. So wettert der russische Präsident Wladimir Putin wortgewaltig gegen den „amerikanischen Imperialismus“. Bundeskanzler Olaf Scholz bezichtigt dagegen Russland des „blanken Imperialismus“.

 

Die Opportunisten von den Grünen über die Linkspartei bis zur DKP schlagen sich zumeist entweder auf die Seite der NATO oder Russlands. Das hat zu Verwirrung unter den Massen beitragen und die alte Friedensbewegung weitgehend paralysiert.

 

Olaf Scholz pries im September vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen „unsere globale Friedensordnung, die die Antithese ist zu Imperialismus und Neokolonialismus“.1 Sie müsse gegen Russland „verteidigt“ werden. Kann es sein, dass Scholz hier wieder von den für ihn typischen Erinnerungslücken befallen ist? Immerhin war seine hochgelobte „Friedensordnung“ der Garant für zwei Überfälle des US-Imperialismus auf den Irak 1991 und 2003. Unter ihrer Flagge zettelte die NATO 1999 den Jugoslawien-Krieg an, die Grundlage für die aktuelle gefährliche Zuspitzung im Kosovo. Eine wahrlich grandiose „globale Friedensordnung“!

 

Worum es dabei real ging, ist die zeitweise Zusammenarbeit unter Imperialisten, um eine Politik der wirtschaftlichen Durchdringung zur Absicherung der „friedlichen“ Ausbeutung anderer Länder. Was kam denn bei dem Scholz’schen „Kampf gegen Imperialismus und Neokolonialismus“ heraus? Die NATO als aggressives, gegen Russland und China gerichtetes Militärbündnis wuchs auf 30 Länder an, neun davon aus dem Machtbereich der ehemaligen UdSSR. Auf der anderen Seite bildeten sich eine Reihe neuimperialistischer Länder heraus, während die Ausbeutung und Unterdrückung der abhängigen Länder in Afrika, Lateinamerika oder in Asien weiter gesteigert. Es gab schon vor dem Ukrainekrieg 828 Millionen Hungernde oder Unterernährte auf der Welt. Das ist keine „Antithese“ zu Imperialismus und Neokolonialismus, das ist Imperialismus und Neokolonialismus – durch die Neuorganisation der internationalen Produktion auf die Spitze getrieben.

 

Mit dem Ukrainekrieg rückt der gewaltsame Kampf um die Neuaufteilung der Macht- und Einflusssphären in den Vordergrund und beschwört akut die Gefahr eines Dritten Weltkriegs herauf.

 

Was ist die „Antithese“ zum Imperialismus?

 

Die gegenseitigen Bezichtigungen zwischen NATO und Russland, nur der jeweils andere wäre imperialistisch, folgen der bekannten Methode: „Haltet den Dieb!“ Beide Seiten tun dabei so, als ob Imperialismus nur von besonders bösartigen Politikern oder Mächten ausginge.

 

Tatsächlich ist Imperialismus das letzte Stadium des Kapitalismus und bedeutet Streben nach Weltherrschaft. Sein Wesen ist Aggression nach außen und Reaktion nach innen. Lenin hatte bereits während des Ersten Weltkriegs untersucht, dass Imperialismus gesetzmäßig auf Krieg hinausläuft, weil die imperialistischen Mächte sich ungleichmäßig entwickeln. Da die Erde unter den Imperialisten und den internationalen Übermonopolen aber bereits aufgeteilt ist, geht es um eine Neuaufteilung der Welt, die letztlich nur gewaltsam entschieden werden kann. Heute erleben wir so eine gravierende Verschiebung der Kräfteverhältnisse im imperialistischen Weltsystem. Die USA und ihre Verbündeten sind auf dem absteigenden Ast, während zahlreiche neuimperialistische Länder auf den Plan getreten sind, wie China, Russland, Indien, die Türkei oder der Iran. Sie fordern die alten Imperialisten aggressiv heraus. USA und NATO wollen dagegen als Hauptkriegstreiber auf der Welt die aufstrebenden Rivalen niederhalten und ihren Einfluss wieder ausbauen. Deshalb ist es illu­sionär, eine „gleichberechtigte Friedensstruktur“2 zu fordern, wie es zahlreiche Appelle aus der alten Friedensbewegung tun. Das imperialistische Weltsystem muss revolutionär überwunden werden.

 

Die „Antithese“ zu Imperialismus und Neokolonialismus ist der echte Sozialismus, die Befreiung von kapitalistischer Ausbeutung und Unterdrückung. Damit fällt auch der Grund für imperialistische Kriege oder Ausbeutung anderer Länder weg. Mit den vereinigten sozialistischen Staaten der Welt kann wirklich eine „globale Friedensordnung“ entstehen.

 

Führt Russlands einen antifaschistischen Krieg?

 

Die DKP-Führung will in dieser Situation „alles uns mögliche tun“ um Russland zu unterstützen, in seinem heroischen „gerechten antifaschistischen Kampf“.3

 

Zweifellos gibt es in der Ukraine in die Gesellschaft integrierte faschistische Kräfte, wie besonders das Asow-Regiment, das von Teilen der monopolistischen Oligarchie unterstützt wird. Medienzensur, Verhaftung von Kriegsgegnern, weitgehende Abschaffung demokratischer Rechte und Freiheiten – all das gibt es in der reaktionären Ukraine. All das gibt es aber auch, und besonders ausgeprägt in Russland, wo Putin zur Errichtung einer faschistischen Diktatur übergegangen ist. Revolutionären droht in der Ukraine und in Russland Verhaftung und Verschwinden. „Alles (!) zu tun“, um ein faschistisch regiertes neuimperialistisches Land in einem von beiden Seiten ungerechten Krieg zu unterstützen – das ist ein reaktionärer Standpunkt und hat mit sozialistischer Politik nichts zu tun.

 

Helmut Kohl als neues Vorbild Lafontaines

 

Oskar Lafontaine, der mit durchaus berechtigter Kritik am Opportunismus der Linkspartei seinen Austritt erklärte, hat inzwischen ein „Plädoyer für die Selbstbehauptung Europas“ veröffentlicht.4 Er nennt als Vorbild dafür unter anderem „Helmut Kohl, der noch gegenüber den USA deutsche und europäische Interessen vertrat“.5 Helmut Kohl, das war der ultrareaktionäre Kanzler, der atomare Mittelstreckenraketen gegen die Friedensbewegung und gegen den Willen der Bevölkerungsmehrheit aufstellen ließ, ein glühender Antikommunist. Sein Amtszeit-Ende wurde eingeläutet mit dem großen Bergarbeiterstreik 1997! Bei solchen reaktionären Vorbildern landet man, wenn man nur die USA als Gegner auf dem Schirm hat.

 

Keine Kompromisse mit Sozialchauvinismus!

 

Es ist kein Zufall, dass sich die Opportunisten in Kriegszeiten offen auf die Seite des einen oder anderen Kriegstreibers stellen. Im Buch von Stefan Engel „Die Krise bürgerlichen Ideologie des Opportunismus“ heißt es: „In Krisen, wenn deren Kosten und Lasten auf die Massen abgewälzt werden, wenn die Bourgeoisie revolutionäre Entwicklungen bekämpft oder auf Kriegskurs ist – kurz: Wenn sich die Widersprüche verschärfen, geht der Opportunismus gesetzmäßig in Sozialchauvinismus über. Seine Leitlinie ist die Propagierung der vollständigen Unterordnung der Arbeiterklasse unter die nationalen Klasseninteressen der Bourgeoisie.“6

 

Es ist auch kein Zufall, dass Teile der Sozialchauvinisten bereitwillig mit ultrarechten Kräften zusammenarbeiten wird: „Der sozialdemokratische oder auch linksreformistische Sozialchauvinismus, deutsche Standorte und Arbeitsplätze in Konkurrenz zu den Arbeitern anderer Länder und auf deren Kosten zu ,verteidigen‘, verbreitet die Ideologie der Spaltung der internationalen Arbeiterklasse und endet im Burgfrieden mit der eigenen Bourgeoisie. Er ist die weltanschauliche Brücke des Übergangs … zur AfD.“ (ebenda)

 

Neue Friedensbewegung stärken

 

Wir brauchen eine starke neue Friedensbewegung, die sich gegen alle Imperialisten richtet und sich klar abgrenzt von allen proimperialistischen Kräften. Sie richtet sich gegen den „Hauptfeind im eigen Land“, wie es der  Revolutionär und Internationalist Karl Liebknecht forderte. Sie braucht als Kern des aktiven Widerstands die Arbeiterbewegung, und die rebellische Jugend als praktische Avantgarde. Sie wird erheblich an Breite gewinnen durch eine aktive Bündnisarbeit und eine massenhafte Bewusstseinsbildung über den Imperialismus. In Berlin findet dazu am 14. Januar ein Strategieseminar der „Neuen Friedensbewegung gegen Faschismus und Krieg“ statt. Dazu sind alle aufrechten Friedensfreunde herzlich eingeladen!

 

Im Geiste Lenins, Liebknechts und Luxemburgs (LLL) wird sich die MLPD an der Strategiedebatte der neuen Friedensbewegung und an der LLL-Demonstration in Berlin aktiv beteiligen.