Rote Fahne 01/2023

Rote Fahne 01/2023

Die Krise der Infrastruktur und die Folgen für das Ingenieurswesen

Während gewaltige Kapitalmengen in Großprojekte flossen, kam es etwa ab der Jahrtausendwende in vielen Ländern zu Krisenerscheinungen in der Infrastruktur. In Deutschland ist diese Krise offen ausgebrochen und zeichnet sich vor allem im Verkehrswesen ab

Von (hl)
Die Krise der Infrastruktur und die Folgen für das Ingenieurswesen
Die Rahmedetalbrücke der Bundesautobahn 45 bei Lüdenscheid ist bereits seit einem Jahr gesperrt, Foto: Michael Kramer / CC BY-SA 3.0

In den nächsten Jahren müssen in Deutschland rund 28 000 Brücken, die vor 1985 errichtet wurden, saniert und mehrere davon neu gebaut werden. Ein Schwerpunkt der Sarnierung (ab 2021) ist die A45, eine der wichtigsten Verbindungen von den westfälischen Industriegebieten in den Süden Deutschlands, die inzwischen vollständig unterbrochen ist und nicht nur zu „Verkehrsinfarkten“ führt.

 

Ursachen und ihre Folgen

 

Vordergründige Ursache für den Verfall sind die Konstruktionen aus den 1970er- und 1980er-Jahren, die von den damaligen Verkehrsbedingungen ausgingen. Die Entwicklung und kapitalistische Produktion von immer schnelleren, größeren und vor allem schwereren Fahrzeugen wurde aber schrankenlos ausgedehnt. Von größter Bedeutung für den Schwerverkehr war der Übergang zur „Just in Time“-Produktion der Industrie, die Lkw als Warenlager nutzt. In Verbindung mit einer zunehmenden Internationalisierung der Produktion, führte das zu einem gewaltigen Anwachsen der Lkw-Kilometer und damit zur Belastung der Straßen und Brücken. Diese Zustände haben in Südwestfalen inzwischen zu heftigen Protesten der Bevölkerung geführt, verbunden mit Problemen in Handwerk und Industrie bis hin zu Abwanderungen.

 

Für den Baukapitalisten ist die Errichtung einer Brücke eine Ware, die mit der Fertigstellung und Bezahlung umgeschlagen ist. Der Bau einer Brücke wird entsprechend auch von den Ingenieuren als abgeschlossener Prozess betrachtet, die Brücke ist fertiggestellt und steht für alle Zeiten.

 

Brücken sind in ständiger Bewegung

 

In gewissen Abständen wird lediglich der Zustand (Vorhandensein von Rissen und so weiter) empirisch geprüft (oder auch nicht). Die Materie ist jedoch in ständiger Bewegung und steht auch unter Einfluss innerer sowie äußerer Bedingungen und Veränderungen wie hier der Zunahme des Schwerlastverkehrs. Deshalb wären ständige vorausschauende Berechnungen und Prüfungen durch Ingenieure im Einzelnen und im Gesamten notwendig. Im Kapitalismus zählt aber nur die Schaffung neuer Profitquellen.

 

Schöpferische Neuerungen?

 

Heerscharen von Ingenieuren werden dazu eingesetzt, sozusagen Löcher zu stopfen, lediglich die vorhandenen Bauten mit etwas verbesserter Tragkraft wiederherzustellen. Von schöpferischen Neuerungen kann keine Rede sein. Dies begünstigt eine weitere Verödung des Ingenieurwesens und seine Entfernung von der Wissenschaft.