Rote Fahne 01/2023

Rote Fahne 01/2023

Die aktuelle Gesundheitskrise und die Perspektiven eines sozialistischen Gesundheitswesens

Gegenwärtig verschärft sich weltweit unter dem Diktat von Pharmamonopolen und internationalem Finanzkapital die Krise des Gesundheitswesens1

Von Dr. Willi Mast, Dr. Günther Bittel
Die aktuelle Gesundheitskrise und die Perspektiven eines sozialistischen Gesundheitswesens
„Vorsorge ist die Hauptsache“: unter diesem Motto betrieben ausgebildete Jugendliche im sozialistischen China Mao Zedongs medizinische Aufklärung auf dem Land, hier zur Verbesserung des Trinkwassers. Das trug zur Ausrottung verheerender Seuchen bei. (Foto von 1976)

Angesichts zahlreicher schwerer Atemwegskrankheiten erleben wir eine extrem angespannte Versorgungssituation in vielen Krankenhäusern, insbesondere in Kinderabteilungen. Kinderärzte, Rettungsdienste, Notfallambulanzen und vor allem das Pflegepersonal sind dem Ansturm zum Teil gar nicht mehr gewachsen. Bitter rächt sich jetzt die Kommerzialisierung und Profitorientierung. Nach der Einführung der Fallpauschalen wurden zahlreiche Kliniken, insbesondere Kinderabteilungen geschlossen, weil sie keine Profite abgeworfen haben. In aller Eile will jetzt Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) mit einer „revolutionären Krankenhaus-Reform“ eine Entwicklung teilweise zurückdrehen – die er selbst vor 20 Jahren mit angestoßen hat.

 

Dramatisch entwickelt sich auch der kapitalistische Pharmamarkt. Circa 1000 Medikamente sind aktuell nicht mehr lieferbar, auch weil sich die Vermarktung „nicht mehr rechnet“. Die unersättliche Profitgier der Pharmakonzerne ist ein Hauptgrund für  das massenhafte Sterben in ärmeren Ländern, denen der Zugang zu Impfstoffen und lebensnotwendigen Medikamenten verweigert wird.

 

Hochqualifizierte medizinische Fachkräfte und Gesundheitseinrichtungen können in einem profitgetriebenen Gesundheitssystem immer weniger im Sinne des Patientenwohls und Menschheitsfortschritts tätig werden. Während sich Seuchen wie Covid-19, Polio, Tuberkulose, Malaria weltweit ausbreiten, landen hunderte Millionen Biontech-Impfstoffe der EU auf den Müll. Und trotz zahlreicher Cholera-Ausbrüche lässt der Sanofi-Konzern in seinem Tochterunternehmen die Produktion von Cholera-Impfstoffen einstellen. Es kommen zwar im Wochentakt neue extrem teure Krebs- und Antikörperpräparate auf den Markt – aber zwei Milliarden Menschen haben weltweit keinen Zugang mehr zu lebensnotwendigen Medikamenten!

 

„Menschen vor Profit“ – diese Forderung taucht immer häufiger auf bei den aktuellen Massenprotesten gegen Pflegenotstand und die Ruinierung des Gesundheitswesens. Hunderttausend Pflegekräfte in Großbritannien, den USA und vielen anderen Ländern waren allein im Dezember im Streik. „Menschen vor Profit“ – das ist ein berechtigtes Anliegen, aber im Kapitalismus eine Illusion. Erst nach dessen revolutionärer Überwindung gehören die medizinischen Fortschritte allen Menschen weltweit. Und das ganze Grundverständnis der Medizin muss im Sozialismus umgekrempelt werden: weg von positivistischem Scheuklappendenken und einer profitgetriebenen Reparaturmedizin – hin zu einer befreiten medizinischen Wissenschaft und einer allseitigen Humanmedizin im Dienst der arbeitenden Klasse.