Rote Fahne 26/2022

Rote Fahne 26/2022

Weltweit Krisen und Kämpfe – Alternative zum Kapitalismus zunehmend gefragt

Viele Menschen sind zum Jahreswechsel besorgt und machen sich Gedanken angesichts des Ukrainekriegs und der Gefahr seiner Ausweitung, ...

Von (jg)
Weltweit Krisen und Kämpfe – Alternative zum Kapitalismus zunehmend gefragt

... einer verheerenden Umweltkrise, sprunghaft steigender Preise und jetzt auch noch der Notlage in den Kinderkliniken und bei der Medikamentenversorgung. Krisen, wohin man schaut! Zugleich wächst der Unmut über all das, häufen sich in vielen Ländern Proteste und Arbeiterstreiks bis hin zu Volksaufständen und revolutionären Gärungsprozessen. Macht das die Welt nicht noch unsicherer? Oder wächst in diesem Gewoge der Kämpfe eine neue Kraft, eine neue Perspektive für die Menschheit? Viele scheuen aber auch noch vor einer klaren Entscheidung zurück, selbst aktiv zu werden. Dabei spielt eine große Rolle, dass sie in der komplizierten Situation nicht richtig durchblicken. Glaubt man der Ampel-Regierung, sind die „Werte“ der bürgerlichen Demokratie das höchste der Gefühle im Kampf gegen „Autokratien“, korrupte Regierungen und faschistische Regimes. Längst gibt es aber auch eine wachsende Debatte über den Imperialismus als tiefere Ursache der Krisen sowie über die Alternative des echten Sozialismus.


Arbeiterstreiks treten verstärkt auf den Plan

 

In mehreren Ländern Europas entfalten sich gewerkschaftliche Streiks und Streikwellen. In Großbritannien, Italien, Griechenland, Belgien, Niederlande und Österreich streiken die Beschäftigten verschiedenster Branchen immer wieder für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingugen (siehe Seite 20/21). In Italien und Griechenland ist das eng verbunden mit dem Kampf gegen den imperialistischen Krieg in der Ukraine. In anderen Ländern richten sich die Kämpfe verstärkt gegen die Folgen des Kriegskurses der Herrschenden, während die Weltkriegsgefahr noch unterschätzt wird und die Ursachen zu wenig ins Visier genommen werden.

 

Hafenarbeiter in Chile, den USA, Großbritannien, Italien und Deutschland führen harte Kämpfe gegen die Hafenkapitalisten und Reedereien. Im neuimperialistischen China erzwangen Massenproteste die Lockerung der menschenverachtenden Corona-Maßnahmen. Mutig legten sich dort die Foxconn-Arbeiter1 mit der Polizei an (mehr auf Seite 17).


Vorboten einer revolutionären Weltkrise?

 

Im Sommer entwickelte sich in Sri Lanka eine revolutionäre Situation, in der die Regierung gestürzt wurde. Kumar Gunaratnam, Generalsekretär der Frontline Socialist Party (FLSP) aus Sri Lanka, wertet aus: „Unser langfristiges Ziel ist der Sozialismus. Unser Ziel beschränkt sich nicht darauf, eine volksfreundliche Verfassung zu machen. Wir können keine egalitäre Gesellschaft aufbauen allein dadurch, dass wir die Steuerpolitik ändern.“ Und Genossen der ICOR-Partei NDMLP schreiben: „Hätte es eine echte revolutionäre, kommunistische Partei und ein Minimun an kämpferischen Kräften gegeben, so hätte sich diesmal in Sri Lanka die Möglichkeit ergeben, die Revolution zu einem neuen Höhepunkt zu führen.“

 

Auch in den Aufständen im Iran zeigen sich Anzeichen für die Herausbildung einer revolutionären Weltkrise (mehr auf Seite 18). Darauf reagieren die Herrschenden mit einer Mischung aus brutaler Unterdrückung und kleineren Zugeständnissen. Sie stellten in Aussicht, die „Sittenpolizei“ aufzulösen und damit die unerträgliche Kleiderkontrolle in der Öffentlichkeit zu lockern.

 

Die westlichen Imperialisten wollen die Situation zu ihren Gunsten ausnutzen und setzen ebenfalls darauf, die revolutionäre Perspektive zu desorientieren. Sie fördern die „Reformer“ innerhalb des iranischen Regimes. Deren Hauptunterschied zu den sogenannten „Hardlinern“ besteht darin, dass erstere sich für eine Orientierung am Westen und an der EU einsetzen.


„Westliche Werte“ als Damm gegen Revolutionierung?

 

David Beasley, Chef des UN-Welternährungsprogramms, mahnt: „Man darf die Leute nicht in eine Situation treiben, wo ihnen keine andere Wahl bleibt als ein Aufstand.“2 Keine ganz unberechtigte Sorge angesichts der Tatsache, dass bis zu 828 Millionen Menschen soviele akut an Hunger leiden wie nie zuvor.

 

Bundeskanzler Olaf Scholz beschreibt in seiner Rede vom 5. Dezember die „westlichen Werte“ als Gegenpol zur revolutionären Entwicklung: „Freiheit, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Würde jedes einzelnen Menschen sind Werte, die nicht allein auf den Teil der Welt beschränkt sind, der traditionell als ‚der Westen‘ gilt.“ Wie alle bürgerlichen Politiker missbraucht Scholz hier bewusst den Begriff der Demokratie. Während das griechische Ursprungswort „Volksherrschaft“ bedeutet, erschöpft sich die heutige bürgerlich-parlamentarische Demokratie darin, dass das „Volk“ alle paar Jahre ein Kreuzchen bei den Wahlen machen darf.

 

Ohne Probleme lässt sich mit Scholz‘ „westlichen Werten“ die enge Zusammenarbeit mit faschistischen Regimes wie in der Türkei oder in Katar vereinbaren. Hauptsache, die „Autokraten“ sind bereit, mit den westlichen Imperialisten zu paktieren. Schließlich wird auch in Deutschland die Niederschlagung revolutionärer Entwicklungen mit brutaler Gewalt vorbereitet. Die Verhaftung von 25 Angehörigen der „Reichsbürger“-Bewegung zeigt, wie sich faschistische Kräfte dafür in Stellung bringen. Bei der Razzia gegen sie wurden über 100 Schusswaffen und mehrere tausend Schuss Munition beschlagnahmt. Und das ist nur die Spitze eines Eisbergs! Noch setzen die bestimmenden Kreise der Herrschenden nicht auf solche Kräfte. Das kann sich aber ändern, wenn sie ihre Macht bedroht sehen.


Bedeutung der ICOR wächst

 

Die revolutionäre Weltorganisation ICOR steht in dem Gewoge der weltweiten Kämpfe für die grundlegende Alternative des echten Sozialismus. In der äußerst komplizierten Weltlage bezieht sie klare Kante gegen den imperialistischen Krieg in der Ukraine. Ihre Resolution vom 4. Februar – vor Kriegsbeginn – war überschrieben: „ICOR hält Lenins Fahne des proletarischen Internationalismus und des Selbstbestimmungsrechtes der Nationen hoch! Weltweiter Kampf für Demokratie, Frieden, Freiheit, Sozialismus!“ Die ICOR und ihre Mitgliedsorganisationen helfen, mit den verschiedenen sozialchauvinistischen Strömungen fertig zu werden, mit denen die Arbeiter und Völker aufeinander gehetzt werden und die teilweise auch in fortschrittliche Bewegungen hineinwirken.

 

Die ICOR hat die Solidarität mit den Aufständen in Sri Lanka, im Iran, dem kurdischen und palästinensischen Freiheitskampf organisiert. Sie leistet Aufklärungsarbeit über den Imperialismus und fördert die internationale Koordinierung und Revolutionierung der Kämpfe. Die ICOR organisiert Delegationsbesuche wie bei den kämpfenden Arbeitern in Griechenland und Italien im Sommer und Herbst dieses Jahres. „Die entscheidende Feuertaufe der ICOR wird eine neue Qualität des proletarischen Internationalismus der Tat in der weltweiten Zusammenarbeit sein.“ So bringt es die Broschüre „Der Ukrainekrieg und die offene Krise des imperialistischen Weltsystems“3 auf den Punkt.


Warum bisher kein Massenprotest in Deutschland?

 

Im „heute journal“ des ZDF vom 11. Dezember rühmte Vizekanzler Robert Harbeck (Grüne) die Zwischen- bilanz der Ampel-Koalition: „Das Land steht stark und stabil …“. Es sei zwar „eine Menge passiert“. Aber vieles sei „auch nicht passiert: das schließt den heißen Herbst, Volksaufstände mit ein“. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Denn Hundertausende Kolleginnen und Kollegen in der Metallindustrie und im öffentlichen Dienst sowie 12 000 Hafenarbeiter haben in ihren Streiks und Warnstreiks gezeigt, dass sie nicht willens sind, für kapitalistische Krisen und imperialistische Kriege zu verzichten.

 

Die Unzufriedenheit mit der Regierung und die Kritik an ihr wachsen – es gibt aber auch noch verbreitete Zurückhaltung. Die vergleichsweise umfassenden Teilzugeständisse der deutschen Regierung wie die die Energiepreispauschale von 300 Euro, der Heizkostenzuschuss für Menschen mit niedrigem Einkommen oder die „Gas- und Strompreisbremse“ wirken auch dämpfend auf die Kampfentschlossenheit. Dass nun auch Habeck die Gefahr von „Volksaufständen“ beschwört, zeigt, dass sich die Regierung keineswegs so sicher ist, dass die Situation im Land „stabil“ bleibt.


Herausforderung an den revolutionären Parteiaufbau

 

Immer mehr Menschen verfolgen sehr genau, was die MLPD macht. Zugleich müssen sie ihre Erfahrungen machen, um in der komplizierten Situation durchzublicken. Das umfasst auch, mit ultrareaktionären bis faschistischen „Protestalternativen“ fertig zu werden. Die MLPD hilft den Arbeitern und breiten Massen dabei und stellt sie auf härtere Zeiten ein. Ihre klare Linie stößt dabei auf wachsende Anerkennung.

 

Nur mit dem Aufbau starker, massenverbundener, marxistisch-leninistischer Parteien können weltweit die zunehmenden gesamtgesellschaftlichen Krisen für eine revolutionäre Überwindung der kapitalistischen Verhältnisse genutzt werden.