Rote Fahne 26/2022
Iran baut Internetüberwachung massiv aus
Seit Beginn der Massenproteste im Iran gab es einige Berichte über Blockaden sozialer Netzwerke und das allgemeine Blockieren des Internetzugangs. Schon 2011 war dies eine Methode, demokratische Aufstandsbewegungen in den arabischen Ländern einzuschränken
In seinem Buch „Die Krise der bürgerlichen Ideologie und des Opportunismus“ führt Stefan Engel dazu aus:
„Bittere Erfahrungen machten 2011 die revolutionären Aktivisten der Aufstandsbewegungen, die von der bürgerlichen Öffentlichkeit auch ,Arabischer Frühling‘ genannt wurden. Sie hatten zunächst alle ihre Aktivitäten sehr wirksam über das Internet organisiert und sich auf diese Möglichkeit der Kommunikation verlassen. Doch dann schalteten die Herrschenden schlicht die Zugänge zum Internet ab – und alle vorher zustande gekommenen Verbindungen rissen schlagartig ab.“ (S. 87)
Bespitzelung von Aufstandsbewegungen
Nun wurde bekannt, das die staatlichen Behörden im Iran offensichtlich über das Internet auch sehr viel Einblick in die Aufstandsbewegungen haben. Aktivisten fragen sich, wie ihre Standortdaten und ihre privaten Kommunikationsdaten in die Hände der Behörden gefallen sind. Einige berichten, das sie plötzlich zu Hause Besuch bekamen von Leuten, die spezifische Informationen darüber hatten, wann und wo sie Videos aufgenommen hätten.
Auf Grundlage von geleakten Dokumenten des iranischen Telekommunikationsanbieters ARIANTEL kam heraus, dass die iranische Telekommunikationsbehörde (CRA) offenbar über ein Programm namens SIAM umfassend Zugriff auf das Mobilfunknetz des Landes hat. In einen Dokument heißt es: „Auf Grundlage der CRA-Regulierung müssen alle Telekommunikationsbetreiber der CRA direkten Zugriff zu ihren System ermöglichen …“. Anschließend werden 28 Funktionen aufgelistet, die ARIANTEL der CRA bereitzustellen hat.
Abfrage von umfangreichen Daten möglich
Zu einer beliebigen Nummer können unter anderem Adresse, Nationalität, Informationen zur Familie und Arbeitgeber, die Nummer der Geburtsurkunde und des Passes sowie Rechnungsdaten abgefragt werden. Des weiteren Standortdaten, welche Webseiten besucht wurden und mit welchen IP-Adressen sich derjenige verbunden hat.
Zugleich macht auch dieses Beispiel deutlich, dass bei allen fortschrittlichen Möglichkeiten des Internets ein allzu großes Vertrauen in die staatlich kontrollierte Telekommunikation und die Nutzung des Internets für jegliche Art von Protest bis Aufstandsbewegung sehr verhängnisvoll sein kann.