Rote Fahne 26/2022
Bundestagsbeschluss zum Holodomor: Teil der psychologischen Kriegsführung
Am 30. November 2022 verabschiedete der Bundestag den gemeinsam von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und CDU/CSU vorgelegten Antrag „Holodomor in der Ukraine: Erinnern – Gedenken – Mahnen“
Dieser Beschluss verbreitet den ungeheuerlichen Vorwurf, unter Stalins Verantwortung seien 1932/33 in einem „Menschheitsverbrechen“ Millionen Menschen durch Hunger gezielt getötet wurden. Ursache sei das „Streben der sowjetischen Führung nach Kontrolle und Unterdrückung der Bäuerinnen und Bauern … sowie der ukrainischen Lebensweise, Sprache und Kultur“ gewesen, Hunger sei „als Strafe“ eingesetzt worden. Drei bis dreieinhalb Millionen Menschen seien damals in der Ukraine verhungert1 und die „historisch politische Einordnung als Völkermord“ sei heute geboten, um die Ukraine – aktuell ein „Opfer ... der imperialistischen Politik Wladimir Putins“ – „weiterhin politisch, finanziell, humanitär und militärisch“ zu unterstützen.2
Lügengebäude allererster Ordnung
Heuchlerisch werden in dem Antrag auch „Kriegsverbrechen der Wehrmacht und die planmäßige Ermordung von Millionen unschuldiger Zivilistinnen und Zivilisten“ durch den deutschen Faschismus angeführt. So soll der Eindruck erweckt werden, man gehe offen und ehrlich an die Geschichte heran. Dabei wird tatsächlich ein Lügengebäude allererster Ordnung errichtet:
Vollkommen haltlos ist die Gleichsetzung der sozialistischen Arbeitermacht der Sowjetunion, die der Ukraine historisch die staatliche Eigenständigkeit gebracht und dort einen wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwung bewirkt hatte, mit der arbeiterfeindlichen monopolkapitalistischen Herrschaft des Faschismus.
Die Gleichsetzung der antifaschistischen Friedenspolitik der sozialistischen Sowjetunion vor dem Zweiten Weltkrieg mit der heutigen imperialistischen Großmachtpolitik des Putinschen Oligarchenkapitalismus verspottet jede geschichtliche Wahrheit.
Den Geschichtsverlauf auf den Kopf stellt die Lüge, die tatsächlich entstandene Hungersnot sei die Folge Stalinscher Politik gewesen. Seit 1921 hatten die Bauern in der Sowjetunion eigenständig privatwirtschaftlich produzieren können. Statt vorher 16 Millionen Bauernhöfen gab es nach der Oktoberrevolution 25 Millionen. Diese Kleinwirtschaft war jedoch weder produktiv genug, das Land auf Dauer zu ernähren, noch konnte sie die kapitalistische Gesetzmäßigkeit eines ökonomischen Machtzuwachses der Großbauern unterbinden. Diese Kulaken forderten Ende der 1920er-Jahre die Sowjetmacht heraus. „Ist ihnen bekannt“, fragte Stalin im April 1929 auf dem Plenum des Zentralkomitees, „wie die Kulaken unsere Funktionäre und die Sowjetmacht in den Dorfversammlungen, die zur Verstärkung der Getreidebeschaffung abgehalten werden, verhöhnen? … Zum Beispiel, daß in Kasachstan unser Agitator zwei Stunden lang die Getreidebesitzer zu überreden versuchte, das Getreide für die Versorgung des Landes abzuliefern, ein Kulak aber mit der Pfeife im Munde vortrat und ihm antwortete: ,Tanz mal, Bursche,dann werde ich dir so an die zwei Pud Getreide geben.‘“3
Bezüglich der Ukraine empörte sich die reaktionäre Holodomor-Historikerin Anne Applebaum über Polizeiaktionen gegen die Zurückhaltung von Getreide, „weil die Bauern ganz rational auf einen Preisanstieg warteten“.4 Wenn sie von „Bauern“ spricht, meint sie allerdings die Kulaken. Ein Schuft, wer da an die heutigen Spekulationspreise für Strom, Gas und Öl denkt, oder gar daran, dass bei Hungerdemonstrationen im Ruhrgebiet in der Nachkriegszeit die Losung „Todesstrafe für Großschieber“ getragen wurde.
Kulaken hauptverantwortlich für Hungersnot
Die Hungersnot in der Ukraine war Folge davon, dass die Kulaken das Land erpressten und sich gegen die Brechung ihrer Macht durch die Kollektivierung der Landwirtschaft auflehnten:
Zur Katastrophe kam es, weil es ihnen gelang, Sabotage zu verüben und Aufstände anzuzetteln. Das wurde durch Fehler der Kommunisten bei der Kollektivierung begünstigt, durch die Mittelbauern teilweise so hart angefasst wurden wie die Kulaken selbst und sie als Reaktion auf deren Seite traten. Die Anführer dieser Aufstände spielten sich dabei als Vertreter der ukrainischen Nation auf, von den ukrainischen Kommunisten wurden sie 1934 mit Namen genannt.5 Sie waren so „national“, dass ihre spätere Kollaborationstätigkeit bei der Nazibesetzung der Ukraine als tatsächliches „Menschheitsverbrechen“ dokumentiert werden konnte!6
Rundweg gelogen ist auch die im Parlamentsbeschluss behauptete Unterdrückung der ukrainischen Lebensweise und Kultur: Das als „Ukrainisierung“ bezeichnete Aufblühen der ukrainischen Sowjetrepublik ist durch Zahlen und Fakten genauestens belegt. Gestoppt werden konnte es erst 1941 durch den faschistischen Überfall des deutschen Imperialismus! Dessen politischen Handlanger im Parlament scheuen sich heute nicht, mit ihren Geschichtslügen seine aktuellen imperialen Interessen zu unterstützen.