Rote Fahne 25/2022
Stalingrad – die Lüge vom „Prestigekampf“
Am 2. Februar 1943, vor bald 80 Jahren, endete die Schlacht um die Stadt Stalingrad an der Wolga. Die Rote Armee der damals sozialistischen Sowjetunion hatte die Truppen der Wehrmacht und ihrer Verbündeten nach sechsmonatigen Kämpfen besiegt
Von 260 000 deutschen Soldaten und Offizieren gingen etwa 90 000 am Ende in sowjetische Kriegs-gefangenschaft. Bürgerliche Historiker sprechen oft vom Prestigekampf zweier Diktatoren – Hitler und Stalin. Der Name der Stadt „Stalingrad“ hätte dabei eine wichtige Rolle gespielt. Das lenkt völlig ab vom Wesen der Entscheidungsschlacht, die hier stattfand.
Tatsächlich sollte mit der Sommeroffensive der Wehrmacht 1942 die Sowjetunion in die Knie gezwungen werden. Das Land sollte von seinen wichtigen Ressourcen (dem Öl im Kaukasus, dem Getreide vom Kuban, den Industriebetrieben etc.) abgeschnitten und die Transporte auf der Wolga sollten unterbunden werden.
Stalingrad hatte für den Fortgang des Krieges also große Bedeutung. Die ursprünglichen deutschen Kriegspläne des sogenannten Blitzkriegs waren gescheitert. Es war nicht gelungen, wie die Nazis großspurig verkündet hatten, die Sowjetunion in drei Monaten zu besiegen. Weder Moskau noch Leningrad wurden erobert und die Rote Armee schon gar nicht vernichtet. Die Wehrmacht verlor bereits im ersten Kriegsjahr zwei Millionen Soldaten.
Hitler und seine Wehrmachtsköpfe unterschätzten die Möglichkeiten des Sowjetstaates. Sie glaubten, die Rote Armee sei zu keinen größeren Militäraktionen mehr fähig. Es wurden in der Sowjetunion aber ständig neue Truppen aufgestellt.
Ab der zweiten Jahreshälfte 1942 lieferten die nach Osten evakuierten und dort neu gebauten sowjetischen Rüstungsbetriebe immer mehr und moderne Waffen an die Rote Armee. Im weiteren Kriegsverlauf übertraf die sowjetische Kriegsproduktion die deutsche. Die Opferbereitschaft und die Verbundenheit der Soldaten, der Arbeiter und Bauern zu ihrem Heimatland und zur kommunistischen Partei spielten eine entscheidende Rolle.
Dieser Krieg war, wie Stalin ihn nannte, der „Große Vaterländische Krieg“. Er wurde aus allen Nationalitäten der Sowjetunion unterstützt.
Terror gegen die Zivilbevölkerung
Bürgerliche Kräfte behaupten, Stalin hätte den Einwohnern verboten, die Stadt zu verlassen. Das ist gelogen. Hitler wies im August 1942 an, die männliche Bevölkerung zu töten und die weibliche abzutransportieren. Stalingrad sei mit seiner „durchweg kommunistischen Einwohnerschaft besonders gefährlich“.
Der Wehrmachtsführung waren die Bewohner der Stadt und ihr Schicksal völlig egal. Viele starben bei der ersten brutalen Bombardierung der Stadt am 23. August 1942.
Die Fähren, die die Menschen an das Ostufer der Wolga bringen wollten, wurden angegriffen. Menschen, die in Richtung Westen flohen, wurden von den anrückenden Deutschen getötet, versklavt und dem Hungertod preisgegeben. Aber es gab auch viele Bewohner Stalingrads, die ihre Stadt nicht verlassen, sondern verteidigen wollten.
„Der Tod über unseren Köpfen, der Ruhm neben uns“
Die Schlacht um Stalingrad hatte einen besonderen Charakter. Sie wurde auf engstem Raum ausgetragen. Fortschritte wurden in Metern gemessen. Die sowjetischen Soldaten kämpften oft Mann gegen Mann, um einzelne Häuser, zerstörte Fabrikhallen oder andere Ruinen.
Die „Gesellschaft zur Förderung und Pflege normaler Beziehungen zwischen der Schweiz und der Sowjetunion“ veröffentlichte 1945 das Buch „Stalingrad“. Es dokumentiert den Verlauf der Schlacht und vor allem, wie Soldaten, Offiziere und Werktätige die Stadt verteidigt haben. Diese Berichte geben einen lebendigen und zeitnahen Einblick in das Geschehen. Hier einige Auszüge aus dem Buch:
„Um ein einziges Haus wurde 14 Tage lange gekämpft.“ „Achtzig Tage und Nächte Nahkampf, das war Stalingrad.“ „Auf einen schmalen Abschnitt, eineinhalb Kilometer breit und zweieinhalb Kilometer tief, warfen 3000 Flugzeuge ihre Bombenlasten, konzentrierten tausende Geschütze und Minenwerfer ihr Trommelfeuer; jeder Stein wurde zermalmt, jeder Quadratmeter umgepflügt.“ „Nachschub an Waffen und Soldaten kam über die Wolga unter ständigem Beschuss. Verwundete und Zivilbevölkerung mussten ebenfalls diese gefährlichen Transporte überstehen. Viele sind dabei umgekommen.
Die verkohlten Leichen von Frauen und Kindern, die von den Deutschen auf einem Dampfer verbrannt wurden, liegen auf dem Ufersand der Wolga und rufen nach Rache. Ja, hier ist es schwer zu leben – mehr noch, hier ist es unmöglich zu leben, ohne etwas zu tun. Aber leben und kämpfen … so kann man hier leben, so muss man hier leben, so werden wir leben und diese Stadt halten inmitten von Feuer, Rauch und Blut. Und wenn der Tod über unsern Köpfen tobt, dann schreitet der Ruhm neben uns. Er ist unser Bruder geworden in den Trümmern der Wohnungen, im Schluchzen der verwaisten Kinder.“