Rote Fahne 25/2022
Der Kampf gegen das Jacob- Liquidatorentum – eine Schule des Parteiaufbaus
Die MLPD entwickelt sich seit ihrer Gründung vor 40 Jahren als stabile Organisation ohne Spaltungen und Schwankungen. Das Stadium eines offenen Liquidatorentums mit der akuten Gefahr der Spaltung und Zerstörung einer marxistisch-leninistischen Organisation kennen viele ihrer Mitglieder nicht. Diese Gefahr bestand 1976 im KABD (KABD – Kommunistischer Arbeiterbund Deutschlands), der Vorläuferorganisation der MLPD. Siggi Renz und Irene Brandt, beide seit über 50 Jahren Mitglied, erinnern sich
Siggi Renz: Mitte der 1970er-Jahre entwickelt sich eine komplizierte Situation in Gesellschaft und Klassenkampf der BRD. Die langanhaltende Phase der Hochkonjunktur nach dem Zweiten Weltkrieg wurde durch eine schwankende Stagnation in der Wirtschaft abgelöst. Die Arbeiterkämpfe setzten sich nicht fort und gingen sogar zurück.
Die Zentrale Leitung (ZL) des KABD wurde dieser Situation nicht gerecht und geriet in eine krisenhafte Entwicklung. Einer selbstkritischen Aufarbeitung wich sie aus. Stattdessen folgte sie Günther Jacob, der kurz zuvor in die Zentrale Leitung kooptiert wurde.
Günther Jacob hatte im Jugendverband (RJVD – Revolutionärer Jugendverband Deutschlands) eine positive Rolle gespielt. Sein Aufstieg stieg ihm zu Kopf. Mit seinem Elan täuschte er uns über das Vordringen eines kleinbürgerlichen Führungsanspruchs hinweg. Er scharte ihm genehme Genossen um sich. Seinem Ansinnen entgegen kam eine verunsicherte Zentrale Leitung, die willig war, ihm die Initiative zu überlassen. Sie griff nach dem Strohhalm seiner „neuen“ Ideen.
Er behauptete, der KABD sei nicht in der Lage, Kämpfe der Arbeiter zu führen. Dazu sei die Masse der Arbeiter viel zu rückschrittlich. Statt sich in systematischer Kleinarbeit mit den Kämpfen der Arbeiter zu verbinden, sollten wir uns nur an die auserwählten Fortschrittlichsten wenden. Darauf vereinheitlichte sich die gesamte Zentrale Leitung auf einer Klausurtagung unter Umgehung der Kontrolle durch die Zentrale Kontrollkommission (ZKK) und ihres Leiters Willi Dickhut.
Irene Brandt:
Noch heute schaudert es mich bei dem Gedanken, wie dicht der KABD 1975 / 76 vor einem Absturz in die Bedeutungslosigkeit und einem drohenden Ende des gesamten Parteiaufbaus stand.
Als Jacob seine linksopportunistischen Thesen in die Welt setzte – Thesen wie „Erst Theorie, dann Praxis“, statt beides als dialektische Einheit zu verwirklichen –, da war ich zunächst verunsichert. In dieser Situation erwies sich Willi Dickhut als Fels in der Brandung. Er entlarvte die wortgewaltige „Neuorientierung“ als das, was sie in Wahrheit war: ein Angriff auf die ideologisch-politische Linie des KABD. Jede seiner „Thesen“ wurde restlos und überzeugend zerpflückt. Die ZKK rief uns alle zur aktiven Verteidigung unserer Linie und Organisation auf. Das hat mich wachgerüttelt!
Die Einbeziehung der Basis war eine herausragende einmalige Methode und richtig. Die Zentrale Leitung stand anfangs geschlossen hinter der kleinbürgerlichen Linie von Jacob und begann sie bereits umzusetzen. Sie sperrte sich zunächst gegen jede Einsicht, dass diese Linie uns auf einen verhängnisvollen Weg, weg vom Kampf der Arbeiterklasse, führen würde.
Unsere Gegenoffensive mit der Bündelung der Kontrolle von oben (durch die ZKK) und der Kontrolle von unten (durch die Mitgliedschaft) bestand im Kern darin, den Mitgliedern die Verteidigung des KABD anzuvertrauen. Das brachte eine enorme Kraft zur Entfaltung. Es war so etwas wie eine kleine Kulturrevolution, was ich allerdings erst später begriff.
Wir gewannen die meisten verunsicherten Genossinnen und Genossen zurück und verloren nur einige an das Liquidatorentum. Jacob sah sich in die Enge getrieben und suchte seine Flucht in einer Spaltung. Die ZKK entwickelte eine geniale Methode der Überzeugungsarbeit. Mit 40 „Vertraulichen Mitteilungen“2 wurden wir jederzeit in den Stand der ideologischen-politischen Auseinandersetzung einbezogen. Das konkrete Vorgehen von Jacob und seiner Anhänger wurde entlarvt.2 Diese Mitteilungen waren eine regelrechte Schulung der marxistisch-leninistischen Positionen im Parteiaufbau. Ich habe auf deren Grundlage damals selber intensiv unsere Linie studiert. Bis auf Jacob konnten dann doch alle Mitglieder der ZL überzeugt und gerettet werden. Jacob missbrauchte gestohlene Adressen, um Hetzbriefe gegen die ZKK zu versenden. Wir haben den „Mitteilungen“ viel konkretes Material geliefert und alle Intrigen und Machenschaften der Jacob-Leuten sofort an die ZKK weitergemeldet.
Unsere Entschlossenheit wuchs: „Da will einer unsere revolutionäre Organisation kaputtmachen? Pass auf, Freundchen, wir kommen!“ So ähnlich könnte man unsere Grundhaltung umschreiben. Ich erinnere mich, wie ein Genosse meiner Gruppe halb ernst, halb spöttisch in die Runde fragte, ob wieder jemand eine „Wundertüte aus Frankfurt“ erhalten hätte.
Der KABD ist in diesem Kampf ideologisch-politisch gereift und hat einen Sprung vorwärts in Richtung zur Parteigründung gemacht.