Rote Fahne 23/2022
12. November: Kampftag gegen umweltpolitischen Kahlschlag und Krieg
Die bürgerlichen Medien blicken wie gebannt auf die 27. UN-Klimakonferenz, die vom 6. bis 18. November in Ägypten stattfindet. Schon der Titel ...
... dieser jährlich stattfindenden Konferenzen ist bezeichnend. Besteht die natürliche Umwelt denn nur aus dem „Klima“? Was ist mit dem Artensterben, dem Ozonloch oder der gigantischen Vermüllung?
1.Ganz anders die Aktivitäten zum diesjährigen Internationalen Umweltkampftag am 12. November: Sie nehmen alle Hauptfaktoren der dramatischen Verschärfung des Umschlags in eine globale Umweltkatastrophe ins Visier. So gingen zum Beispiel 69 Prozent der wild lebenden Wirbeltierarten in den vergangenen 50 Jahren verloren.
Es gibt neben der heraufziehenden Klimakatastrophe eine Reihe weiterer Hauptfaktoren des Übergangs zu einer globalen Umweltkatastrophe: die Zerstörung der Ozonschicht; die beschleunigte Vernichtung der Wälder; die sprunghafte Zunahme regionaler Umweltkatastrophen; die Zerstörung regionaler Ökosysteme und das Artensterben; der rücksichtslose Raubbau an den Naturstoffen; Vermüllung, Vergiftung und Verschmutzung der Weltmeere; und die unverantwortliche Nutzung der Atomenergie.
Ihre Wechselwirkungen und die Rückkopplungen aus der Natur auf Grund bereits eingetretener Veränderungen beschleunigen sich gegenseitig. Es geht um ein systemisches Problem, das nur systemisch gelöst werden kann!
2. Der Ukrainekrieg bedeutet eine umweltpolitische Zäsur. In der Studie „Der Ukrainekrieg und die offene Krise des imperialistischen Weltsystems“ von Stefan Engel, Gabi Fechtner und Monika Gärtner-Engel heißt es dazu: „Bereits vor der Ukrainekrise beschleunigte sich der Übergang in die globale Umweltkatastrophe. Mehr oder weniger alle imperialistischen Länder kündigten durchgreifende Umweltschutzmaßnahmen an, vor allem als Reaktion auf die weltweite Umweltmassenbewegung besonders unter der Jugend. Doch schon kurz nach dem russischen Überfall auf die Ukraine erklärten sie einen umweltpolitischen Paradigmenwechsel. Fortan müsse der Klimaschutz als bisheriges Top-Ziel den ‚Sicherheitsinteressen‘, sprich der Vorbereitung eines Dritten Weltkriegs, untergeordnet werden. … Die mutwillige Zerstörung der Einheit von Mensch und Natur erfährt damit eine neue Qualität.“ (S. 39)
Mit an der Spitze eines bisher nicht gekannten umweltpolitischen Kahlschlags steht ausgerechnet die Ampel-Regierung. Das Jahr 2022 ist auf bestem Weg, zum wärmsten Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen zu werden. Das Pariser Abkommen von 2015 zur Begrenzung des Erdtemperaturanstiegs auf 1,5 Grad Celsius ist längst Makulatur. Die Weltmeteorologische Gesellschaft schätzt, dass die 1,5-Grad-Grenze bereits 2025 überschritten wird. Dennoch verspricht der ägyptische Außenminister und designierte COP27-Präsident, Sameh Shoukry, einen „Wendepunkt für den weltweiten Klimaschutz“ wird. Mit der Formulierung vom „Wendepunkt“ gesteht er unfreiwillig ein, dass bisher 26 UN-Klimakonferenzen nichts an der der mutwilligen Zerstörung der Einheit von Mensch und Natur geändert haben. Außenministerin Annalena Baerbock von den Grünen erklärte es
schon zum Erfolg der 27. Konferenz, „dass sie stattfindet“.
3. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) spricht davon, dass man für eine „Übergangszeit“ wieder mehr Kohlekraftwerke benötige.1 Umso mehr wolle man sich „ehrgeizige Ziele stecken“ und „bis spätestens 2045 klimaneutral werden“.2 Aber wieso reduziert sich dann der „Ehrgeiz“ der Ampel-Regierung darauf, LNG-Terminals im Eiltempo durchzusetzen, mit Laufzeiten bis 2034? Wieso garantiert sie den Energiekonzernen Gaspreise in schwindelerregenden Größenordnungen und fordert stattdessen die Verbraucher auf, sich wärmer anzuziehen?
Mit pragmatischen Vertröstungen auf den Sankt-Nimmerleinstag kann man jede Maßnahme zur Liquidierung des Umweltschutzes rechtfertigen.
4. Der Umweltkampftag ist Gelegenheit, Bilanz zu ziehen, wie sich der weltweite Umweltkampf entwickelt und vor welchen neuen Herausforderungen er steht. Beim letzten Aktionstag der Jugendumweltbewegung „Fridays for Future“ am 23. September beteiligten sich 280 000 Menschen, 60 000 mehr als noch im März – und zwar mehrheitlich ausdrücklich kapitalismuskritisch. Ein wachsender Teil löst sich aus der Umklammerung der Grünen und wird besser mit antikommunistischen Spaltungsmanövern fertig.
Erste Proteste entwickeln sich gegen den umweltpolitischen Kahlschlag: An der Küste regt sich der Protest gegen LNG-Terminals. Die Aktivisten im Braunkohle-Widerstandsdorf Lützerath sind entschlossen, sich dem Abbaggerungsbeschluss nicht zu beugen. Widerstandsgruppen von MLPD und REBELL werden zunehmend aktiv. Diffamierung und Kriminalisierung von Blockadeaktionen durch Umweltschützer richten sich gegen den notwendigen aktiven Massenwiderstand. Er ist unverträglich mit kriecherischem Opportunismus gegenüber der Regierung, aber auch massenfeindlichen sektiererischen Aktionen.
5. Der Schulterschluss zwischen Arbeiter- und Umweltbewegung wird an wichtigen Punkten enger. In einem Aufruf zum Umweltaktionstag schreibt die Internationale Bergarbeiterkoordinierung: „Die Bergleute der Welt haben eine besondere Verantwortung für die nachfolgenden Generationen. Zum einen werden jetzt und in Zukunft Rohstoffe gebraucht, zum anderen müssen diese so gefördert werden, dass die Lebensgrundlage der Menschen nicht in Frage gestellt wird. Bergarbeiter, Umwelt- und Jugendkämpfer gehören zusammen!“
Zugleich sehen wir im Iran, in Griechenland oder in Frankreich: Wenn die Arbeiterklasse auf den Plan tritt, kommen Klarheit, Organisiertheit, Kampfkraft und Perspektive in die gesellschaftlichen Proteste.
6. Die revolutionäre Weltorganisation ICOR3 organisiert den 12. November als internationalen Widerstandstag. Die internationale antiimperialistische und antifaschistische Einheitsfront organisierte unter anderem zwei Webinare zum Hiroshima-Tag und zum Umweltkampftag.
Das sind wichtige Impulse für den weltweiten Zusammenschluss der Umweltbewegung. Der ist dringend nötig angesichts der offenen ökologischen Weltkrise. Durch die Überschwemmungen in Pakistan wurden 33 Millionen Menschen obdachlos, die Ernte wurde zerstört und Hunger macht sich breit. Nach dem Coronavirus treten umwelt- und armutsbedingte Seuchen neu auf, so im Libanon die gefährliche Durchfallerkrankung Cholera.
7. Die Verbindung zwischen verschiedenen Kräften der Umweltbewegung wächst. Bei der Demonstration am 23. September in München gegen die Regierungspolitik war ein starker Anti-Atomblock gegen den Weiterbetrieb des rissigen AKW Isar 2 dabei. Vertreter der ver.di-Jugend und vom Umweltinstitut München forderten Sofortmaßnahmen zum Klimaschutz und die Stilllegung aller Atomkraftwerke. Die überparteiliche Umweltgewerkschaft schreibt zu Recht: „Organisation macht den Unterschied!“
8. Die Umweltbewegung muss gesellschaftsverändernden Charakter annehmen. Die Schriftenreihe REVOLUTIONÄER WEG bietet dafür einen klaren Kompass. So weist Stefan Engel im Buch „Katastrophenalarm! Was tun gegen die mutwillige Zerstörung der Einheit von Mensch und Natur?“ darauf hin: „Nur eine internationale sozialistische Revolution kann die soziale und die ökologische Frage lösen. Erst in einer sozialistischen Gesellschaft ohne Ausbeutung des Menschen durch den Menschen bilden Mensch und Natur eine fruchtbringende Einheit.“ (S. 9)
9. Wir sehen auf verschiedensten Feldern der Umweltbewegung, der Frauen-, Jugend- und Arbeiterbewegung wichtige zukunftsweisende Ansätze, die sich weiterentwickeln und Massencharakter annehmen müssen. Dafür spielt der diesjährige internationale Umweltkampftag am 12. November eine wichtige Rolle. Er steht im Zeichen des Kampfs sowohl gegen den umweltpolitischen Kahlschlag als euch gegen die Weltkriegsgefahr.
Dazu gehören zeitgleiche zentrale und dezentrale Aktivitäten – sowohl in den Metropolen als auch an Umweltbrennpunkten wie zum Beispiel AKW- oder Kohlekraftwerken. In der französischen Hauptstadt Paris wird der internationale Widerstand zusammenkommen. Auch MLPD und REBELL werden mit einer Delegation teilnehmen. Geplant ist ein Tribunal, in dem die Monopole und ihre Regierungen angeklagt werden. In Deutschland wird es vielfältige Aktionen in verschiedenen Städten geben: von Infoständen über Demonstrationen bis zu Aktionen des aktiven Widerstands.