Rote Fahne 18/2022
Die Philippinen unter Marcos 2.0
Neuerliche Tragödie oder nurmehr eine Farce? – Ein Kommentar von Dr. Rainer Werning
In keinem anderen Land der gesamten Asien-Pazifik-Region ist die Kontinuität politischer Clans und Beharrlichkeit von Familiendynastien dermaßen ausgeprägt wie in den Philippinen. Der 64-jährige Diktatorensohn Ferdinand Marcos Junior – von seinen Anhängern kurz „Bongbong“ oder noch kürzer „BBM“ genannt – wurde am 30. Juni als 17. philippinischer Präsident vereidigt: 36 Jahre nach dem Sturz seines Vaters, der von 1965 bis 1986 den Inselstaat die längste Zeit mit eiserner Faust – sprich: Kriegsrecht – als 10. Präsident regierte.
Benigno S. Aquino III., dessen Amtszeit von 2010 bis 2016 währte, war als 15. Präsident des Landes der Sohn von Corazon C. Aquino, die als 11. Präsident die Geschicke im Präsidentenpalast Malacañang zu Manila lenkte. Gloria Macapagal-Arroyo amtierte als 14. Präsident von 2001 bis 2010. Sie ist die Tochter von Ex-Präsident Diosdado Macapagal, der als 9. Präsident der Philippinen eben dem Vater des jetzigen Präsidenten weichen musste.
Seit dem Sturz seines Vaters vor 36 Jahren gehörte es wenigstens zum guten Ton jeder neuen Regierung in Manila, als Goodwill-Geste die Bereitschaft zu Friedensgesprächen mit der Nationalen Demokratischen Front der Philippinen (NDFP) zu signalisieren. Die NDFP ist ein seit dem Frühjahr 1973 bestehendes Dachbündnis, das im politischen Untergrund agiert und heute 18 Organisationen mit der Kommunistischen Partei der Philippinen (CPP) und deren Guerillaformation der Neuen Volksarmee (NPA) als Kern umfasst. Maximalziel der NDFP ist die Schaffung einer Volksdemokratischen Republik der Philippinen, um die ihrer Meinung nach fatale Herrschaft von „Imperialismus-Feudalismus-bürokratischem Kapitalismus“ zu brechen.
Künftigen Friedensgesprächen erteilte das neue Regime eine brüske Absage. Es setzt stattdessen fortgesetzt auf Counterinsurgency (Aufstandsbekämpfung) im Rahmen seiner Nationalen Task Force zur Beendigung lokaler kommunistischer bewaffneter Konflikte (NTF-ELCAC). Im Klartext: Red-tagging1 dominiert die Tagesordnung der Herrschenden in einem Klima aufgepeitschten Antikommunismus – wer sich für die Belange der Armen und Marginalisierten einsetzt, gilt automatisch als „Krimineller“ und / oder „Terrorist“. Als solcher wird seit dem 15. Juni sogar der langjährige internationale Chefrepräsentant der NDFP und bis zum Herbst 2016 Delegationsleiter der NDFP bei den Friedensverhandlungen mit Vertretern der Republik der Philippinen eingestuft – der 87-jährige Luis G. Jalandoni.
Dabei plagen das von tiefen Krisen gezeichnete Land wirkliche Probleme. Allein verwässerte offizielle Statistiken zeigen, dass 26,14 Millionen Filipinos in absoluter Armut und 10,19 Millionen weitere am Existenzminimum leben. Die neuesten verfügbaren Daten weisen die Philippinen als das in der westlichen Pazifikregion ärmste Land aus, was die Arbeitslosen- und Inflationsraten betrifft.