Rote Fahne 16/2022
Schwere Waffen als „Game-Changer?
Pensionierte Ex-Generäle behaupten, schwere Waffen im Ukrainekrieg könnten zum „Game-Changer“ werden, also den Kriegsverlauf entscheidend beeinflussen, wenn nicht gar entscheiden
Je nach Vorliebe nennen die Militärs willkürlich Panzer, Haubitzen, Raketenwerfer oder Drohnen. Ein Hauptgrund, weshalb die Ex-Generäle vereinfachende Aussagen treffen und in die Mottenkiste der psychologischen Kriegführung greifen, ist die Rechtfertigung des Hochrüstungskurses der Regierung. Und damit auch, dass wir widerspruchslos die Zeche bezahlen sollen. Dabei wissen die Militärexperten genau, dass der Verlauf eines Krieges von mehreren Faktoren abhängt, die zusammenwirken: Aufklärung, Nachschub und Logistik, materielle Ausstattung, verfügbare Truppen und ihr Ausbildungsniveau, Rückhalt in der Bevölkerung und militärische Taktik.
Gerechter oder ungerechter Krieg
Wesentliche Faktoren sind der Charakter des Krieges und seine Ziele. Ist es ein gerechter Krieg, für Befreiung von Unterdrückung und Ausbeutung und ermöglicht ein siegreicher Ausgang den Aufbau einer friedlichen und befreiten Gesellschaft? Oder dient er den Konkurrenzinteressen rivalisierender Kräfte und führt am Ende zur Weiterführung von Ausbeutung und Unterdrückung und zu neuen Kriegen? Letzteres trifft auf den Ukrainekrieg zu mit dem Risiko, in einen Dritten atomaren Weltkrieg überzugehen, der die ganze Menschheit auslöschen könnte. Ein ungerechter Krieg löst das zugrunde liegende Problem der Konkurrenz und Unterdrückung nicht, er bringt es neu hervor und verschärft es. Wann das den Massen entgegen der gegenteiligen Propaganda zu Bewusstsein kommen wird, kann man schwer sagen, ist aber letztlich entscheidend.
Dass die ukrainische Seite gelenkte Mehrfachraketenwerfer vom Typ Himars1 mit Reichweiten von 70 bis maximal 300 Kilometer fordert und einzelne schon einsetzt, beweist, dass sie längst zu eigenen Angriffszielen übergegangen sind. Im Abstand von Sekunden detonieren Raketen aus sechs Rohren in unterschiedlichen Zielen mit verheerender Wirkung. Mit Streumunition töten sie Menschen auf der Fläche mehrerer Fußballfelder.
Entscheidender Faktor – der Mensch
Ein weiterer Grund für die Überbetonung von Waffensystemen liegt im kapitalistischen Menschenbild, das den Menschen nur als Ausbeutungs- und Unterdrückungsobjekt sieht. Dabei gibt es zahllose Beispiele für den entscheidenden Faktor Mensch trotz materieller Unterlegenheit. Auch zahlenmäßige Überlegenheit kann einen mit Entschlossenheit kämpfenden Verteidiger nicht einfach so besiegen. Ob bestimmte Waffensysteme überhaupt eingesetzt werden können, unterliegt ebenfalls dem Faktor Mensch. Ebenso wird eine lückenlose Logistikkette ohne Menschen unmöglich, die den Transport unter größten Gefahren organisieren.
Die Menschen haben die Fähigkeit zu denken und soziale Verantwortung zu übernehmen. Sie können sich nicht nur für imperialistische Ziele einspannen lassen, sondern dem Dritten Weltkrieg auch durch eine Revolution zuvorkommen. Das ist heute strategisch die weltweite Aufgabe der Massen – egal welchen Landes.