Rote Fahne 16/2022
Documenta 15: Kollektiv-Kunst für eine bessere Welt
Meine Frau und ich haben uns die documenta-Ausstellung in Kassel angeschaut. Es war sehr eindrücklich, wie engagiert sich internationale Künstler einsetzen gegen die Ausbeutung von Mensch und Natur, gegen Krieg, Faschismus und Unterdrückung – für Frieden, Gerechtigkeit und den Schutz der natürlichen Umwelt
Rund 90 Prozent der Ausstellenden sind Künstler-Kollektive. Die künstlerische Leitung liegt bei der indonesischen Gruppe Ruangrupa. Für sie ist „lumbung“, der Austausch, ein zentraler Bestandteil ihres Konzepts. Mehrere Kollektive arbeiteten mit Kasseler Schulen und Jugendlichen mit Beeinträchtigungen zusammen und stellen ihre Werke aus.
Die 15. documenta ist noch politischer als die letzte, vereinzelt gibt es auch revolutionäre Kunst zu sehen. Beeindruckt hat uns die Anklage des Schicksals von Bootsflüchtlingen und die Videos über eingesperrte und misshandelte Migranten in Australien.
Die Arbeiterklasse taucht immer wieder auf. So werden per Direktübertragung Stimmen von marokkanischen Phosphatarbeitern übertragen. Man sieht, wie die klassenkämpferischen Schilder und Banner des indonesischen Kollektivs Taring Padi auf Demonstrationen getragen werden: „Arbeiter vereinigen sich“, „Die Arbeitslöhne erhöhen“ oder Losungen für die Rechte der Frauen. Taring Padi kritisiert in einem Triptychon1 den Massenmord an den indonesischen Kommunisten von 1965 mit den Worten „40 Jahre Schweigen, 40 Jahre ohne Gerechtigkeit“.
Dem schwarzen kommunistischen US-Ehepaar Hermina und Otto Huiswoud wird ein kämpferisches Denkmal gesetzt. Otto Huiswoud war 1919 Mitbegründer der Kommunistischen Partei der USA.
„Antisemitismus“-Keule gegen Kritik am Antikommunismus
Agus Nur Amal aus Sumatra versteht „lumbung“ kapitalismuskritisch und zwar „als eine alternative Praxis im dekadenten kapitalistischen System, die zu neuem Denken und Handeln in Kunst, Kultur und Politik inspiriert“.
Die Ironie darf nicht fehlen: aus einer Paprika wird eine Handgranate, um das Thema „Nahrung als Waffe“ zu thematisieren. Aus einer Montage der Darstellung der Unterdrückung des palästinensischen Volkes durch das israelische Militär mit Gemälden von Chagall, Millet und van Gogh entstehen aufrüttelnde Bilder, die zu Unrecht als antisemitisch denunziert wurden.
Die fortschrittliche Positionierung der documenta-Künstler stieß von Anfang an auf den Widerstand der zunehmend reaktionären Kulturpolitik der Regierung. Gegen diese Diffamierung gibt es breite Empörung und Widerstand. Eine Online-Petition verteidigt die „beeindruckende documenta fifteen“ und kritisiert an der öffentlichen Diskussion, dass mit einem antisemitischen Detail gleichzeitig die Kernaussage des abgehängten Banners „People‘s Justice“ ausgeblendet wurde. Der Kern des Banners war die Verurteilung des Massenmords an indonesischen Kommunisten 1965.
Die Kasseler Genossinnen und Genossen der MLPD vermitteln eine sachkundige Führung. Die documenta dauert noch bis zum 25. September.