Rote Fahne 15/2022
Der Krisen-Katzenjammer der Regierung
Die Bundesregierung ist mit dem Übergang zu einem offenen Kriegskurs zu einer weitreichenden Abwälzung der Krisen- und Kriegslasten auf die Massen übergegangen
In ihrem Koalitionsvertrag Ende letzten Jahres verkündete die Ampel-Koalition noch optimistisch: „Nach der Corona-Pandemie braucht Deutschlands Wirtschaft einen neuen Aufbruch.“ In krassem Gegensatz zu dem geplanten „neuen Aufbruch“ verkündet der Bundeskanzler jetzt eine „jahrelange Krise“: „In einer Videobotschaft sagte der SPD-Politiker: „In diesen Tagen beschäftigt uns die Sicherheit unserer Energieversorgung. Sie wird es noch die nächsten Wochen, Monate und auch Jahre.“ Es ist nicht die erste Warnung von Scholz in dieser Woche. Am vergangenen Montag hatte er die Bürger bereits auf eine lang anhaltende Krise mit hohen Preisen eingestimmt.“1
Die hohen Inflationsraten in Deutschland und ganz Europa sind im wesentlichen das Ergebnis der jahrelangen staatlichen Krisenregulierung vor allem über die Europäische Zentralbank (EZB) mit der Flutung der Geldmärkte. Die Verschuldung der Staaten wurde durch die Nullzins-Politik erleichtert, Banken, Staat und Unternehmen durch riesige Anleihekäufe subventioniert. Sparguthaben und Renten wurden dadurch entwertet.
Die hohe Staatsverschuldung kann nicht beliebig weiter gesteigert werden, ohne den Bankrott ganzer Staaten auszulösen. Mit dem Übergang zu Zinsanhebungen, ausgehend von der US-Zentralbank Federal Reserve (Fed) um 0,75 Prozent droht jetzt schon eine Zahlungsunfähigkeit der am höchsten verschuldeten Staaten in Südeuropa. Die EZB geht in ihren geplanten Zinsanhebungen deswegen noch sehr zögerlich vor. Das hat aber negative Auswirkungen auf den Euro-Kurs. Denn die Zinsanhebungen in den USA lenken Kapital aus der EU in die USA. Der Euro ist am 12. Juli erstmals nach seiner Einführung als neues Zahlungsmittel in der Europäischen Währungsunion im Jahr 2002 auf die Parität zum US-Dollar gesunken, das heißt ein Euro ist nur noch einen US-Dollar wert. Der Spitzenwert lag bei 1,60 US-Dollar am 15.Juli 2008, vor dem Ausbruch der bisher schwersten Weltwirtschafts- und Finanzkrise. Das spiegelt auch den Rückfall der EU im internationalen Konkurrenzkampf wider. Ein niedriger Euro-Kurs bietet der Exportwirtschaft Vorteile, verteuert aber die in US-Dollar verrechneten Einfuhren von Öl, Gas und anderen Rohstoffen noch mehr.
Bewusst geförderte Inflation
Die Inflation wird von den Staaten bewusst eingesetzt, um die enorm gestiegen Staatsschulden auf Kosten der breiten Massen zu entwerten, da eine Rückzahlung oder Tilgung völlig aussichtslos ist. Carmen Reinhart, Chefökonomin der Weltbank in Washington, bekannte dazu offenherzig schon vor einem Jahr: „Niemand wird es so explizit präsentieren. Keine Regierung sagt: Unsere Strategie besteht darin, die Schulden wegzuinflationieren. Aber irgendwie passiert es genau so“.2
Angeheizt wird die Inflation durch enorme Preissprünge. Diese sind in den seltensten Fällen durch reale Kostensteigerungen begründet, sondern haben ihre Ursache im Streben der internationalen Übermonopole nach Maximalprofiten, der Spekulation auf noch höhere Preise und dem Wirtschaftskrieg zwischen Russland und der EU/USA/NATO. Diese Preissprünge werden von der Bundesregierung unterstützt, bescheren sie ihr doch noch höhere Steuereinnahmen und treiben die Inflation zur Entwertung der Staatsschulden weiter voran. Die Verbraucherzentrale Brandenburg hat errechnet, dass eine Familie mit zwei Kindern in diesem Jahr für die erhöhten Lebensmittel- und Energiepreise 3500 Euro mehr zahlen muss als noch vor einem Jahr!3
Mit dem Schreckgespenst einer „Gaskrise“ und dass die Menschen im Winter frieren müssen, hat die Regierung in Windeseile eine Novellierung des Energiesicherungsgesetzes durchgepeitscht. Diese erlaubt die Stützung von „notleidenden“ Unternehmen wie jetzt des Gas- und Energiekonzerns Uniper durch umfangreiche staatliche Gelder bis hin zur Übernahme einer staatlichen Beteiligung.
Krisengerede und Wirklichkeit
Nachdem bürgerliche Politiker und Ökonomen normalerweise das Wort „Krise“ nicht in den Mund nehmen, höchstens schamhaft von „Rezession“ sprechen, warnte CDU-Chef Merz jetzt: „Unser Land steuert möglicherweise auf die schwerste Wirtschaftskrise zu seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland“.4 Tatsächlich deuten verschiedene Indikatoren auf einen erneuten tiefen Einbruch in der bereits seit 2018 anhaltenden Weltwirtschafts- und Finanzkrise hin: Ein tendenzieller Rückgang der Auftragseingänge – der noch von dem Auftragsstau als Folge der Rohstoff- und Logistikkrise überdeckt wird. Und der erneute drastische Rückgang der PKW-Neuzulassungen in der EU in den ersten fünf Monaten 2022 um 13,7 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Gleichzeitig schwächt die Inflation die Kaufkraft der Massen. Bei den 100 stärksten börsennotierten Unternehmen wurden im 1. Halbjahr 2022 bereits 6,1 Billionen US-Dollar Kapital vernichtet.5
Mit der psychologischen Kriegführung soll unter den Arbeitern und Massen eine Stimmung erzeugt werden, die Abwälzung der Krisenlasten widerstandslos hinzunehmen. Diese Hoffnung von Monopolen und Regierung wird sich jedoch nicht erfüllen …