Rote Fahne 09/2022

Rote Fahne 09/2022

1. Mai 2022 Internationale Arbeitereinheit gegen akute Weltkriegsgefahr und Abwälzung der Kriegs- und Krisenlasten

Der 1. Mai steht dieses Jahr besonders im Zeichen des notwendigen Kampfs gegen den imperialistischen Krieg um die Ukraine und die akut gewordene Gefahr eines atomaren dritten Weltkriegs ...

Von (gp / ako / ms)
1. Mai 2022 Internationale Arbeitereinheit gegen akute Weltkriegsgefahr und Abwälzung der Kriegs- und Krisenlasten
Foto: Piqsels.com / Public Domain, Andrey_Photos / Pixabay / Pixabay-License

... sowie die Abwälzung der Kriegs- und Krisenlasten auf die Arbeiter und breiten Massen. Umso fragwürdiger ist, dass mit Bundeskanzler Olaf Scholz ausgerechnet der Chef einer Regierung als Redner auf der DGB-Kundgebung in Düsseldorf eingeladen ist, die erst vor kurzem die „Zeitenwende“ hin zu einem offenen Kriegskurs ausgerufen hat. Die mit mehr als 100 Milliarden Euro die Bundeswehr zu einer der modernsten und schlagkräftigsten Armeen der Welt aufrüsten will, inklusive der Teilhabe an Atomwaffen. Das verkehrt den Geist des internationalen Kampftags der Arbeiterklasse in sein Gegenteil. Er entstand aus dem Bestreben, die Konkurrenz und Spaltung innerhalb der Arbeiterbewegung auch im weltweiten Maßstab zu überwinden und für die sozialistische Perspektive zu einzutreten. Ganz im Sinne des Ausspruchs von Karl Liebknecht: „Die eigentlichen Grenzen verlaufen nicht zwischen den Völkern, sondern zwischen Oben und Unten.“

 

Kurz vor dem 1. Mai geht der mit brutalen Mitteln geführte Krieg in der Ukraine mit immer neuen Eskalationen einher. Es ist zutiefst geheuchelt, wenn bürgerliche Politiker wie Scholz für ihren Kriegskurs zur Ausweitung der imperialistischen Macht- und Einflussphären ausgerechnet den aus der Arbeiterbewegung stammenden Grundsatz der Solidarität missbrauchen. Am 19. April erläuterte Olaf Scholz bei der Pressekonferenz nach einem Treffen mit mehreren NATO- und EU-Regierungschefs, was er unter „voller Solidarität“ für die Ukraine versteht: „Wir haben die deutsche Rüstungsindustrie gebeten, uns zu sagen, welches Material sie in der nächsten Zeit liefern kann. Die Ukraine hat sich nun eine Auswahl von dieser Liste zu eigen gemacht, und wir stellen ihr das für den Kauf notwendige Geld zur Verfügung. … Darunter sind auch ... Dinge wie etwa Munition und das, was man in einem Artilleriegefecht einsetzen würde.“1 Scholz ist keineswegs generell gegen die Lieferung schwerer Waffen, auch wenn er der ukrainischen Regierung die direkte Unterstützung mit Kampfpanzern und Kampfflugzeugen noch ausschlägt. Dies  soll stattdessen über den Umweg von Dreiecksgeschäften erfolgen, indem der Ukraine dieses Jahr noch mal zwei Milliarden an Rüstungsgeldern gezahlt werden und Drittstaaten, die ihrerseits schwere Waffeln liefern, diese von Deutschland ersetzt bekommen.

 

Scholz handelt damit im Interesse der führenden deutschen Monopole, die vermeiden wollen, dass die Beziehungen zum neuimperialistischen Russland dauerhaft gekappt und sie dadurch im internationalen Konkurrenzkampf zurückgeworfen werden. BDI-Präsident Siegfried Russwurm fürchtet eine „massive Beschädigung der größten Stärke Deutschlands, … seiner wirtschaftlichen Kraft und Stabilität“.2 Im Unterschied zu anderen Mächten ist Deutschland auf russische Rohstoffe wie Erdgas stärker angewiesen genauso wie auf den Zugang zu einem einheitlichen Weltmarkt. Ein sofortiger Abbruch aller Wirtschaftsbeziehungen zu Russland würde es im Konkurrenzkampf zurückwerfen – insbesondere gegenüber den USA, die davon weit weniger abhängig sind und dazu noch ins Geschäft mit ihrem Frackinggas kommen würden. Allerdings ist Deutschland bereits jetzt mit Wirtschaftsanktionen, Finanzhilfen, Waffenlieferungen und Bundeswehrstationierung in Osteuropa massiv am Kriegsgeschehen beteiligt.

 

Für die internationale Solidarität und Kooperation, die die internationale Arbeiterbewegung in dieser Situation tatsächlich braucht, steht der Aufruf des Internationalistischen Bündnisses zum Aufbau einer neuen Friedensbewegung und zu einer überregionalen Demonstration am 8. Mai, dem Tag der Befreiung vom Hitlerfaschismus: „Machen wir die Demonstration zu einer Manifestation einer neuen Friedensbewegung, die gegen jede imperialistische Aggression und Kriegsvorbereitung kämpft.“3 Dazu gehört der Festakt zur Einweihung einer sozialistischen Gedenkstätte mit Ehrentafeln der Begründer des wissenschaftlichen Sozialismus und weiterer revolutionärer Führungspersönlichkeiten. Das hat nichts mit „Personenkult“ zu tun. Karl Marx, Friedrich Engels, Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg, Ernst Thälmann und Willi Dickhut waren nicht nur konsequente Friedenskämpfer – ihr dem kommunistischen Befreiungskampf gewidmetes Lebenswerk ist bestens geeignet als Vorbild für die rebellische Jugend.

 

„Nie wieder Krieg“ – erst im Sozialismus möglich

 

Der DGB-Aufruf zum 1. Mai fordert unter anderem: „Solidarität, Frieden und Selbstbestimmung für die Ukraine!“ Zweifellos ist es notwendig und völlig berechtigt, wenn sich das ukrainische Volk  gegen die russische Aggression zur Wehr setzt. Ihm gebührt dafür Solidarität, nicht aber der reaktionären Selenskyj-Regierung, die sich in den Dienst der Ausweitung von NATO und EU gestellt und den Krieg mitprovoziert hat. Sollen die Arbeiterinnen und Arbeiter solidarisch mit einer Regierung sein, die zunehmend mit faschistischen Methoden agiert, das Verbot kommunistischer Organisationen und Symbole aggressiv umsetzt, bereits elf bürgerliche Parteien verboten hat, nur noch einen Einheitssender mit Regierungspropaganda duldet und Arbeiterrechte wie das Streikrecht massiv beschneidet? Die Arbeiterklasse in der Ukraine steht vor der Aufgabe, die reaktionäre Regierung zu stürzen und eine sozialistische Gesellschaft zu erkämpfen. In einer Erklärung schreibt die ukrainische ICOR4-Organisation Koordinierungsrat der Arbeiterbewegung (KSRD): „Die Proletarier der Ukraine, Russlands, Weißrusslands, Polens, der USA und anderer Länder haben gemeinsame Klasseninteressen! … Nieder mit den imperialistischen Kriegen! Proletarier aller Länder, vereinigt euch!“5

 

Der DGB-Aufruf fährt fort: „Wir sind geeint in der Überzeugung: Nie wieder Krieg – Die Waffen nieder! Weltweit!“ Die pazifistische Losung „Nie wieder Krieg“ scheitert allerdings gerade dramatisch an der imperialistischen Wirklichkeit. Es war schon bisher ein Wunschtraum, dass der Imperialismus in diesem Sinn Lehren aus den beiden Weltkriegen ziehen könnte. 72 Kriege zwischen verschiedenen Staaten gab es bereits seit dem II. Weltkrieg.6 Jetzt haben wir eine Situation, in der sich alle imperialistischen Länder aktiv auf einen dritten Weltkrieg vorbereiten. Die Losung „Nie wieder Krieg“ kann erst Wirklichkeit werden, wenn die gesetzmäßigen Ursachen solcher Kriege in einer sozialistischen Zukunft vollständig beseitigt werden (mehr dazu auf Seite 26/27). Und wer sollte die kriegführenden Länder heute dazu zwingen, „die Waffen niederzulegen“ beziehungsweise einen konkreten Krieg zu beenden? Die gespaltene UNO mit völlig unwirksamen Resolutionen? Das kann nur eine weltweite Bewegung des aktiven Widerstands mit der Arbeiterbewegung an der Spitze. Der aktive Widerstand muss mit politischen Streiks und Massenaktionen eine solche Qualität bekommen, dass die Herrschenden Furcht vor der Revolution bekommen und diese Furcht stärker ist als ihr Interesse an einem konkreten Krieg.

 

Italienische Transportarbeiter in Pisa und Livorno geben einen Vorgeschmack, in welche Richtung sich das entwickeln muss. Sie weigerten sich, Waffen für den Ukrainekrieg zu verladen. In Athen gelang es tausenden Demonstranten, das Anlegen des französischen Flugzeugträgers „Charles de Gaulle“ zu verhindern. Ein Generalstreik richtete sich wenig später gegen Niedriglöhne, Inflation und die Verwandlung des Landes in ein Aufmarschgebiet für den Ukrainekrieg. Solche Aktionen ermutigen auch die Arbeiter in Deutschland, eine führende Rolle im Friedenskampf einzunehmen. Allerdings werden sie deshalb in den bürgerlichen Medien weitgehend totgeschwiegen und hierzulande vor allem durch fortschrittliche Medien wie die der MLPD bekanntgemacht.

 

Der aktive Widerstand erfordert den engen Schulterschluss von ukrainischen, russischen und europäischen Arbeitern mit der Arbeiterbewegung auf der ganzen Welt. Auf der Tagesordnung steht die Forderung nach einem bedingungslosen Frieden mit Zugeständnissen von beiden Seiten: Rückzug Russlands aus der Ukraine und Verpflichtung zu Reparationszahlungen für entstandene Schäden; Neutralität der Ukraine; freie Volksabstimmung in Luhansk und Donezk über den Status dieser Regionen; Abzug aller NATO-Truppen von der russischen Grenze bis auf einen hunderte Kilometer entfernten Korridor!

 

Kein Burgfrieden – Kampf um höhere Löhne und Lohnnachschlag jetzt!

 

Der Kampf gegen die akute Weltkriegsgefahr und der Kampf gegen die Abwälzung der Kriegs- und Krisenlasten sind zwei Seiten einer Medaille. Angesichts der rasant steigenden Teuerung ist ein Kampf um höhere Löhne in den Tarifrunden und der selbständige Kampf um Lohnnachschlag dringend notwendig. Schließlich beträgt die reale Inflation für eine Arbeiterfamilie, die auf ein Auto angewiesen ist, bereits zwischen 13 und 17 Prozent!7 Solch eine Bewegung ist in dieser Situation auch eine politische Kampfansage an den Kriegskurs der Herrschenden und die Unterordnung rechter Gewerkschaftsführer.

 

Man kann es schon nicht mehr hören, wie für alle steigenden Preise und sonstigen Verschlechterungen ausschließlich der Ukrainekrieg und „Putin“ verantwortlich gemacht werden. Dabei gibt es bisher in Deutschland weder eine reale Verknappung von Benzin und Diesel noch von Speiseöl oder Getreide. Es sind die Mineralöl- und Nahrungsmittelkonzerne, die den Krieg zum Vorwand nehmen, um über steigende Monopolpreise ihre Profite zu maximieren. Der bürgerliche Staat als Dienstleister der Monopole kassiert entsprechend mit und fördert diese Entwicklung, um dadurch die gigantischen Staatsschulden zu entwerten und so auf die Massen abzuwälzen. Wie kämpferische Tarifrunden vorbereitet und eine Bewegung des Kampfs um  Lohnnachschlag entfaltet werden können, das wird die MLPD ebenfalls zu einem zentralen Thema in den Diskussionen am 1. Mai machen. 

 

Gib Antikommunismus keine Chance!

 

Schon in den letzten beiden Jahren war es unter Beachtung von Corona-Schutzmaßnahmen möglich, den 1. Mai auf der Straße zu begehen. MLPD und Internationalistisches Bündnis haben dies 2020 gemeinsam mit anderen Kräften gegen Versammlungsverbote und in manchen Städten auch den Verzicht der DGB-Führung erfolgreich erkämpft.

 

In vielen Orten hat die Kritik am Missbrauch des 1. Mai für den Auftritt bürgerlicher Politiker dazu geführt, dass vor allem Rednerinnen und Redner aus Betrieben, von den verschiedenen DGB-Gewerkschaften und ihren Fachbereichen, aus Frauen- und Jugendausschüssen sowie anderen sozialen Bewegungen zu Wort kamen. War dies zuletzt auch in Dortmund der Fall, soll dort im Rahmen der zentralen nordrhein-westfälischen Maikundgebung diesmal eine Gesprächs­runde mit den Spitzenkandidaten der bürgerlichen Parteien stattfinden. Hendrik Wüst von der CDU wird sich dort ebenso einfinden wie Thomas Kutschaty von der SPD, Mona Neubaur von den Grünen und Joachim Stamp von der FDP. Sie alle sind sich einig, den offenen Kriegskurs der Regierung zu unterstützen und die Kosten den Massen aufs Auge zu drücken. Eine solche Umwandlung des 1. Mai zur Wahlkampfveranstaltung ist entschieden abzulehnen. Ausgeschlossen von dieser trauten Runde ist wohlweislich die Internationalistische Liste / MLPD, die landesweit  mit den Losungen antritt: „Aktiver Widerstand gegen einen 3. Weltkrieg!“, „Jugend braucht Zukunft – Militarisierung stoppen!“ und „Inflation bringt Armut: Lohnnachschlag jetzt!“ Offensichtlich fürchtet man die Konfrontation mit ihren überzeugenden und perspektivischen Positionen.

 

Während die Bundesregierung so gut wie alle Corona-Einschränkungen aufgehoben hat, muss die Pandemie in manchen Städten wie etwa Köln für generelle Standverbote der DGB-Führung herhalten. In Dortmund bekommen auch dieses Jahr nur Jugendorganisationen eine Standgenehmigung, weil „Parteien nicht erwünscht“ seien. Da sich die Spitzenkandidaten der Landtagsparteien ausführlich präsentieren dürfen, ist klar, dass sich das vor allem gegen die MLPD richtet, die mit ihren Infoständen, ihrer Literatur und anziehenden Kultur auf großes Interesse stößt und fester Bestandteil der 1. Mai-Demonstrationen und -Kundgebungen ist. Dabei hat der 1. Mai seinen Ausgangspunkt in der revolutionären Arbeiterbewegung. Es war der Gründungskongress der 2. Sozialistischen Internationale, der 1889 zu einer „großen internationalen Manifestation“ am 1. Mai 1890 aufrief. Es waren die MLPD und ihre Vorläuferorganisationen, die in Deutschland seine kämpferische Tradition hochhielten und maßgeblich dazu beitrugen, diese seit den 1970er-Jahren wieder durchzusetzen.

 

Wohin führt das alles noch?

 

Mit dem Ukrainekrieg entfaltet sich eine offene wirtschaftliche, politische, ökologische und militärische Weltkrise, die eine  Phase der beschleunigten Destabilisierung des imperialistischen Weltsystems einleitet. In vielen Ländern drohen Hungerkatastrophen. Die offene Krise der Neuorganisation der internationalen Produktion kann zum Zusammenbruch ganzer Konzerne führen – mit einem bislang nicht gekannten Anstieg der Arbeitslosigkeit. Durch den Krieg in der Ukraine, die verstärkte Förderung von Frackinggas und die Verlängerung der Laufzeit von Kohlekraftwerken beschleunigt sich der Übergang in eine globale Umweltkatastrophe.

 

Ob die offene Weltkrise zu einer revolutionären Weltkrise ausreift, hängt entscheidend von der Verarbeitung der komplizierten Veränderungen mit Hilfe des wissenschaftlichen Sozialismus durch die Arbeiter und breiten Massen ab. Mit klarer Kante für die internationale Arbeitereinheit, gegen jede imperialistische Aggression und für eine sozialistische Perspektive einzutreten, stößt bei vielen Menschen auf Interesse, findet oftmals Zuspruch, trifft aber auch auf den antikommunistischen Gegenwind der Herrschenden und eine massive Medienmanipulation. Deshalb ist es heute wichtiger denn je, mit dem Einfluss der verschiedenen opportunistischen Strömungen fertig zu werden, die sich dem herrschenden „Zeitgeist“ anpassen. Dafür sind die beiden Bücher von Stefan Engel zur „Krise der bürgerlichen Ideologie und des Antikommunismus“ und „Krise der bürgerlichen Ideologie und des Opportunismus“ eine unerlässliche Hilfe.

 

Bereitet kämpferische 1. Mai-Demonstrationen und -Kundgebungen der Gewerkschaften vor! Besucht die 1. Mai-Feiern der MLPD!