Rote Fahne 26/2021
Bosch Stuttgart: Betriebsrat politisch motiviert gekündigt
Der von Bosch in Stuttgart-Feuerbach gekündigte Entwicklungsingenieur und langjährige Betriebsrat, Karsten vom Bruch, will im März 2022 erneut für das Amt kandidieren
Anfang August hatte das Arbeitsgericht Stuttgart seine Klage gegen eine zweite Kündigung durch Bosch abgewiesen. Dagegen ging er in Berufung vor dem Landesarbeitsgericht (LAG), dessen Urteil für das erste Quartal 2022 erwartet wird.
Wie Bosch mit diesem Betriebsratsmitglied umspringt, hat so gar nichts mit dem offiziellen Anspruch der konzerneigenen Stiftung zu tun: „Ein offener Geist sowie die Leidenschaft für den Menschen und seine sich wandelnden Bedürfnissen sind unser Antrieb.“ Die Stiftung veranlasst und finanziert zum Beispiel „Demokratie-Studien“.1 Doch offensichtlich gilt im Betrieb noch immer der schwäbische Spruch: „Hädsch dei Gosch ghalda, hädd di dr Bosch bhalda.“2
Kritiker des Abgasbetrugs
Bekanntlich stammte die Softwarefunktion, die VW bei seinem kriminellen Dieselbetrug einsetze, von Bosch. Obwohl er davon erst aus der Presse erfahren hat, hinterfragte Karsten vom Bruch als Experte für Abgasnachbehandlung die fragwürdigen Festprozeduren und unrealistischen Grenzwerte im Firmen-Intranet. Er engagierte sich auch außerhalb von Bosch bei der Montagsdemo gegen Stuttgart21 oder machte mit bei der Arte-Doku „Dieselgate“. Bosch reagierte auf die wachsende öffentliche Kritik und Kritik aus der Belegschaft an den kriminellen Machenschaften mit Aufforderungen zum Löschen von Kommentaren im Intranet, denen aber Karsten vom Bruch nicht nachkam.
Bezeichnend für die Defensive des Vorstandes ist, dass er sich nicht traute, mit dieser Begründung gegen den unbequemen Betriebsrat vorzugehen. Es musste also „persönliches Fehlverhalten“ gesucht werden und herhalten, sowie Mobbing, um ihn zu provozieren und zu kündigen. Eine bekannte Methode von Kapitalisten zum Hinaussäubern kritischer, kämpferischer Kolleginnen und Kollegen.
Erste Kündigung mit frei erfundenen Vorwürfen
2018 wurde Karsten vom Bruch erstmals fristlos gekündigt, mit der bei den Haaren herbeigezogenen Begründung, er habe eine Personalleiterin am Standort Feuerbach bedroht und eine Kantinen-Frau belästigt.
Er weist diese Vorwürfe als „erfunden“ zurück. Bereits Jahre zuvor war er wegen deutlicher interner Kritik an den Realemissionen von Dieselfahrzeugen auf der Straße bei Bosch unter Druck gesetzt worden. Vor dem Landesarbeitsgericht wurde die erste Kündigung für unwirksam erklärt. Doch Bosch legte nach.
Zweite Kündigung wegen „Störung des Betriebsfriedens“
Angeblich habe Karsten vom Bruch Teile von Prozessakten aus seinem ersten Verfahren verbreitet und an andere Personen weitergeleitet. Für Bosch eine „Störung des Betriebsfriedens“ und ein Verstoß gegen den Schutz der Persönlichkeitsrechte und des Datenschutzes. Ein konstruierter Vorwurf, zumal von den Prozessinformationen manches schon zuvor von der Presse veröffentlicht worden war.
MLPD-Betriebsgruppe solidarisch
Karsten vom Bruch war für das Feuerbacher Betriebsratsgremium ein „Querulant“. Vor allem weil er sich klar gegen den kriminellen Dieselbetrug positionierte. Doch die Entsolidarisierung des Betriebsrates mit Karsten vom Bruch und die mehrheitliche Zustimmung zu seinen Kündigungen kamen bei vielen Beschäftigten nicht gut an. Trotz der ehrabschneidenden Vorwürfe und der ersten fristlosen Kündigung wurde er 2018 auf einen guten Platz gewählt. Mit 1316 Stimmen belegte er Platz 28 von 39.
Karsten vom Bruch kandidiert aktuell auf der offenen Liste der IG Metall. Er möchte weitere Mitstreiter für die Kandidatur gewinnen, die ähnlich denken wie er. Auch fordert er, dass ihm die gleichen Rechte wie seinen Mitbewerbern eingeräumt werden, wozu das Gespräch mit den Kolleginnen und Kollegen, die Nutzung der betrieblichen Medien und anderes gehört. Solidarität und Unterstützung bekam Karsten vom Bruch unter anderem von der Vertrauenskörperleitung der IG Metall des Bosch-Werks Leinfelden ausgesprochen.
Richard Heberle, Sprecher der MLPD-Betriebsgruppe bei Bosch Feuerbach, dazu: „Die Betriebsgruppe der MLPD bei Bosch in Feuerbach ist solidarisch mit Karsten vom Bruch. Wir schätzen ihn als engagierten IG-Metall-Gewerkschafter und Umweltschützer. Als Ingenieur im Diesel-Bereich hat er im Betrieb und auf seiner Homepage die Abgas-Abschalteeinrichtungen und Bosch-Geschäftsführer Volkmar Denner kritisiert, was indirekt Anlass für seine Kündigung war. Die Aufdeckung des Dieselverbrechens ist sehr umfangreich von Automobilarbeitern und der MLPD betrieben worden. Bosch war es offenbar zu gefährlich, dass auch ein Ingenieur, der in dem Bereich arbeitet, sich mit seiner Kritik daran beteiligt.“