Rote Fahne 24/2021
Was hat es mit der „Lohn-Preis-Spirale“ auf sich?
Angesichts galoppierender Inflation warnen bürgerliche Ökonomen mal wieder vor einer „Lohn-Preis-Spirale“
Im Oktober kletterte die offizielle Teuerungsrate auf 4,5 Prozent. Real ist das für einen Arbeiterhaushalt oft das Doppelte. Deshalb diskutieren Kolleginnen und Kollegen völlig zu Recht über einen Lohnnachschlag und höhere Lohnforderungen in den anstehenden Tarifrunden. Monopolverbände und ihre bürgerlichen Ökonomen wie zum Beispiel der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, warnen dagegen davor, jetzt nicht durch hohe Lohnforderungen eine „Lohn-Preis-Spirale“ in Gang zu setzen!1 Wie eine Leier wiederholen sie die Mär der „Lohn-Preis-Spirale“, um die Arbeiterklasse vom Kampf um höhere Löhne abzuhalten und das Ausbeutungsverhältnis zu verschleiern. Und das soll sogar noch im Interesse der Arbeiter sein! Denn angeblich führten höhere Löhne nur dazu, dass die Unternehmer die Preise für die Waren erhöhen und damit die Arbeiter gar nichts von ihrer Lohnerhöhung hätten.
Betrachten wir die Wirklichkeit …
Doch wie sieht es vom Standpunkt der politischen Ökonomie der Arbeiterklasse aus? Betrachten wir zunächst die Wirklichkeit: Nullrunden in verschiedenen Tarifrunden und Kurzarbeitsgeld sorgten bei gleichzeitigen Anziehen der Preise dafür, dass die Reallöhne gegenüber dem Vorjahr offiziell um 1,1 Prozent sanken; im ersten Quartal dieses Jahr gar um zwei Prozent. Nach der Logik unserer bürgerlichen Ökonomen hätten also die Preise sinken müssen! Nicht steigende Löhne, sondern die Politik des „billigen Geldes“, die Abwälzung der Staatsverschuldung auf die Massen und Monopolpreise sind die Hauptursachen für die Inflation!
Schon Karl Marx hat sich mit der These der „Lohn-Preis-Spirale“ auseinandergesetzt. „Es war das große Verdienst Ricardos“ lobte Marx, „dass er … den alten landläufigen und abgedroschenen Trugschluss, wonach der Arbeitslohn die Preise bestimmt, von Grund aus zunichte machte.“2 In seiner berühmten Schrift „Lohn, Preis und Profit“, arbeitet Karl Marx heraus: „… Ein Teil der in der Ware enthaltenen Arbeit ist bezahlte Arbeit; ein Teil ist unbezahlte Arbeit.“3 2017 hat zum Beispiel ein Automobilarbeiter in 7,6 Minuten den Wert geschaffen, der seinem Stundenlohn entspricht. Den Rest eignen sich die Konzerneigner, Banken und andere unentgeltlich an. Höhere Löhne ändern nichts an dem Wert der Ware, sondern nur an dem Verhältnis von bezahlter zu unbezahlter Arbeit. Der „Preis“ einer Ware ist nichts anderes als der „Geldausdruck ihres Werts“.4 Marx kam zum Schluss: „In allen Fällen, die ich einer Betrachtung unterzogen habe …, habt ihr gesehn, dass ein Ringen um Lohnsteigerung nur als Nachspiel vorhergehender Veränderungen … ist … – kurz, als Abwehraktion der Arbeit gegen die vorhergehende Aktion des Kapitals.“5 Marx riet deshalb den Arbeitern und Gewerkschaften zum Kampf um den Erhalt und Steigerung der Löhne. Er riet ihnen aber vor allem, nicht dabei stehen zu bleiben. „Würden sie in ihren tagtäglichen Zusammenstößen mit dem Kapital feige nachgeben, sie würden sich selbst unweigerlich der Fähigkeit berauben, irgendeine umfassendere Bewegung ins Werk zu setzen.“6 Diese sah er in der revolutionären Losung: „Nieder mit dem Lohnsystem!“