Rote Fahne 24/2021
„Meine Arbeit ist, die Selbstorganisation zu koordinieren ...“
Michalis Aivaliotis ist Leiter der Selbstorganisation „Stand by me Lesvos“ von Flüchtlingen im Lager Kara Tepe und der griechischen Bevölkerung der Insel Lesbos. Die Rote Fahne nutzte seine Veranstaltung in Gelsenkirchen für ein Gespräch mit ihm und seinem Übersetzer Iordanis Georgiou
Rote Fahne: Herzlich Willkommen! Michalis, kannst du uns deine Arbeit auf Lesbos vorstellen?
Michalis: Ich habe die Menschen zusammengebracht und eine Selbstorganisation aufgebaut. Es sind dann sogar drei geworden. Diese Organisationen arbeiten jeden Tag. Ich mache nichts anderes als mit den Mannschaften der Flüchtlinge zu reden. Die sagen uns, welches ihre Probleme sind. Ich ordne das nach Prioritäten und dann schreibe ich Briefe, Artikel und schicke das überall hin – auch nach Deutschland zur Roten Fahne und zu SI. Dann melden sich die Leute. Sie sagen: Ja, dieses Projekt unterstütze ich. Vier Frauen aus Finnland erkannten, dass hier im Camp ernsthafte Bildungsarbeit stattfindet. Sie haben Geld gegeben für Gitarren, Hefte, Stifte und alles, was man für die Schule braucht.
Andere Organisationen wie die NGOs gehen in das Camp und sammeln Müll. Die Flüchtlinge lachen: „Wir sind keine Krüppel! Wir brauchen Hilfe, aber so etwas machen wir selber! Bringt uns Masken, Müllsäcke, Handschuhe, dann können wir das alleine machen.“ Ständig bekomme ich auf mein Handy Nachrichten: Wir brauchen Farbe, wir brauchen dies oder jenes. Meine Arbeit ist, die Selbstorganisation zu koordinieren und zu organisieren.
Woher kommt die positive Haltung der griechischen Inselbewohner zu den Flüchtlingen?
Hintergrund ist die Geschichte von 1922 – eine Geschichte der Migration. In dieser Zeit haben auf der türkischen Seite der Grenze sehr viele Griechen gelebt. 1922 wurden sie vertrieben. Sehr viele Flüchtlinge kamen damals nach Lesbos. Daher, aus der eigenen Erfahrung, kommt unsere Haltung zu den Flüchtlingen. Nicht alle, die etwas gegen Flüchtlinge haben, sind Faschisten. Das sind Menschen, die gegenüber der EU-Politik verzweifelt sind, oder gegen die Politik der griechischen Regierung. Diese macht immer Versprechungen – nichts wird verwirklicht. Auch die griechischen Inselbewohner leben unter sehr schlechten Bedingungen.
Wie hast du Kontakt nach Deutschland bekommen und zu SI?
Michalis: Zu Solidarität International bin ich durch Iordanis Georgiou gekommen. Das war zurzeit des Lockdowns in der Corona-Krise, wo wir das Camp schließen mussten und keinen rein oder raus lassen konnten.
Iordanis: Die Initiative ging von Monika Gärtner-Engel aus. Sie sagte: Iordanis, wir können da nicht mehr zugucken, kannst du nicht Kontakt mit den Leuten auf der Insel aufnehmen? Dann hab ich als Mitglied von SI verschiedene Leute angerufen und schließlich Kontakt zu Michalis bekommen. So entstand diese Verbindung und die fruchtbare Zusammenarbeit.
Herzlichen Dank für das Gespräch und weiterhin viel Erfolg!