Rote Fahne 23/2021
„Wir müssen weltweit zusammenhalten, dann kommen wir auch voran“
Das folgende Interview mit dem kurdischen Genossen Demir Çelik führte die Parteivorsitzende der MLPD, Gabi Fechtner, am Rande einer Solidaritätsdemo gegen das Verbot der HDP in Nürnberg kürzlich für die Rote Fahne. Er war Parteivorsitzender und Gründungsmitglied der Friedens- und Demokratie- Partei BDP, der Vorgängerpartei der HDP. Heute ist er Vorstandsvorsitzender des Kongress Demokratische Völker und Co-Vorsitzender der Föderation demokratischer Aleviten. Es geht darin um die Versuche, die fortschrittliche kurdische Partei HDP1 zu verbieten, aber auch um die Perspektiven der internationalen revolutionären Bewegung
Gabi Fechtner: Kannst du dich bitte kurz vorstellen.
Demir Çelik: Ich bin Apotheker, verheiratet und habe zwei Kinder. Ich war Bürgermeister von Varto, kurdisch genannt Gümgüm. Ich war Parteivorsitzender und Gründungsmitglied der Friedens- und Demokratie-Partei BDP, der Vorgängerpartei der HDP. Seit fünf Jahren bin ich im Exil in der Schweiz und lebe in Bern. Seitdem bin ich Vorstandsvorsitzender des Kongress Demokratische Völker und der Demokratischen Alevitischen Partei. Über die Aleviten2 und über die Selbstverwaltung habe ich zwei Bücher geschrieben.
Kannst du den deutschen Lesern kurz berichten, was der Hintergrund für Pläne ist, die HDP zu verbieten?
Als erstes: Wir danken euch sehr herzlich für eure Solidarität mit der HDP. Die heutige Türkei hat auf ihrem Staatsgebiet 84 Millionen Einwohner. Sie hat ein totalitäres Regime, wird von einer einzelnen Person mit harter Hand geführt.
Die HDP ist für die Armenier, die Assyrer, die Aleviten, die Eziden, die Andersdenkenden da. Sie unterstützt den Frieden, ist gegen den Krieg. Sie ist ökologisch und denkt an die Umwelt. Sie ist für Frauenrechte und zum Beispiel gegen Frauenmorde. Sie setzt sich für die Arbeiter ein. Für so eine Partei gibt es in der jetzigen Türkei keinen Platz. Deswegen wurde ein Verbotsverfahren eingeleitet.
Ist Erdogan so stark, wie er immer tut? Ich habe den Eindruck, dass er unter der Bevölkerung an Rückhalt verliert. Hat er nicht auch Panik, dass er keine Mehrheit mehr bekommt?
Der Faschismus verfeindet die Völker untereinander. Es wird immer gesagt, die Kurden oder auch die Aleviten seien Terroristen und so weiter. Seit fünf Jahren wird juristisch, mit Polizei und mit Militär gegen Andersdenkende vorgegangen. Die Bevölkerung bekommt Angst und Panik, dann wendet sie sich Erdogan zu. Auf den asiatischen Finanzmärkten werden solche Führer (wie Erdogan) bejubelt.
Die MLPD hat die Einschätzung, dass die Türkei inzwischen ein imperialistisches Land ist. Sie marschiert ein in die kurdischen Gebiete in Syrien, versucht mit Kapitalexport überall Einfluss zu nehmen.
Du hast vollkommen recht. Die Türkei ist imperialistisch. Sie breitet sich im Mittleren Osten aus.
Wo muss unsere Zusammenarbeit hingehen, welche Perspektiven siehst du, wie können wir noch besser zusammenarbeiten?
Wir erleben derzeit nicht nur in der Türkei, sondern auf der ganzen Welt, dass viele Länder von Rechtspopulisten regiert werden. Sie halten am Krieg fest, weil die Revolutionäre und Sozialisten nicht gut genug organisiert sind. Hätten wir Revolutionäre weltweit ein einheitliches Organ, dann könnten wir uns und die Bewegungen besser organisieren. Wir brauchen auf der Welt eine internationalistische revolutionäre Organisation. Nur in den einzelnen Ländern zu arbeiten, bringt uns nicht weiter, wir müssen uns weltweit gemeinsam organisieren und zusammenhalten, dann kommen wir voran.
Wir sind in der ICOR zusammen geschlossen. Das sind inzwischen über 60 Organisationen aus über 40 Ländern. Wir arbeiten auch in der antiimperialistischen Einheitsfront gegen Faschismus und Krieg. Ihr seid herzlich eingeladen, Teil davon zu werden.
Ich bedanke mich, dass du mich interviewt hast und wünsche euch viel Erfolg.