Rote Fahne 23/2021

Rote Fahne 23/2021

G20 & Weltklimakonferenz: Mutwillig in die globale Umweltkatastrophe

Die globale ökologische Krise verschärft sich bedrohlich …

Von (dr/ms)
G20 & Weltklimakonferenz: Mutwillig in die globale Umweltkatastrophe
Von wegen „Umweltschutz“! Reihenweise neue Atom- und Gaskraftwerke sind geplant, Grafik: istockphoto / 1142857523

Von den Versprechungen, mit der Corona-Krise würde sich wenigstens die Umweltkrise entschärfen, ist nichts übrig geblieben. Noch nie wurde so viel CO2 aus Kohle- und Gasverbrauch in die Luft geblasen wie in diesem Jahr. Schon nach dem Treffen der G20 und noch während der laufenden 26. Klimakonferenz der Vereinten Nationen (COP26) in Glasgow ist klar, dass nicht einmal die nötigsten Sofortmaßnahmen zum Klimaschutz verbindlich vereinbart werden.

 

Die Klimakonferenz wurde noch vor kurzem als „letzte Chance für das Weltklima“ hochgejubelt. Jetzt gelten die Hauptanstrengungen dem Vorhaben, lebensgefährlichen Technologien wie Atomkraftwerken ein grünes Mäntelchen umzuhängen, einem gigantischen Subventionsprogramm für die Großkonzerne auf Kosten der Massen und der Erschließung neuer „Geschäftsfelder“. Gleichzeitig entfaltet sich die Weltwirtschafts- und Finanzkrise in Wechselwirkung mit der in vielen Ländern wieder explodierenden Corona-Pandemie. Also Alarmstufe Rot für die Zukunft der Menschheit!    

   

Die Ergebnisse des G20-Gipfels waren provokativ: Es gab keinerlei Einigung über verbindliche Klimaschutzmaßnahmen, selbst der Satz, man müsse „sofort handeln“, war aus der Abschlusserklärung gestrichen worden. Munter werden jetzt vage und unverbindliche Zusagen mit statistischen Modellen hoch- und vor allem heruntergerechnet, um die Botschaft zu verbreiten, immerhin „tut sich etwas“ bei der Begrenzung der Erderwärmung.

 

Luisa Neubauer von den Grünen bringt diese pragmatische Denkweise als Maßstab auf den Punkt: „Wir sind hier, um alles aus diesem Treffen rauszuholen, was möglich ist.“ Das geht von vornherein nicht von dem aus, was nötig ist. Der Maßstab ist nur noch, was bei einem Gipfeltreffen, das von den imperialistischen Ländern dominiert wird, gerade noch so “möglich“ scheint. Und danach heißt es dann, „mehr war eben nicht drin“.

 

In den Sondierungsergebnissen der „Ampel“-Koalitionäre wird großartig ein „ökologischer Aufbruch“ versprochen. Man wolle „idealerweise“ bis 2030 aus der Kohle aussteigen. Und wenn es nicht „ideal“ läuft, dann eben nicht? Aber immerhin, die neue Regierung will sich auf den „Pfad“ hin zur Begrenzung der Erderwärmung um 1,5 Grad begeben. Man stellt sich schon vor, wie die neue Regierung sich mit Trippel-Schritten auf einen schmalen Pfad begibt, völlig unklar, wo sie ankommt. Hauptsache, man hat sich auf den Weg gemacht … So opfert man die Zukunft der Menschheit auf dem Altar von Kompromissformeln und des Profitschutzes für die Konzerne.

 

Die Lasten der ökologischen, wirtschaftlichen und gesundheitlichen Krisen wollen die Herrschenden immer stärker auf die Arbeiterklasse und die Massen abwälzen. So trägt der steigende CO2-Preis zur wachsenden Inflationsrate auf jetzt schon offiziell 4,5 Prozent maßgeblich bei. Dazu merken bürgerliche Politiker zynisch und massenverachtend an, dass man die Leute eben an ihrem „Geldbeutel“ packen müsste. Es ist typisch, dass die Herrschenden immer in die schmalen Geldbeutel hineingreifen, die vollgestopften Taschen der kapitalistischen Profiteure dagegen unangetastet bleiben. Die CO2-Preise werden vollständig auf die Massen abgewälzt, genauso wie Ausgaben für CO2-Verschmutzungsrechte. Energiekonzerne oder auch Konzerne wie Tesla verdienen dagegen Hunderte Millionen Euro im Jahr aus dem Verkauf nicht benötigter CO2-Verschmutzungsrechte. Das lehnt die MLPD grundsätzlich ab. Sie fordert eine umsatzbezogene Energiesteuer für Energiemonopole. Das geht zu Lasten der Profite und würde die tatsächlich notwendigen Milliarden Euro aufbringen, die zum Beispiel für neue Arbeitsplätze im Umweltschutz gebraucht würden.

 

Die Klimakrise als „Chance“ – für Profite!

 

Jahrzehntelang haben die Think-Tanks der Großindustrie die Klimakrise geleugnet. Das können sich die Herrschenden heute angesichts des weltweit erwachten Umweltbewusstseins nicht mehr leisten. Sie sind auch hier in die Defensive gekommen. Jetzt ist ihr neues Credo, die Klimakrise als „Chance“ zu sehen, wie das Handelsblatt am 5. November frohlockte. Die Konferenz in Glasgow ist auch eine Tribüne des imperialistischen Konkurrenzkampfs. Da weist US-Präsident Joe Biden mit dem Finger auf seine russischen und chinesischen Kollegen, die mit Abwesenheit glänzten. Dabei trägt kein Land der Welt so viel Verantwortung für die desaströse Gesamtklimabilanz wie die USA. Der chinesische Präsident Xi Jinping verteidigt die Tatsache, dass China mit 31 Prozent Anteil am globalen CO2-Ausstoß hier schon die allgemein von ihm angestrebte globale Führungsrolle eingenommen hat. Denn China müsse schließlich das „nachholen“ dürfen, was die westlichen Imperialisten an Umweltverschmutzung „geleistet“ haben.

 

Den Vogel abgeschossen hat Sven Giegold, Europa-Abgeordneter der Grünen. Er mahnt vor einer Renaissance der AKW. Denn „das Ergebnis wäre eine Entwertung aller neuen Finanzprodukte, die den Green Deal in Europa voranbringen“. Gefahren für Mensch und Natur durch AKW? Uninteressant, Hauptsache die neuen Finanzprodukte werden profitbringend verhökert. Das ist moderne „grüne“ Politik!

 

In Glasgow wird hin- und herjongliert, wie viel Prozent Erwärmung angeblich noch verträglich wäre. Alles, um die nötigen Maßnahmen in die Zukunft zu verlagern, aufzuschieben, damit ja kein Cent Profit verlorengeht. Dabei zeigt sich jetzt bereits, dass viele Kipppunkte im Übergang zur globalen Umweltkatastrophe viel rascher erreicht werden, als dies bisher meistens angenommen wurde. Im Jahr 2020 erreichte die Konzentration von Kohlendioxid (CO2), dem wichtigsten Treibhausgas, 413,2 ppm1 und lag damit bei 149 Prozent über dem vorindustriellen Niveau.

 

Auf Grönlands Gletschern gab es von 1980 bis 1990 einen Eisverlust von 51 Milliarden Tonnen pro Jahr. Er hat sich in den Jahren 2010 bis 2018 auf 286 Milliarden Tonnen pro Jahr beschleunigt. In der Westantarktis verstärkte sich der Eisverlust in etwa 20 Jahren um das Sechsfache. Im Durchschnitt der Jahre 2009 bis 2017 lag er bereits bei 252 Milliarden Tonnen pro Jahr. Damit nähern sich diese gewaltigen Eisschilde Kipppunkten, wo sie so instabil sind, dass ihr Kollabieren nicht mehr aufzuhalten ist.

 

Was wirklich nötig ist!

 

Die dringenden Sofortmaßnahmen zum Schutz des Weltklimas müssen die Arbeiterklasse und die Massen im aktiven Widerstand erkämpfen. Im Bundestagswahlkampf forderte die Internationalistische Liste/MLPD:


* Stopp CO2-Bepreisung auf Kosten der Massen! Forcierte Umstellung auf 100 Prozent erneuerbare saubere Energien bis 2030 auf Kosten der Profite, vor allem aus Wind, Solaranlagen, Wasser und Bioabfällen!


* Massiver Ausbau und Finanzierung von Solaranlagen aus einer am Umsatz orientierten Energiesteuer für Atom, Kohle-, Gas- und Ölkonzerne! Förderung von „Bürger-Solaranlagen“, Abschaffung bürokratischer Schikanen zur Nutzung von Klein-Solaranlagen! Sofortige Stilllegung aller Braunkohle-Kraftwerke und Verbot der Verbrennung fossiler Energieträger ab 2030! Vergleichbare Ersatzarbeitsplätze für alle Beschäftigten, vorrangig im Umweltschutz! Arbeitsplätze und Umweltschutz gehören für uns untrennbar zusammen!

 

Diese Forderungen können nicht mehr als eine zeitweilige Linderung der Probleme bringen. Entscheidend ist der Kampf um diese Forderungen als Schule des gesellschaftsverändernden Umweltkampfes. Als organisierendes Moment, um massenhaft Menschen unter Führung der Arbeiterklasse in den Kampf einzubeziehen. Als Plattform einer Massendiskussionen über die unabdingbare Notwendigkeit, mit einer sozialistischen Gesellschaft erst wieder die Grundlage für eine nachhaltige Einheit von Mensch und Natur revolutionär zu erkämpfen.

 

Nicht nur das Klima „zählt“

 

US-Präsident Joe Biden behauptete am Rand der Glasgower Konferenz: „Das wichtigste überhaupt ist das Klima – überall.“ Diese theatralische, aber erwiesenermaßen niemals ernst gemeinte Rhetorik dient derzeit vor allem als Vorwand dafür, massiv neue Atomkraftwerke zu planen, wie es Frankreich, USA, Großbritannien, China, Russland, Ungarn oder Polen bereits tun. Die EU-Kommission unter Ursula von der Leyen (CDU) hat bereits deutlich angekündigt, dass künftig Investitionen in Atomkraftwerke oder auch Gaskraftwerke das Gütesiegel „nachhaltig“ erhalten sollen. Tatsächlich ist die unverantwortliche Nutzung der Atomenergie eines der Hauptmerkmale des Umschlags in die globale Umweltkatastrophe. Sie alle gefährden das Überleben der Menschheit, aber noch mehr in ihrer Wechselwirkung. Hier sieht man eine Verschärfung des Übergangs in die globale Umweltkatastrophe an der ganzen Bandbreite:


* Der Trend der Verringerung des Ozonlochs wurde schon 2020 wieder gestoppt. Die „Ersatzstoffe“ für das verbotene FCKW sind ebenfalls schädlich für die Ozonschicht und teilweise wie H-FKW selbst Treibhausgase. Das in den letzten Jahren neu aufgetretene arktische Ozonloch hatte 2020 seine Rekordausdehnung. Die Ozonschicht verliert weiter die Schutzfunktion vor aggressivem UV-Licht und schädigt höhere Organismen.


* Die beschleunigte Vernichtung der Wälder verschärft sich. Der Amazonas-Regenwald hat einen Kipppunkt erreicht, indem 2019 erstmalig mehr CO2 abgegeben als gebunden wurde. Die grüne Lunge des Planeten, die Tropenwälder, die aufgrund ihrer Biomasse 50-mal mehr Kohlenstoff bindet als andere Wälder, stirbt – teilweise irreversibel. Auch die großen Urwälder der nördlichen Regionen treiben dem Kollaps entgegen. Das untergräbt in dramatischem Tempo die Funktion der Wälder als Sauerstoffspender, Wasser- und CO2-Speicher, Arten- und Genreservoir sowie nachhaltige Ressource.


* Zunehmende und katastrophalere regionale Umweltkatastrophen wie gewaltige Stürme, Brände und Überschwemmungen durch Extremregen machen etwa die Hälfte aller Naturkatastrophen und 45 Prozent der Todesopfer aus. Die UN-Flüchtlingsorganisation prognostiziert 240 Millionen „Umweltflüchtlinge“.


* Die Weltmeere stehen vor dem Umkippen, durch ihre Versauerung durch übermäßige CO2-Aufnahme, durch Erwärmung, Vermüllung, Raubbau an Fischbeständen. Dabei sind sie unverzichtbar als Haupteiweißquelle der Menschen, zur Bildung von Sauerstoff und die Bindung von großen Mengen Kohlendioxid.


* Auch das Artensterben geht unvermindert weiter. Vernichtung der natürlichen Lebensräume und Ökosysteme, die schnelle globale Klimaänderung trugen maßgeblich dazu bei, dass von acht Millionen Tier- und Pflanzenarten eine Million vom Aussterben bedroht ist.


* Die Aufblähung der imperialistischen Wirtschaft und die verschiedenen Strukturkrisen, besonders im Zuge der Umstellung auf E-Mobilität und die Digitalisierung führen zu einem sprunghaften Anstieg des Verbrauchs und der Verschwendung von Rohstoffen, Energie und Nahrungsmitteln. Mittlerweile gibt es eine neuartige Rohstoffkrise, auch weil die kapitalistische Nachfrage immer weniger aus den Naturschätzen zu decken ist.


* Die weltumfassende Vermüllung und Vergiftung der natürlichen Umwelt schädigt Flora, Fauna und die Menschen nachhaltig. Zum großen Geschäft wurde die Abfallverbrennung. Allein in der BRD wurden 2017 über 26 Millionen Tonnen Abfälle in 68 Verbrennungsanlagen und 30 „Ersatzbrennstoffwerken“ verbrannt.

 

Das Buch von Stefan Engel „Katastrophenalarm! Was tun gegen die mutwillige Zerstörung der Einheit von Mensch und Natur?“ hat alle diese relevanten Hauptfaktoren und ihre Wechselwirkung bereits im Jahr 2014 treffend analysiert. Es entwickelte ein Sofortprogramm, bei dessen strikter Befolgung auch die Ziele des Pariser Abkommens gut hätten erreicht werden können. Doch all das wurde ignoriert und die Verbreitung des Buches unterdrückt. Daraus spricht die Furcht der Herrschenden vor der konsequenten Schlussfolgerung: „Die Lösung der Umweltfrage erfordert heute einen gesellschaftsverändernden Kampf. Nur eine internationale sozialistische Revolution kann die soziale und die ökologische Frage lösen. Erst in einer sozialistischen Gesellschaft ohne Ausbeutung des Menschen durch den Menschen bilden Mensch und Natur eine fruchtbringende Einheit.“

 

Ein heftiger Richtungskampf

 

Bereits mitten im Wahlkampf hat sich die Jugendumweltbewegung wieder belebt und die kapitalismuskritische Richtung in ihr gestärkt. In Glasgow gingen Zehntausende für die Rettung der Umwelt auf die Straße. Notwendig ist ein weltweiter aktiver Widerstand zur Rettung der Umwelt vor der Profitwirtschaft als Schule eines gesellschaftsverändernden Kampf für den Sozialismus. In diesem Sinne hatte die revolutionäre Weltorganisation ICOR mit über 60 Mitgliedsorganisationen am Samstag, 6. November 2021, zum internationalen Umweltkampf aufgerufen. In Deutschland gab es vielfältige Protestaktionen und Aufklärungsarbeit in den Betrieben, Wohngebieten und unter der Jugend, insbesondere von der MLPD und ihrem Jugendverband REBELL, aber auch von überparteilichen Selbstorganisation der Massen.

 

In der Umweltbewegung, aber auch in der Arbeiterbewegung gibt es einen ausgeprägten Richtungskampf. In der Umweltbewegung versuchen besonders Funktionäre der Monopolparteien SPD und Grüne sowie ihre Jugendorganisationen, die Proteste zu kontrollieren und zu kanalisieren. Statt Kapitalismuskritik geht es dann um kritische Begleitung der Klimakonferenzen und der Regierungsbildung. Beim letzten bundesweiten „Fridays for Future“-Aktionstag versuchten sie deshalb an mindestens zehn Orten, die MLPD und ihren Jugendverband REBELL mit Verleumdungen, Beschimpfungen, teils körperlicher Gewalt aus den Protesten zu drängen. Das ist zwar in der Regel erfolglos. Es ist aber nötig, diese Auseinandersetzung auszutragen. Die andere Seite im Rahmen der heftigen gesellschaftlichen Polarisierung ist die Stärkung der kapitalismuskritischen Tendenz, die immer mehr prägend für die Masse der Jugendlichen bei den FFF-Demonstrationen oder auch den Protesten zu G20 und Glasgow ist. Wer die Umwelt vor der Profitwirtschaft retten will, für den gilt es auch, aktiv gegen den Antikommunismus einzutreten, MLPD und REBELL zu stärken sowie engagiert und organisiert an der Entwicklung der kämpferischen Umweltbewegung zu einer Massenbewegung mit Tiefgang und gesellschaftsverändernder Perspektive zu arbeiten.