Rote Fahne 22/2021
Bronias Geschichte: „Keinen Schritt zurück“
Eine Berliner Korrespondentin berichtet: 2003 lernte ich beruflich Bronia Bregman kennen, 81 Jahre alt, Jüdin aus Moskau, von Oktober 1941 bis 1948 zuletzt Leutnant der Roten Armee.
Bronia war eine der mindestens eine Million Rotarmistinnen, die als Frauen erstmals auch in regulären Streitkräften kämpften und mit etwa 300 000 Partisaninnen und den Millionen Frauen in den Fabriken, der Landwirtschaft, der Kinderversorgung und vielem mehr den Sieg über den Faschismus erst möglich machten. Im Juni 1941, mit 19 Jahren, hatte sie ihr Studium an der Fachhochschule beendet und arbeitete in Moskau als Buchhalterin. Sie erinnert sich:
„Ich war richtig sauer auf ihn, weil er erst so spät zu uns gesprochen hat und nicht sofort, als die deutschen Faschisten über uns hergefallen sind.“ „Er“, das war der Oberste Befehlshaber der Roten Armee, Josef Stalin, der sich mit dem Beschluss der damals sozialistischen Regierung in einer Rundfunkrede am 3. Juli 1941 an das Volk wandte. Er rief alle Kräfte des Volkes auf, zur Zerschmetterung des Feindes, vorwärts zum Sieg! Hitler und seine Generäle hielten es nicht für möglich, dass sich so ein großes Volk aus vielen verschiedenen Nationalitäten erfolgreich gegen sie erheben könnte und setzten weiter auf „Blitzkrieg“-Siege.
„Ich begriff, dass das Vaterland Hilfe braucht und meldete mich sofort freiwillig“, so Bronia, „tagsüber arbeiteten wir normal weiter und abends war der Rotkreuzkurs, jede zweite Nacht wurde geschlafen.“
Nach drei Monaten kam sie als Unteroffizierin an die Front, mit einer Qualifikation als OP-Schwester.
Keinen Schritt zurück
„70 deutsche Divisionen – sie waren schon 15 Kilometer vor Moskau und wir haben sie 50 bis 60 Kilometer zurückgedrängt. Es gab viele Tote.“ Die Verteidigung von Moskau war das Ende der deutschen „Blitzkrieg“-Siege.
Eine opferbereite Standhaftigkeit, heldenhafte Tapferkeit und eiserne Disziplin wurden hart erkämpft, ab Juli 1942 mit dem Befehl Nr. 227 „Keinen Schritt zurück!“. Marschall Shukow schreibt in seinen Erinnerungen: „Dieser Befehl sah durchgreifende Maßnahmen zur Bekämpfung von Panikmachern und von Leuten vor, die gegen die Disziplin verstießen. Der Befehl verurteilte entschieden alle Rückzugsstimmungen.“
Das wurde eine wichtige Grundlage für die Wende in Stalingrad. Mao Zedong würdigte 1942 die Schlacht um Stalingrad so: „Diese Schlacht ist nicht nur der Wendepunkt im sowjetisch-deutschen Krieg, und nicht nur der Wendepunkt im gegenwärtigen Weltkrieg gegen den Faschismus, sondern auch ein Wendepunkt in der gesamten Menschheitsgeschichte.“1
Bronia kämpfte damals bei Nowgorod, sie wurden pausenlos bombardiert. „Unsere Aufgabe war es“, sagte sie, „das Durchstoßen der deutschen Truppen nach Stalingrad zu verhindern. Wir haben zwei Kilometer Front um jeden Preis gehalten, um Stalingrad zu entlasten.“
Dieser Winter begann früh und hart, bis zu minus 40 Grad! Während Zigtausende deutsche Soldaten jämmerlich erfroren, war Bronias Front mit Winterkleidung ausgerüstet. „Die Erde war so tief gefroren, dass wir keine Erdhöhlen ausheben konnten. Aus Kiefernzweigen haben wir so eine Art Zelt für die Verwundeten gebaut. Dreizehn Monate war ich an diesem See. Wir Frauen hatten auch keine Monatsblutungen mehr. Der Instinkt der Frauen im Krieg war, das Gesicht zu schützen. Jede von uns hatte eine „Zitrone“, eine Mine und eine Plastikplane für den Selbstmord, bevor wir den Faschisten in die Hände fallen.“
„Wenn man anfängt, an sich zu denken, hält die Psyche nicht mehr durch. Diejenigen, die begonnen haben, an sich zu denken, die sind auch schneller gefallen“, erinnert sich Bronia. Einer der Rotarmisten, den Bronia direkt im Schützengraben versorgte und sterben sah, war wohl ihr Liebster. Er schrieb dieses Gedicht:
„Vergesst unsere Gesichter nicht
Es ist nicht bekannt
Wie lange ich noch leben werde
Weil ich meinen Kopf nicht erhebe, nicht erheben kann
Aber schätzt das Wort des Augenzeugen
Schätzt es, solange er lebt.“
Von Oktober 1941 bis zum Sieg des Sozialismus über den Faschismus war Bronia an der Front. 1945 wurde sie Mitglied der KPdSU. Da war sie 23 Jahre alt.
Lehren für heute
Eine unserer eisernen Regel heute muss sein: „Wer den Sozialismus als verbrecherisches Regime kennzeichnet, der gibt den Faschisten objektiv eine Berechtigung. Denn die ,Ausrottung des Bolschewismus‘ war das erklärte Hauptziel der Hitler-Faschisten. Jeder ehrliche Antifaschist muss sich dieser Dimension des bürgerlichen Antifaschismus und seiner antikommunistischen Grundlage bewusst sein, muss damit fertig werden und sich der Fälschung der Geschichte entgegenstellen.“ 2