Rote Fahne 21/2021
Steigende Inflation – Kampf um Lohnnachschlag gewinnt an Bedeutung
Die offizielle Inflation liegt im September bei der neuen Rekordmarke von 4,1 Prozent – so viel wie seit 28 Jahren nicht mehr!
Diese Zahl bildet noch nicht mal die reale Entwicklung in einem normalen Haushalt ab, wo die ständig steigenden Preise regelrechte Löcher im Geldbeutel reißen. Denn die offizielle Inflation berechnet sich nach einem „Warenkorb“, der zum Beispiel „Beherbergung“, „Dienstleistungen“ und „Freizeit und Kultur“ mit insgesamt 27 Prozent Anteil veranschlagt – Nahrungsmittel dagegen nur mit 10 Prozent.
Ein durchschnittlicher Arbeiter- oder Erwerbslosenhaushalt muss für Lebensmittel prozentual viel mehr veranschlagen und hat kaum Geld für die ersteren Posten. So ergibt sich real für „normale Leute“ eine viel höhere Inflation. Allein der durchschnittliche Preis für Super-Benzin ist von Dezember 2020 bis August 2021 um 28,2 Prozent gestiegen, der Preis für Heizöl im gleichen Zeitraum um knapp 37 Prozent!1
Angesichts dieser Entwicklung müssten die Sozialleistungen, Renten und auch die Pendlerpauschale entsprechend der Inflationsrate angehoben werden. Die Erhöhung des Hartz-IV-Satzes um 3 Euro ist blanker Zynismus.
Die Löhne werden durch die Inflation systematisch entwertet. Die bei den IGM-Tarifverhandlungen angenommene Inflationsrate von 2 Prozent ist schon lange überschritten. Es ist richtig, dass der IG-Metall-Vorsitzende Jörg Hofmann ankündigt, die gestiegene Inflation bei den nächsten Tarifrunden zu berücksichtigen. Unverständlich ist allerdings, dass er in Bezug auf die aktuelle Entwicklung von „temporären Sonderfaktoren“ spricht.2
Notwendig ist ein sofortiger Lohnnachschlag, der wegen des miserablen Streikrechts in Deutschland nur selbständig auf betrieblicher Ebene erkämpft werden kann. Aus einem Betrieb der Automobilindustrie berichtet ein IG-Metall-Vertrauensmann:
„Wir haben in der letzten Vertrauensleute-Information die Forderung nach Lohnnachschlag diskutiert. Ein Kollege hatte dazu den konkreten Vorschlag von 200 Euro pro Monat gemacht und eine Erklärung dazu. Das fanden alle angemessen. Die Durchsetzung auf betrieblicher Ebene fanden einige realistisch. Andere meinten, dass so eine Forderung eventuell mit anderen Leistungen des Unternehmens verrechnet werden würde oder dass dann Leiharbeiter entlassen werden und man deshalb lieber nichts fordern sollte. Ein weiterer Kollege sagte dazu: ,Wenn wir immer Angst vor der Reaktion des Unternehmens haben, dann haben wir am Ende gar nix. Verzicht auf Rechte und Forderungen hat noch nie andere Rechte auf Dauer gesichert.‘
Eine Kollegin meinte: ,Ich finde einen Lohnnachschlag total gerechtfertigt. Das Unternehmen verdient trotzdem genug mit uns!‘ Wir führen diese Diskussion in Gewerkschaft und Belegschaft weiter und arbeiten auf eine Offensive im Betrieb für den Lohnnachschlag hin!“