Rote Fahne 20/2021

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Uruguay: Arbeiter- und Volksbewegung setzt Regierung zunehmend unter Druck

In nur sieben Monaten gelang es, mitten in der Corona-Pandemie die notwendigen 700 000 Unterschriften für ein Referendum gegen 135 Artikel des sogenannten „Dringlichkeitsgesetzes“ LUC (Ley de Urgente Consideración) zu sammeln und dieses Ziel sogar um knapp 100 000 zu übertreffen (insgesamt 797 262 Unterschriften)

Von (jk)
Uruguay: Arbeiter- und Volksbewegung setzt Regierung zunehmend unter Druck
Arbeiter sind stolz und freuen sich sichtlich bei der Übergabe der Unterschriften, Foto: MediaReduy / CC BY-SA 2.0

Dieses Dringlichkeitsgesetz wurde im letzten Jahr auf Regierungsebene durchgepeitscht. Mit seinen circa 400 Artikeln bedeutet es unter anderem umfassende Angriffe auf die demokratischen und sozialen Rechte, eine weitere Faschisierung des Staatsapparats oder auch Privatisierung bisher staatlicher Einrichtungen (zum Beispiel im Bildungswesen). Die Durchsetzung dieses Referendums ist ein Erfolg einer hartnäckigen und intensiven Arbeit an der Basis, in den Gewerkschaften und Volksorganisationen und bedeutet einen wichtigen politischen Sieg gegen die Regierung.

 

Am 17. Juni gab es einen 24-Stunden-Streik, er wurde von der Gewerkschaft Pit-Cnt ausgerufen, war aber wesentliches Ergebnis der klassenkämpferischen Kräfte. Er hatte nicht die Durchschlagkraft, die andere Streiks dieser Art hatten, da der Transportbereich und der Einzelhandel nicht heruntergefahren wurden, was es den Arbeitern erschwerte, daran teilzunehmen. Aber er war sehr kämpferisch und ein wichtiger Schlag gegen die Regierung. Allein an diesem Tag wurden 25 000 Unterschriften für die Durchführung des Referendums gesammelt.

 

Die klassenkämpferische Richtung stärkt sich

 

Nach der erfolgreichen Durchsetzung des Referendums und der gerade stattfindenden „Rechenschaftslegung“ der Regierung, die eine „quasi Null“-Ausgabenpolitik plant, nehmen die Kämpfe und Proteste einen richtigen Aufschwung. Seit Anfang Juli gibt es jeden Tag Streiks und Proteste. So zum Beispiel bei ANCAP (Administración Nacional de Combustibles, Alcohol y Portland), dem staatlichen Unternehmen für Erdölverarbeitung, Alkohol und Portland-Zement. Mit Besetzung des Firmensitzes und zuletzt einem 24-StundenStreik wehren sich die Arbeiter unter anderem gegen geplante Lohnsenkungen. Die Fischer und Fischereiarbeiter befinden sich in einem heftigen Konflikt gegen geplanten Lohnabbau um bis zu 40 Prozent und kämpfen für würdige Arbeitsbedingungen. Sie haben an mehreren Stellen in Monte­video Protestcamps aufgebaut. Bei Coca Cola stehen die Arbeiter aktuell seit sieben Tagen im Streik. Zurzeit finden überall Tarifverhandlungen statt und Coca-Cola will die Arbeiter erpressen: Wenn sie mehr Lohn verlangen, werden weitere Arbeiter entlassen. Gerade in der jetzigen Zeit versuchen die Kapitalisten, die Arbeiter zu zermürben, indem sie mit fadenscheinigen Gründen Gewerkschafter und klassenkämpferische Kollegen angreifen und entlassen. Doch die Arbeiter lassen sich nicht einschüchtern und die klassenkämpferische Richtung stärkt sich. Vor kurzem fand ein Gewerkschaftstreffen der klassenkämpferischen Kräfte in Canelones statt, wo die Schlachthofarbeiter seit zwei Jahren einen hartnäckigen Kampf gegen den brasilianischen Konzern Minerva Foods führen. Über zehn Monate hatte Minerva Foods den Schlachthof geschlossen und die Arbeiter in eine Art Kurzarbeit (seguro de paro) geschickt. Mit vielfältigen Protestaktionen kämpften die Arbeiter um die Wiedereröffnung des Schlachthofs. Es gelang ihnen, aber sie mussten auf 18 Prozent ihres Lohns verzichten.

 

Weitere Streikmaßnahmen unter anderem der Lehrer sind geplant. Mitte September wird es wahrscheinlich einen 24-Stunden-Generalstreik geben. Die ICOR-Partei PCR1 fördert dies unter der Losung, die Kämpfe zu vereinigen.

 

Die Regierung gerät in die Defensive; innerhalb ihres Regierungsbündnisses gelingt es ihnen immer schwerer, zu Beschlüssen zu kommen. Und in der Bevölkerung ist nach offiziellen Umfragen die Zustimmung zur Regierung auf unter 50 Prozent gesunken.

 

Großes Interesse am neuen Buch von Stefan Engel

 

Uruguay hat eine lange Tradition in der Durchführung von Volksabstimmungen. Mit dem aktuellen Referendum gegen das „LUC“ stellt sich die Revolutionäre Kommunistische Partei Uruguays auf eine intensive Auseinandersetzung und Bewusstseinsbildung ein. Ziel ist, der Regierung eine erneute Niederlage beizubringen, die klassenkämpferischen Kräfte und vor allem die Partei zu stärken. Großes Interesse weckt das Buch von Stefan Engel „Die Krise der bürgerlichen Ideologie und des Antikommunismus“ auf Spanisch. In der Monatszeitung „La Verdad“ wurden große Teile des Interviews mit Stefan Engel zur Herausgabe der deutschen Ausgabe veröffentlicht. Die Genossen sprachen sofort ihre Solidarität mit Stefan gegen seine Kriminalisierung als Gefährder aus und freuen sich sehr, dass Stefan diesen Prozess gewonnen hat. Ricardo Cohen, Generalsekretär der PCR Uruguay: „Die Frage des Antikommunismus ist sehr wichtig. In Peru kam es zum Beispiel im Zusammenhang mit den Präsidentschaftswahlen zu einer regelrechten antikommunistischen Schlacht gegen den Kandidaten Pedro Castillo. Wir sind sehr gespannt auf das Buch.“