Rote Fahne 19/2021

Rote Fahne 19/2021

Der Schuss ging nach hinten los: Gesellschaftliche Debatte zum Antikommunismus

Wie bei Bundestagswahlen der 1990er-Jahre wird diesmal wieder der antikommunistische Ladenhüter der „Rote-Socken-Kampagne“ hervorgeholt. Aber so gründlich schiefgegangen wie diesmal ist es noch nie

Von (fh)
Der Schuss ging nach hinten los: Gesellschaftliche Debatte zum Antikommunismus
Die Lenin-Statue in Gelsenkirchen, von der MLPD im antikommunistischen Gegenwind durchgesetzt, steht auch für wachsendes Interesse am Sozialismus, Foto: RF

Bereits kurz nachdem die CDU / CSU in einem „Verzweiflungsakt“1 ihre Kampagne gegen den „Linksrutsch“ gestartet hatte, stellte sich der „Erfolg“ ein: Die Union ist erstmals in der Geschichte der Umfragen unter 20 Prozent gefallen. Noch viel schlimmer: Statt der beabsichtigten Negativ-Diskussion über den Sozialismus entfaltet sich offen eine polarisierte Diskussion über Sozialismus und Antikommunismus. Unter den Massen gibt es durchaus noch Vorbehalte gegen den Sozialismus. Aber er ist heute keineswegs mehr das Schreckgespenst, das die Menschen in die Arme der Union treiben würde.

 

Linksrutsch – aber richtig!

 

Die CSU startet ihre Kampagne „Historischen Linksrutsch verhindern“ mit sechs Köpfen von Kühnert bis Henning-Wellsow in Anlehnung an die bekannte Darstellung der Köpfe marxistisch-leninistischer Klassiker von Marx bis Mao Zedong. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt bemüht die plumpe Anspielung vom „Staatsratsvorsitzenden Scholz“ 2, wohlwissend, dass Olaf Scholz selbst glühender Antikommunist ist. Als Generalsekretär der SPD hat er sogar versucht, die Floskel vom „Demokratischen Sozialismus“ aus dem Parteiprogramm zu streichen. Und wenn Dobrindt von den „Kommunisten von der Linkspartei“ spricht, dann ist ihm durchaus bekannt, dass auch bei der Linkspartei nicht mehr als diese Floskel im Wahlprogramm steht. „Demokratischer Sozialismus“ ist eine antikommunistische Begriffsverdrehung, die unterstellt, dass es auch einen „undemokratischen Sozialismus“ geben könnte oder gegeben habe. Auch Kevin Kühnert von der SPD distanziert sich gleich unterwürfig vom Kommunismus, den er als „Gewaltherrschaft“ diffamiert, und mit dem Olaf Scholz nun wirklich nichts zu tun hat. Der Freitag stellt zur Kampagne der Union fest: „Wenn sie 2021 glaubt, mit dem Popanz ,Linkskanzler Scholz‘ punkten zu können, wird das nur ein müdes Lächeln hervorrufen – und jede Menge Spott in den sozialen Medien.“ 3

 

In seinem Buch „Die Krise der bürgerlichen Ideologie und des Antikommunismus“ führt Stefan Engel dazu aus: „Der Antikommunismus kommt nie längere Zeit aus seiner Defensive, weil er grundlegend in Widerspruch zur Wirklichkeit steht sowie zu den Interessen der weit überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung.“ 4

 

Im bürgerlichen Blätterwald und auch im Fernsehen gibt es ein lebhaftes Pro und Contra, ob der Antikommunismus heute noch „zeitgemäß“ sei. Selbst durch das TV-Studio von Anne Will geistert das „Gespenst des Kommunismus“. Und der Freitag merkt an, dass die „Systemkonkurrenz zwischen gutem Kapitalismus und bösem Kommunismus“ nur eine „Hohlformel“ 5 aus dem Kalten Krieg sei. Wenn dieser Kommentator feststellt, dass sich schon beim Wort „Imperialismus“ bei Baerbock und Scholz die Nackenhaare sträuben, dann spricht er zu Recht den Antikommunismus aller bürgerlichen Parteien an. Die Linkspartei wird durch solche Debatten unverdient aufgewertet, denn sie steht ebenfalls auf der Grundlage des Antikommunismus, nur einer moderneren Variante. In Wahrheit zielen die geistigen Klimmzüge der Antikommunisten vor allem auf die Internationalistische Liste / MLPD, die als einzige mit ihren Plakaten zehntausendfach für den Sozialismus wirbt.

 

Keine halben Sachen – das Original stärken!

 

Im Juni 2020 startete die Bewegung „Gib Antikommunismus keine Chance!“. Sie hat inzwischen über 14 000 Unterstützer. Ganz im Sinne dieser Bewegung hat die Internationalistische Liste / MLPD den Kampf gegen den Antikommunismus und die Werbung für den Sozialismus ins Zentrum ihrer Wahlkampagne gestellt: „Nur noch Krisen, eine Lösung: Sozialismus“ – „Nur noch Krisen, eine Ursache: Kapitalismus“ – „1000 Lügen, eine Quelle: Antikommunismus“. Diese offensive Ausrichtung erweist sich als Volltreffer. In den täglichen Diskussionen bekommen die Wahlkämpfer der Internationalistischen Liste / MLPD ein wachsendes Interesse am Sozialismus zu spüren.

 

Im ZDF erklärt Heribert Prantl von der Süddeutschen Zeitung: „Der Antikommunismus … ist eigentlich vorbei.“6 Der Antikommunismus wird nicht von alleine verschwinden, auch wenn er zusehends an Wirkung verliert. Die Massen müssen sich nicht nur selbst von der Wirkung des Antikommunismus freimachen, sondern sie müssen seine schädliche Rolle erkennen und angreifen lernen. Dazu kann die aktuelle gesellschaftliche Debatte sehr gut genutzt werden.