Rote Fahne 18/2021
„Die Stimmung kippt langsam …“
Wachsende Ausbeutung, Chaos, Überstunden und Kurzarbeit in verschiedenen Autobetrieben stoßen auf zunehmenden Unmut
Korrespondenzen aus verschiedenen Autobetrieben berichten „dass es unter den Kolleginnen und Kollegen großen Unmut, Unsicherheit, aber auch Wut“ über die Situation in den Betrieben gibt. Materielle Grundlage dafür ist die zunehmende Abwälzung der Krisenlasten durch die Konzerne mit verschiedenen Methoden:
* Eine ist die Kürzung von Zulagen. So will Bosch in Schwäbisch Gmünd das Weihnachtsgeld halbieren und die tarifliche Einmalzahlung streichen; „Swiss Steel“ in Witten will das Urlaubsgeld und Vallourec in Mülheim das Jubiläumsgeld streichen.
* Eine andere Methode ist die Erpressung der Belegschaften wie bei Daimler in Wörth, wo die Kolleginnen und Kollegen gegen die Belegschaft in Slowenien ausgespielt werden sollen.
* Besonders betroffen sind auch die Auszubildenden. Bei Daimler in Untertürkheim und Opel Rüsselsheim werden die ausgebildeten Facharbeiter erstmal jahrelang in sogenannten „Anlernlohngruppen“ beschäftigt. Damit werden sie um ihr Recht betrogen, entsprechend ihrer Facharbeiterausbildung bezahlt zu werden.
* Die Flexibilisierung der Arbeitszeit wird in verschiedenen Betrieben durch das Wechselbad von Überstunden und Kurzarbeit verschärft. Dabei nutzen die Konzerne die durch die Bundesregierung geschaffenen erleichterten Möglichkeiten, Kurzarbeit zu beantragen, schamlos aus. Allein Daimler hat dadurch bereits mehrere hundert Millionen Euro an Lohnkosten gespart und sich noch durch die Bezahlung der Sozialversicherungsbeiträge subventionieren lassen. Da ist es ein Leichtes, das Kurzarbeitergeld aufzustocken, um so die Kolleginnen und Kollegen zu beruhigen. Bei Audi sind nach vier Wochen Betriebsurlaub im September vier Samstagsschichten angekündigt und gleichzeitig ist Kurzarbeit angemeldet. „Die Kolleginnen und Kollegen haben das ständige Hin und Her langsam satt“, schreibt ein Arbeiter von Audi. Daimler verlängert die Kurzarbeit in Sindelfingen und Bremen. Über die Situation in Bremen berichtet ein Korrespondent: „Die aktuelle Kurzarbeit wird für 95 Prozent des Bremer Werks auf Woche 35 verlängert. Nur im Januar und März gab es keine Kurzarbeit. Die Tendenz ist steigend, denn in den Zeiten zwischen der Kurzarbeit wurden so viele unfertige Autos gebaut, dass alle Park-Kapazitäten in 150 Kilometer Umkreis belegt sind. Wenn jetzt wirklich nur noch fertige Autos gebaut werden sollen, kann das bedeuten, dass bis Weihnachten nur noch einzelne Wochen überhaupt gearbeitet wird.
Die Stimmung unter den Belegschaften, kippt langsam, von der Freude über den verlängerten Sommerurlaub zu Zukunftsängsten und Sorge vor großen Lohnsteuernachzahlungen. Es werden Forderungen nach voller Bezahlung bei Kurzarbeit durch Daimler und nach Lohnnachschlag diskutiert. Das wird von vielen Kollegen unterstützt, es gibt aber noch keine Bewegung dazu.“
Notwendig ist jetzt, dass die Kolleginnen und Kollegen in der Gewerkschaft gemeinsame Forderungen aufstellen und Schritte beraten, wie sie durchgesetzt werden können. Damit könnte die Arbeiterklasse als wesentliche gesellschaftliche Kraft in der heißen Phase des Wahlkampfs ein Zeichen setzen!