Rote Fahne 13/2021

Rote Fahne 13/2021

Der „Thüringer Weg“: Der Pragmatismus einer geläuterten Linkspartei

Die Linkspartei möchte nach den Bundestagswahlen auch auf Bundesebene mitregieren. Das Programm, für das die neue Parteispitze mit Janine Wissler und Susanne Hennig-Welsow steht, wird in Thüringen schon vorweggenommen

Von Landesleitung MLPD Thüringen
Der „Thüringer Weg“: Der Pragmatismus einer geläuterten Linkspartei
Offensiver Auftakt der Internationalistischen Liste/MLPD zur Landtagswahl 2019 in Erfurt, Foto: RF

Dankenswerterweise hat die Partei dort in einem neuen Buch „Der Thüringer Weg – 30 Jahre Fraktion PDS und DIE LINKE“1 ausformuliert, was ihren „Wesenskern“ ausmacht: „Es gäbe diese Art des Pragmatismus, der sich trotzdem nicht gemein macht. Das sei der Wesenskern der Fraktion und auch des Erfolgs gewesen. Sagt Bodo Ramelow. Keine Beliebigkeit, aber Pragmatismus, der sich darin zeigt, für jede Herausforderung politische Lösungen zu unterbreiten. Ideen zu beschreiben, die zu einem realen und tauglichen Ansatz werden können.“2

 

Pragmatismus als höchstes Credo „linker“ oder gar „sozialistischer“ Politik? Die Thüringer Linke spricht – wenn sie nach ihrem „Wesenskern“ gefragt wird – gar nicht mehr über Klassenkampf, Prinzipien, Ziele oder gar gesellschaftliche Perspektiven! Pragmatische Entscheidung von Fall zu Fall ist der Inbegriff dessen, was sich Ministerpräsident Bodo Ramelow vorstellen kann. „Der Pragmatismus ersetzt den Begriff der objektiven Wahrheit, der richtigen Widerspiegelung der Wirklichkeit im Bewusstsein, durch den Begriff der Nützlichkeit, des Erfolgs, des Vorteils.“3 In einer Zeit, wo die Menschen nach grundsätzlichen Antworten auf das ganze Krisenchaos des Kapitalismus suchen, wird die Untauglichkeit dieses pragmatischen Klein-Klein immer offensichtlicher. Dabei machen die Thüringer die Erfahrung, dass der „reale und taugliche Ansatz“ dieser Politik der Linkspartei sich trotz mancher fortschrittlicher Forderungen im Einzelnen, in der praktischen Regierungspolitik oft ins Gegenteil verkehrt. So forderte die Linkspartei in Thüringen nach dem NSU-Skandal die Auflösung des Thüringischen Verfassungsschutzes – und beschloss dann 2021 gemeinsam mit der CDU eine Aufstockung eben dieser Spitzeltruppe um weitere acht Planstellen.

 

Dienstleister der Monopole

 

Im Großen und Ganzen findet sich die Linkspartei in der Thüringer Regierungskoalition in die Rolle als Dienstleister der Monopole immer offener ein. So macht sich Susanne Hennig-Wellsow in ihrem newsletter 13 unter dem Titel „Die Zukunftsfrage“ (30.6.2020) ernsthafte Sorgen um die kapitalistische Wirtschaft: „Damit Thüringen gestärkt aus der Corona-Krise hervorgeht, braucht es erhebliche Investitionen in die Wirtschaft und den öffentlichen Sektor …“. Hier bewegt sich die Parteivorsitzende auf der klassischen Spur der Gesundbeterei des  Kapitalismus und der Unterstützung des Konzerne.
Wer im staatsmonopolistischen Kapitalismus eine bürgerliche Regierung führt, muss sich der allseitigen Herrschaft der Monopole über die ganze Gesellschaft unterordnen. Daran kommt gerade eine pragmatische Linkspartei in der Regierung nicht vorbei. So wird Thüringen – wie alle neuen Bundesländer – 30 Jahre nach der Wiedervereinigung und trotz sieben Jahren mit Ministerpräsident Bodo Ramelow von den Monopolen nach wie vor als Niedriglohnland behandelt. Die „Lohnlücke“ zwischen West und Ost ist sogar von 2007 bis 2019 von 7,37 Prozent auf 8,92 Prozent angewachsen!4

 

Proletarischer Parlamen­tarismus sieht anders aus

 

Auch für die MLPD ist die Ausnutzung des Parlamentarismus von besonderer Bedeutung. Aber unsere Kandidatur zur Bundes- und Landtagswahl 2021 unterscheidet sich mit ihrem proletarischen Parlamentarismus grundsätzlich vom Parlamentarismus der bürgerlichen und kleinbürgerlichen Parteien. Lenin forderte einen „… andersartigen Parlamentarismus … der mit Opportunismus und Karrierismus nichts zu tun hat.“5

 

Unser Wahlkampf dient dazu, das Klassenbewusstsein der Arbeiter zu wecken und höherzuentwickeln, die Leute zu organisieren und den wahren Charakter des bürgerlichen Parlaments als Instrument der herrschenden Klasse zu enthüllen. Er dient unserem Ziel, die entscheidende Mehrheit der Arbeiterklasse für den wissenschaft­lichen Sozialismus zu gewinnen. Unser Wahlkampf ist deshalb auch eine Offensive gegen den Antikommunismus. Er ist eine Unterscheidungs- und Entscheidungshilfe zur Stärkung des revolutionären Pols im fortschrittlichen Stimmungsumschwung unter den Massen.