Rote Fahne 09/2021
Lernen von Willi Dickhuts Lebenswerk
Am 8. Mai vor 29 Jahren ist Willi Dickhut (1904 – 1992) verstorben. Der Solinger Schlosser, Arbeiterführer, Arbeitertheoretiker, Vordenker und Mitbegründer der MLPD hat in 70 Jahren organisierter Arbeit Unauslöschliches für die revolutionäre Arbeiterbewegung hinterlassen
Unter der Arbeiterklasse und unter den Massen wächst die Suche nach einer gesellschaftlichen Alternative zum kapitalistischen Krisenchaos. Zugleich wird eine große Verwirrung erzeugt, ob eine solche Alternative überhaupt denkbar ist und worin sie liegen könnte. Zu Recht suchen die Menschen auch nach überzeugenden Vorbildern dafür. Ein solches Vorbild für unser kommunistisches Freiheitsideal in Denken, Fühlen und Handeln ist Willi Dickhut.
„Schön, wieder einen Hammer in der Hand zu haben“
„Wie schön ist es, wieder einen Hammer in der Hand zu haben.“ So Willi Dickhut 1956 zu seiner Frau Luise. Nach dem Verbot der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) wurde er auf eigenen Wunsch nach seiner bisherigen hauptamtlichen Parteifunktion wieder Arbeiter – im Unterschied zu vielen anderen Funktionären. Er war stolz, Arbeiter zu sein. Als klassenbewusster Arbeiter verkörperte er die Arbeiterklasse als einzig revolutionäre Kraft mit unerschütterlichem proletarischen Klassenstandpunkt. In Betrieb und Gewerkschaft, der Hauptkampflinie revolutionärer Arbeit, entwickelte er eine systematische Kleinarbeit in Verbindung mit einer positiven Gewerkschaftsarbeit – heute eines der Alleinstellungsmerkmale der MLPD.
„Lernen und Kämpfen ist die Aufgabe eines jeden Kommunisten“
Willi Dickhut stellte sich neuen Herausforderungen des Klassenkampfs immer an vorderster Front und mit eigenen schöpferischen Ideen: Im antifaschistischen Widerstandskampf gegen den Hitler-Faschismus stählte er selbst in Gefängnissen, faschistischen Konzentrationslagern und der Illegalität seine Kampfmoral: „Resignation kenne ich nicht.“1 Im demokratisch-antifaschistischen Wiederaufbau nach 1945 war er führender Kommunalpolitiker der KPD in Solingen. Ralf Rogge, Leiter des Solinger Stadtarchivs, schrieb in einem Gutachten über Willi Dickhut vom 20. Mai 2015: „Wirklich herausragend sind die Aktivitäten von Willi Dickhut in der ersten Zeit nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und zu Beginn der Besatzung der siegreichen Alliierten. Für die KPD ist er die führende Persönlichkeit, die sich direkt nach dem Ende der Kriegshandlungen in Solingen im April 1945 um einen umfassenden antifaschistischen Neuanfang in allen Bereichen der Gesellschaft und Politik engagiert bemühte.“2 In den 1950er-Jahren kämpfte er für die Wiedervereinigung Deutschlands, gegen die Wiederbewaffnung, gegen den drohenden Atomkrieg und gegen die reaktionär-antikommunistische Adenauer-Regierung.
Schwerpunkt seiner Praxis war immer der Parteiaufbau als führender Faktor zur Höherentwicklung des Klassenkampfs. Er war aktiver Parteifunktionär in verschiedensten oft leitenden Funktionen. Wegen seiner Kritik an der revisionistischen Entartung der KPdSU und in der Folge auch der KPD wurde Willi Dickhut aus der Partei ausgeschlossen. Er konzentrierte ab 1969 – nunmehr als Rentner – seine ganz Kraft und Erfahrung auf den Neuaufbau einer marxistisch-leninistischen Partei. Er wurde Mitbegründer und Vordenker der MLPD.
Einheit von Theorie und Praxis
Für diese revolutionäre Praxis erarbeitete er sich hartnäckig die notwendigen theoretischen Kenntnisse und Fähigkeiten: durch systematisches Studium des Marxismus-Leninismus und dessen schöpferischer und flexibler Anwendung auf die heutigen Anforderungen.
Er erkannte: Diese Einheit von Theorie und Praxis gelingt nur durch die lebendige Anwendung der dialektischen Methode. Er lernte und lehrte, sie auf höchstem Niveau zu beherrschen. Seine beiden Biografien „So war‘s damals …“ und „Was geschah danach?“, sowie das Buch „Proletarischer Widerstand gegen Faschismus und Krieg“ sind einzigartige Beispiele der historisch-materialistischen Geschichtsschreibung auf Grundlage der proletarischen Denkweise – auch als Kritik an der verzerrenden revisionistischen Geschichtsschreibung der DDR.
Durch die bewusste Verarbeitung seiner Erfahrungen reifte er zu einem marxistisch-leninistischen Arbeitertheoretiker: Er enthüllte wissenschaftlich die Ursache der revisionistischen Entartung fast aller ehemals revolutionärer Parteien sowie der Restauration des Kapitalismus der ehemals sozialistischen Länder: Der Sieg der kleinbürgerlichen über die proletarische Denkweise. Auch daraus entwickelte die MLPD die Lehre von der Denkweise: Nur wenn die Überlegenheit der proletarischen Denkweise im Kampf gegen die kleinbürgerliche Denkweise hergestellt und systematisch kontrolliert wird, ist ein revolutionärer Parteiaufbau, die Höherentwicklung des Klassenkampfs und der Aufbau des Sozialismus möglich. Theoretisches Kernstück seiner insgesamt 24 Nummern des REVOLUTIONÄREN WEG sind die Ausgaben 16–19 „Der staatsmonopolistische Kapitalismus in der BRD“.
Lehren für den Parteiaufbau
Willi Dickhut zog daraus Lehren für den marxistisch-leninistischen Parteiaufbau neuen Typs auf Grundlage der proletarischen Denkweise: Alle Genossen müssen durch die schöpferische Anwendung des Marxismus-Leninismus selbstständig denken und handeln lernen. Das gelingt nur durch die Beherrschung der dialektischen Methode. Die Selbstkontrolle der Denkweise ist das Lebenselixier einer marxistisch-leninistischen Partei. Willi Dickhut hat dieses System der Kontrolle in der MLPD maßgeblich entwickelt. Bewusst hatte er im KABD/MLPD keine Leitungsfunktion übernommen, sondern sich auf die Auswertung seiner Erfahrungen und auf die Ausbildung von jungen Kadern konzentriert und leitete die Zentrale Kontrollkommission von 1972 bis 1976. Er ist ein Vorbild für die Jugend.