Rote Fahne 08/2021
China: Auf der Seidenstraße zur Weltherrschaft?
Die Bilder waren deutlich und der Ton war scharf: Am 18. März trafen sich die Außenminister und Sicherheitsberater Chinas und der USA in Anchorage/Alaska. Anders als sonst üblich, kam es zum offenen Schlagabtausch vor laufenden Kameras
US-Außenminister Antony Blinken eröffnete, die neue US-Regierung unter Joe Biden sei zusammen mit den Verbündeten entschlossen, den „wachsenden Autoritarismus durch China im In- und Ausland zurückzuweisen“. Yang Jiechi, verantwortlich für Außenpolitik in der KP Chinas, konterte: Die USA könnten „längst nicht mehr den Anspruch erheben, die führende Ordnungsmacht in der Welt zu sein“. Das Treffen in Anchorage signalisierte den erbitterten Konkurrenzkampf der derzeitigen Hauptrivalen um die Weltherrschaft, der einzigen auch militärischen und politischen Supermacht USA und der neuen ökonomischen Supermacht China.
„Sobald sich aber die Kräfteverhältnisse geändert haben, wie können dann unter dem Kapitalismus die Gegensätze anders ausgetragen werden als durch Gewalt?“, fragt Lenin in seiner berühmten Schrift „Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“.1 Zwei imperialistische Weltkriege haben das grausam bestätigt.
Gefahr eines III. Weltkriegs
Heute sind wir in einer Situation, da die Ungleichmäßigkeit der kapitalistischen Entwicklung die Kräfteverhältnisse verschoben hat und die allgemeine Gefahr eines III. Weltkriegs erhöht. Das sozialimperialistische China konzentriert sich gegenwärtig darauf, seine ökonomische Supermachtstellung auszubauen. China arbeitet aber intensiv daran, den USA eines Tages den Rang als politische und militärische Supermacht streitig machen zu können. Der US-Imperialismus fährt unter Biden große Programme dagegen auf mit Krisenprogrammen im Volumen von 5,5 Billionen US-Dollar zuzüglich 4 Billionen US-Dollar gigantischer Aufrüstung, Fortsetzung des Handelskriegs gegen China und so weiter.
Auf der „Neuen Seidenstraße“ versucht China, sich schrittweise den hauptsächlichen Einfluss auf der halben Welt zu erobern. Sie reicht von Algerien und Ägypten über Dschibuti und Sudan quer durch den Nahen Osten bis in die Golfregion. 17 Länder der Region haben in den vergangenen Jahren strategische Abkommen mit China geschlossen. Die Gegend ist von großer Bedeutung für den internationalen Warentransport zu Lande und über die Meere.
In der Türkei gingen 48 Prozent des Kumport-Containerterminals am Marmara-Meer an chinesische Investoren. 51 Prozent der Anteile an der neuen Auto- und Eisenbahnbrücke „Yavuz Sultan Selim“ über den Bosporus wurden für 688 Millionen Dollar an ein chinesisches Konsortium verkauft. Ein strategisches Partnerschaftsabkommen mit Iran ist in Vorbereitung. China will dort investieren in Flughäfen, Straßen, Telekommunikation, Seehäfen und andere Infrastrukturprojekte. Im benachbarten Bahrain befindet sich das Hauptquartier der 5. US-Flotte. Investitionen in strategische Infrastrukturen werden auch in Syrien realisiert. China zielt dort auf die Häfen von Latakia und Tartus, im Libanon auf Tripoli, das von der China Harbour Engineering Company zum Tiefseehafen ausgebaut wird. Geplant ist dort eine wirtschaftliche Sonderzone, die über eine neue Bahnlinie mit den syrischen Städten Homs und Aleppo vernetzt werden soll.
Zahlreiche Häfen sind inzwischen in chinesischer Hand. China zeigt Interesse an Triest und Genua. Es hält Piräus (100 Prozent) in Griechenland, Zeebrugge (85 Prozent) in Belgien, Dünkirchen (45 Prozent) in Frankreich, Valencia (51 Prozent) und Bilbao (40 Prozent) in Spanien sowie sechs weitere Häfen in Frankreich, den Niederlanden und Kroatien. Weitere Häfen hat China gekauft beziehungsweise hält größere Anteile davon in der chinesischen Wirtschaftssonderzone am Suez-Kanal und in Ägypten, in Israel, den Vereinigten Arabischen Emiraten, im Oman und in Saudi-Arabien. Im Sommer 2017 eröffnete Peking seine erste Militärbasis in Dschibuti.
Aufrüstung nach innen und außen
Durch die Übernahme strategisch bedeutsamer Infrastrukturprojekte in vielen Ländern und die wachsende Abhängigkeit dieser Länder verschafft sich das imperialistische China auch militärische Vorteile. Und China rüstet auf, nach innen wie nach außen. „Ganz unmittelbar hat China die Zahl seiner Truppen im Laufe der letzten dreißig Jahre auf rund 2,1 Millionen und damit auf die Hälfte der einstigen Mannstärke reduziert. Mit der Bewaffneten Polizei wurde parallel dazu eine nahezu genauso große Truppe aufgebaut, die wie die Armee der Partei untersteht, aber anders als diese im Inneren einsetzbar ist und eingesetzt wird.2 Die DKP-Zeitung UZ charakterisiert die chinesischen Aktivitäten am 19. Februar 2021 so: „Die chinesische Politik folgt traditionell den Prinzipien der Nichteinmischung in die Angelegenheiten anderer Länder und dem friedlichen Ausbau internationaler Beziehungen in einer multipolaren Welt.“ Die DKP-Führung bezeichnet das bürokratisch-kapitalistische China als sozialistisches Land und sucht dafür emsig nach Belegen, sind doch die massive Ausbeutung und Unterdrückung dort nicht mehr zu übersehen. Das ist schon ein Musterbeispiel revisionistischer Verblendung.
Die Friedensbewegung tut gut daran, nicht nur ihren Hauptgegner in Deutschland, den deutschen Imperialismus, den Hauptkriegstreiber USA sowie seine EU-Verbündeten in den Blick zu nehmen, sondern sich auch gegen die Aktivitäten des chinesischen sowie jedes anderen Imperialismus zu richten.