Rote Fahne 06/2021
Die Meuterei von Kronstadt
Vor 100 Jahren im Februar/März 1921 kam es in Kronstadt, einem Stützpunkt der sowjetischen Flotte nahe St. Petersburg zu einer Meuterei von Matrosen. Für den Deutschlandfunk (DLF) Anlass für zwei Sendungen. In einer durften die ehemaligen KBW-Führer1 Gerd Koenen und Jörg Baberowski als geläuterte „Experten“ sagen, wie es angeblich wirklich war. Tenor: Die Matrosen hätten sich erhoben gegen die „Kommunisten“ beziehungsweise die „bolschewistische Diktatur“.2
Die „Experten“ sagen nichts über die Ursachen für die damals tatsächlich vorhandene Unzufriedenheit in Teilen der Bevölkerung. Es waren die von den Imperialisten angezettelten zerstörerischen Interventionskriege. Nach dem Sieg über die Interventionsarmeen waren viele Fabriken und das Verkehrswesen weitgehend zerstört. Eine Blockade hatte jeglichen Import von Waren verhindert. Millionen Menschen hungerten und verhungerten. Kein Wort über diese humanitäre Katastrophe. Die Bauern hatten durch die mit dem Krieg verbundene Abgabenpflicht (Kriegskommunismus) und wegen Missernten sehr zu leiden. Trotzdem siegten die Rotarmisten über die Imperialisten. Das Volk verteidigte unter Führung der Bolschewiki die neue Sowjetordnung. Es ist eine typische Masche von Leuten wie Koenen und Baberowski, den Revolutionären die Folgen des konterrevolutionären Terrors unterzuschieben.
Vor der sowjetischen Regierung und der Bevölkerung stand nun die gewaltige Aufgabe, das Land aufzubauen. Die vor allem unter rückständigen ländlichen Teilen der Bevölkerung vorhandene Unzufriedenheit nutzten die Gegner der Sowjetordnung aus. In einigen Gebieten machten Kulaken3 und politische Gegner der Sowjetmacht Stimmung gegen die Bolschewiki und zettelten teilweise Aufstände an. Es kam zu bewaffneten Kämpfen zwischen Soldaten der Roten Armee und konterrevolutionären Aufständischen.
Die meuternden Matrosen in Kronstadt waren ebenfalls unzufrieden mit den Lebensverhältnissen. Sie waren politisch unerfahren, meist bäuerlicher Herkunft und konnten von Gegnern der Revolution leicht politisch beeinflusst werden. Der ehemalige weißgardistische General Koslovsky und seine Offiziere hatten unter anderem maßgeblich Einfluss. Russische Emigranten und kapitalistische Staaten sahen eine Chance, die Sowjetmacht doch noch zu stürzen. In einer am 28. Februar 1921 verabschiedeten Resolution forderten die Meuterer unter anderem Neuwahlen, Sowjets ohne Bolschewiki und die Aufhebung der Nationalisierung von Grund und Boden. Der Plan, die Bevölkerung in St. Petersburg auf ihre Seite zu ziehen, misslang, weshalb die Meuterer relativ schnell isoliert waren. Am 1. März 1921 sprach Michail Kalinin, das damalige sowjetische Staatsoberhaupt, in Kronstadt zu den Demonstranten und forderte die sofortige bedingungslose Beendigung der Meuterei. Ohne Erfolg. Die sowjetische Regierung beschloss dann, auch militärisch vorzugehen. Am 18. März wurde die Festung von Soldaten der Roten Armee erobert. 8000 Meuterer flohen über das Eis nach Finnland. Über 2000 wurden gefangengenommen und bestraft. Es gab viele Tote auf beiden Seiten.
Die führenden Köpfe der Meuterei waren kleinbürgerliche Konterrevolutionäre. Sie nutzten sowjetische Losungen, um ihre wahren Absichten zu verschleiern und täuschten so die unzufriedenen Menschen. Mit offen konterrevolutionären Losungen wären sie nach den Erfahrungen der Massen mit dem weißen Terror von vornherein gescheitert. Koenen und Baberowski knüpfen genau an diesem Betrug an, um die Kronstädter Meuterei als fortschrittlich erscheinen zu lassen. Ihren Führern ging es jedoch um nichts anderes als um die Beseitigung der Sowjetmacht und die Wiedereinführung der Herrschaft der alten Ausbeuterklassen.