Rote Fahne 03/2021
Zur IG-Metall-Tarifforderung nach einer 28-Stunden-Woche
Weltwirtschafts- und Finanzkrise seit Mitte 2018, Strukturkrisen auf Basis der Neuorganisation der internationalen Produktion, der Digitalisierung und E-Mobilität – die kapitalistische Produktion ist krisengeschüttelt. Die Corona-Gesundheitskrise wirkt als Brandbeschleuniger
Die Folgen sind Insolvenzen, beschleunigte Kapitalkonzentration und der Versuch des internationalen Monopolkapitals, die Krisenlasten auf die Massen abzuwälzen. In der Autoindustrie ist der Abbau mehrerer zehntausend Arbeitsplätze geplant. Leistungsverdichtung, Auswärtsvergabe oder Nichtübernahme von Auszubildenden und Befristeten sind die Antwort der Konzerne. Vor diesem Hintergrund hat sich um die Forderung der MLPD nach einer weiteren Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden pro Woche bei vollem Lohnausgleich eine Massendebatte entwickelt. Sie wird aktiv gefördert durch die Partei- und insbesondere Betriebsgruppen der MLPD.
Nur so ist es zu erklären, dass der IG-Metall-Vorstand erstmals seit langem unter anderem eine Tarifforderung zur Arbeitszeitfrage aufgestellt hat: Die 28-Stunden- oder Vier-Tage-Woche. Immerhin gibt er damit objektiv der MLPD Recht, die seit Jahren vertritt, Arbeitszeitverkürzung kann Arbeitsplätze erhalten und neue schaffen. Sie gibt der Arbeiterklasse einen Teil des von ihr erwirtschafteten Produktivitätsfortschritts zurück und ermöglicht ihr, sich verstärkt an gesellschaftlichen Aktivitäten, an Bildung, Kultur und Sport zu beteiligen oder auch mehr mit der Familie zu unternehmen. Die Forderung nach der 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich ist eine offensive Klassenforderung. Sie orientiert die Arbeiter darauf, um die Früchte der wachsenden Arbeitsproduktivität zu kämpfen. Sie führt damit auch an den Kampf um den Sozialismus heran, in dem die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen abgeschafft ist.
Arbeitszeitverkürzung als Flexibilisierungsmethode?
Doch die Argumentation der IG-Metall-Führung pervertiert geradezu diese guten Gründe für die Arbeiterinnen und Arbeiter, den Kampf um weitere Arbeitszeitverkürzung aufzunehmen. Sie rückt vor allem das Interesse der Monopole in den Mittelpunkt: „Neben der Corona-Krise müssen die Betriebe auch die Transformation bewältigen – die Digitalisierung, den Klimawandel und den Umstieg auf E-Mobilität. … Daher fordert die IG Metall neue Möglichkeiten zur Absenkung der Arbeitszeiten, die die Betriebe wählen können. … Die IG Metall schlägt dazu beispielsweise eine Vier-Tage-Woche mit teilweisem Lohnausgleich vor – nicht generell für alle, sondern als weitere Wahlmöglichkeit für Betriebe oder einzelne Bereiche des Betriebs, um Beschäftigung zu sichern. Dadurch würde dann ein Tag in der Woche frei – zum Leben oder für Weiterbildung.“1
Warum nur „Teillohnausgleich“? Die MLPD stellt die Forderung nach der 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich von Montag bis Freitag auf, weil sie als Klassenforderung allen Beschäftigten zugute kommt. Der volle Lohnausgleich zielt bewusst darauf ab, dass diese Forderung nur im entschlossenen Kampf auf Kosten der Monopolprofite durchgesetzt werden kann und nicht durch faule „Kompensations“-Kompromisse. Und seit wann geht es bei der Forderung nach Arbeitszeitverkürzung darum, den Betrieben bei der „Transformation“ – sprich: der Abwälzung der Lasten der Strukturkrisen – zu helfen? Natürlich ist eine bessere Weiterbildung zu begrüßen – aber auf Kosten der Profite. Die Vorstellung der IG-Metall-Spitze, nur in jenen Betrieben die Arbeitszeit zu verkürzen, die „zum Beispiel bei Auftragsmangel das geringere Arbeitsvolumen besser auf die Beschäftigten verteilen“, verkehrt die klare Arbeiterforderung zu einer Methode der Flexibilisierung der Arbeitszeit im Interesse der Monopole.
In einem Brief an die Redaktion kritisiert ein Leser, dass der IG-Metall-Vorstand den „vollen Lohnausgleich“ fallen lässt, denn „er senkt den Lohn absolut, aber er akzeptiert auch die folgende Arbeitsintensivierung ohne Lohnerhöhung und erhöht damit den Ausbeutungsgrad“. Der Leser schreibt: „Deswegen muss nicht die 28-Stunden-Woche abgelehnt werden, sondern, dass der IG Metall-Vorstand bereits in der Tarifrundenforderung nur einen Teillohnausgleich dafür fordert.“ Ein anderer Leser sieht „keinen grundlegenden Unterschied zwischen 28 oder 30 Stunden“ Arbeitszeitverkürzung. Das stimmt. Doch es geht nicht nur um den ökonomischen, sozialen Aspekt. Politisch brauchen die Arbeiter einheitliche Klassenforderungen – auch international. So gibt es seit den 1990er-Jahren die Initiative für den Sechs-Stunden-Tag bei vollem Lohnausgleich. Sie ist in den verschiedenen Ländern unterschiedlich durchzusetzen. Teilweise gibt es noch Sechs-Tage-Wochen oder es wird wie in Deutschland in der Regel nur an fünf Tagen gearbeitet. Und deshalb ist es sinnvoll, weiterhin für die Aufstellung der 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich als Tarifforderung einzutreten.
In den anstehenden Tarifrunden-Aktionen gilt es deutlich zu machen, dass auch bei einer 28-Stunden- oder Vier-Tage-Woche auf keinen Fall ein Teillohnausgleich hingenommen werden kann.