Rote Fahne 03/2021
Wie kommen im Sozialismus die Löhne zustande?
Für die meisten Werktätigen ist es undenkbar, dass man sich nicht um sein Einkommen sorgen muss und Leistung wirklich belohnt wird. Das gab es in der Geschichte in den ersten sozialistischen Ländern
1971, fünf Jahre nach dem Beginn der Großen Proletarischen Kulturrevolution1, bereiste der deutsche Journalist Klaus Mehnert das damals noch sozialistische China. In seinem Buch „China nach dem Sturm“ berichtet er von einem Besuch in einer kleinen Fabrik mit 820 Arbeitern nördlich von Peking: „Es gibt acht Lohnkategorien (das scheint auch im Wesentlichen für andere Fabriken zu gelten), der Lohn für die unterste (1.) beträgt 40 Yüan, der für die höchste (8.) 100 Yüan. … Ich erkundigte mich nun nach den Lohnkategorien der einzelnen Arbeiter, mit denen ich mich während der Besichtigung der Fabrik unterhielt. Ein alter Meister, seit seinem fünfzehnten Lebensjahr in diesem Beruf stehend, war in der achten Kategorie; die beiden Frauen, die bei ihm ausgebildet wurden, in der dritten bzw. vierten Kategorie …“2
Man stelle sich vor, was für eine Bürokratie ein solches Verfahren erübrigt! Heute muss man fast ein ausgebildeter Arbeitsrechtswissenschaftler sein, um alle Schlupfwinkel zu kennen und nicht übers Ohr gehauen zu werden.
Mehnert erfährt, dass der Fabrikdirektor in der achten Kategorie genausoviel erhält wie der alte Meister. Für Funktionäre gilt, das sie im Dienste des Volkes stehen. Sie dürfen keine Privilegien bei der Entlohnung beanspruchen. Mehnert verteidigte den Standpunkt, dass der „Egoismus der Menschen“ zwar „kein sehr idealer Charakterzug“, aber „seit Menschengedenken … der Motor der Entwicklung“ sei. Mit dieser bürgerlichen Weltanschauung war er völlig erstaunt, was er in China an selbstlosem Einsatz erfuhr.
Das sozialistische Verteilungsprinzip „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seiner Leistung“ ist ein großer Fortschritt gegenüber dem Kapitalismus, jedoch rückständig gegenüber der Verteilung im Kommunismus. Erst dann wird das Prinzip gelten „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen“. Es besteht immer noch bürgerliches Recht, das formal für alle gleich, aber real ungleich ist. Daraus ergibt sich der Widerspruch zwischen den beiden Wegen: Vorwärts zum Kommunismus oder zurück zum Kapitalismus! Das entscheiden der Klassenkampf und der Kampf um die Denkweise im Sozialismus. Es kommt darauf an, die im bürgerlichen Recht enthaltenen Muttermale der alten Gesellschaft abzubauen. In der Kulturrevolution wurden Betriebsversammlungen eingeführt, wo sich die Beschäftigten über die Einstufungen kritisch und selbstkritisch auseinandersetzten. Im Mittelpunkt stand die Leistung in Einheit mit dem Einsatz für das Kollektiv und die Gesellschaft. Nach dem Tod von Mao Zedong haben die führenden Revisionisten die Macht ergriffen und das sozialistische Leistungsprinzip zerstört durch Ausweitung der Lohnstufen und Einführung eines Prämiensystems.