Rote Fahne 02/2021
„Die wohnortnahe Krankenhaus-Versorgung ist in Frage gestellt
Mit ihrem Gesetzentwurf zur Krankenhausplanung stellt die nordrhein-westfälische Landesregierung die Weichen für weitere Krankenhausschließungen. Dazu der zuständige ver.di-Gewerkschaftsekretär für Nordrhein-Westfalen, Jan von Hagen
Mit ihrem Gesetzentwurf zur Krankenhausplanung stellt die nordrhein-westfälische Landesregierung die Weichen für weitere Krankenhausschließungen. Dazu der zuständige ver.di-Gewerkschaftsekretär für Nordrhein-Westfalen, Jan von Hagen
Rote Fahne: Die Landesregierung begründet ihre Pläne damit, dass man angeblich bessere und professionellere Zentren brauche. Was ist davon zu halten?
Jan von Hagen: Die Landesregierung erklärt, dass in größeren Zentren eine bessere Qualität in der Versorgung sichergestellt wird. Das sehen wir sehr kritisch. Zum einen werden Krankenhäuser nicht automatisch besser, wenn sie größer werden. Zum anderen wird damit die wohnortnahe Versorgung infrage gestellt und damit die schnelle Erreichbarkeit für Patientinnen, Patienten und Angehörige im Notfall.
Welche Folgen haben die jetzt schon stattfindenden Krankenhausschließungen – wie etwa im Essener Norden – für die Gesundheitsversorgung und die Beschäftigten?
Der katholische Krankenhaus-Träger Contilia hat entschieden, zwei Häuser zu schließen. Das ist fatal für die Bevölkerung im Essener Norden. Mit den Schließungen wird vom Land NRW und der Stadt Essen in Kauf genommen, dass sich die Notfallversorgung für über 200 000 Bürgerinnen und Bürger verschlechtert.
Die Beschäftigten sind seit Übernahme der Kliniken durch die Contilia-Gruppe ständig wechselnden Plänen von Standortveränderungen und -schließungen ausgesetzt. Das führt natürlich zu Ängsten. Und anders als Pflegekräfte oder das ärztliche Personal, die bei einer Krankenhausschließung relativ unkompliziert einen neuen Job finden, führt der Weg bei Reinigungspersonal, Küchen- und Servicekräften oder Arbeiterinnen und Arbeitern schnell in die Arbeitslosigkeit.
Zum wachsenden Konkurrenzkampf um möglichst profitable Auslastung trägt das DRG-System der Fallpauschalen maßgeblich bei. Warum?
Im Fallpauschalensystem gibt es für jede Operation oder jede separate Behandlung eine feststehende Geldsumme für die Krankenhäuser. Insofern lohnt es sich, Patientinnen und Patienten mit möglichst wenig Personal möglichst kurz zu behandeln und schnell zu entlassen, sodass Profit entsteht. Zudem setzen die Fallpauschalen Fehlanreize in der Versorgung, weil es für bestimmte komplexe Operationen und Untersuchungen mehr Geld gibt.
Wie kann und muss Druck ausgeübt werden?
In der Corona-Pandemie sind die Fehler im Krankenhaussystem nochmal deutlicher geworden. Um dies zu verändern, brauchen wir Druck aus der Bevölkerung und Auseinandersetzungen in den Betrieben. In Nordrhein-Westfalen ist es gelungen, mit der Volksinitiative „Gesunde Krankenhäuser in NRW – für ALLE“ eine Plattform zu gründen, auf der Patienten- und Angehörigenverbände mit vielen politischen Organisationen und der Gewerkschaft ver.di zusammen für bessere Krankenhäuser kämpfen. Zentral wird aber auch sein, dass sich weitere Belegschaften dafür entscheiden, sich unter diesen Zuständen nicht mehr kaputtzuarbeiten, sondern für ihre Rechte und die gute Versorgung der Bevölkerung streiten. Und auch streiken, wie es die Entlastungstreiks in 17 großen Kliniken in den letzten Jahren gezeigt haben.