Rote Fahne 25/2020

Rote Fahne 25/2020

Zum Tod von Jan Myrdal: „Die Kulturrevolution war eine großartige Entwicklung“

Am 30. Oktober 2020 starb im Alter von 93 Jahren der große schwedische Schriftsteller, Reporter und Kommunist Jan Myrdal. Mit seinem Buch „Berichte aus einem chinesischen Dorf – Liu Lin 1962 bis 1981“ wurde er international bekannt

Von (hi)
Zum Tod von Jan Myrdal: „Die Kulturrevolution war eine großartige Entwicklung“
Jan Myrdal (1927—2020), Schriftsteller, Reporter, Kommunist – im Jahr 2011, Foto: Gautham Navlaka / CC BY 3.0

Das Buch zu Liu Lin wurde in Deutschland vom Verlag Neuer Weg herausgegeben (erste Auflage 1985). „Myrdal zeigt beispielhaft, wie sich das Leben für die überwältigende Mehrheit des chinesischen Volkes wandelte“, schrieben die Herausgeber im Vorwort. „Zielgerichtet wurden Hunger, Elend und Analphabetentum beseitigt. Die Bewohner Liu Lins berichten anschaulich, wodurch das möglich wurde: durch die massenhafte Mobilisierung der Arbeiter und Bauern, durch ihren Einsatz für den Aufbau des neuen Chinas.“

 

Jan Myrdal war konsequenter Antiimperialist, Kenner des sozialistischen Aufbaus in China, Anhänger der Mao-Zedong-Ideen und der Großen Proletarischen Kulturrevolution. Gemeinsam mit seiner Frau Gun Kessle machte er sie weltweit populär.

 

Seine Eltern, Alva und Gunnar Myrdal, waren beide Nobelpreisträger und führende schwedische Sozialdemokraten, die fleißig an der Lebenslüge vom „schwedischen Wohlfahrtsstaat“ mitstrickten. Jan Myrdal hat das Wesen der schwedischen Sozialdemokratie hautnah erfahren. Als er sich mit dem Befreiungskampf in Vietnam und in Palästina solidarisierte und die schwedische Außenpolitik kritisierte, brach seine Mutter den Kontakt ab. Sie wollte Außenministerin werden. So ein Sohn war nicht gut für die Karriere. Seine Abrechnung „Eine Kindheit in Schweden“ nahm den Vorzeigeeltern den Nimbus.

 

In einem Gespräch mit der Roten Fahne 2012 auf der Leipziger Buchmesse erzählte Jan Myrdal: „Ich war aus Überzeugung Mitglied im Kommunistischen Jugendverband seit dem Frühjahr 1943. 1944 war ein großer Kongress. Ich war Referent für Studentenfragen. Wir haben eine starke antifaschistische Arbeit gemacht. Wir haben mit antifaschistischen und kommunistischen Postarbeitern die Auslieferung faschistischer Zeitungen verhindert.“ Wenn wir das in der Roten Fahne schreiben, meinte er, sollen wir es so bringen, dass man sie nicht noch verfolgt und bestraft. Nun, posthum ist diese Gefahr gebannt.

 

Myrdal berichtete weiter: „Wir haben Bücher über die Greueltaten der Nazis publiziert, nicht die Sozialdemokraten. Die antifaschistische Arbeit war unser Schwerpunkt in der Jugendarbeit. Ich war in Berlin, später in Moskau. Ich war gut befreundet mit Willi Bredel.1 Ich habe viel mit ihm gesprochen.

 

Ab 1953 habe ich literarisch gearbeitet. Als Journalist habe ich schon mit 17 begonnen. Ich habe über Osteuropa, Jugoslawien, die DDR berichtet. Ab 1957 habe ich über Asien gearbeitet. Zentralasien hat mich interessiert, die dritte Welt, die Entwicklung in der Sowjetunion. Die Entwicklung war sehr ernst. Wegen meines Buchs über Turkmenistan wurde ich in der DDR angefeindet. Die DDR war nicht selbständig. Man sollte angeblich die realen Probleme des Sozialismus beschreiben, wenn man es aber tat, war es nicht genehm.

 

Ab 1952 gab es eine Zusammenarbeit mit chinesischen Freunden. Wir kamen einander sehr nahe. Eine Konferenz 1960 in Moskau verurteilte den chinesischen Weg. Die schwedische Kommunistische Partei hat China damals nicht verdammt. Mit einer Delegation von 16 Kommunisten aus Schweden waren wir in China. Ich kam 1963 nach Schweden zurück. Meine und meiner Frau Erfahrungen in der dritten Welt zeigten uns, dass die Sowjetunion auf dem falschen Weg war, dass die kommunistischen Parteien Europas auf dem falschen Weg waren. Sie förderten die Befreiungskämpfe nicht.

 

Die Kulturrevolution in der VR China, das war eine großartige Entwicklung. Kulturrevolution bedeutete nicht, wie es heute zum Teil behauptet wird, dass wahnsinnige Studenten aufeinander schießen. Die Zeit der Kulturrevolution war eine tolle Zeit. Ein hervorragendes Gesundheitswesen wurde aufgebaut, alles gestützt auf die Initiative der Massen. Es war eine Entwicklung im Dienste des Volkes. Wir lebten mit den Menschen in Liu Lin. Wir waren tief beeindruckt. So etwas hatte es noch nie gegeben.“

 

Trotz antikommunistischer Anfeindungen hielt Jan Myrdal zeitlebens an dieser Haltung fest. Die Vorgänge nach dem Tod von Mao Zedong verunsicherten und enttäuschten ihn. Er erkannte nicht, dass hier der Kapitalismus restauriert wurde und China sich zu einem sozialimperialistischen Land entwickelte. 1989 unterstützte er zunächst die Proteste in Peking als berechtigt. Dann aber rechtfertigte er ihre Unterdrückung, weil er sie fälschlich als Methode der Destabilisierung eines noch sozialistischen Staates interpretierte. Bei all seinen Verdiensten, seinen vielfältigen Erfahrungen, gehört zu seiner Würdigung auch die Kritik, dass er, der mehr als 80 Bücher schrieb, die theoretische und die weltanschauliche Arbeit unterschätzt hat.

 

Im Alter von 85 Jahren war er noch in Indien im Dschungel („meine Knie wollen nicht mehr so recht“) und unterstützte die indigene Bevölkerung in ihrem Kampf gegen die zynisch „Green Hunt“ genannte Vernichtungsstrategie der indischen Regierung. In dieser Erfahrung entstand sein Buch „Roter Stern über Indien“ – 30 Jahre nach „Indien bricht auf“, seinem ersten Indienbuch.

 

Jan Myrdal hat dem antiimperialistischen Befreiungskampf und dem Ansehen des Sozialismus und der Kulturrevolution einen unauslöschlichen Dienst erwiesen.