Rote Fahne 18/2020

Rote Fahne 18/2020

„Corona-Fehlalarm?“

„Corona-Fehlalarm?“ heißt das Taschenbuch der Professoren Sucharit Bhakdi und Karina Reiss. Den „Hygiene-Demos“ dienen diese Pseudo-Wissenschaftler als vermeintlich wissenschaftliche Kronzeugen. Tatsächlich arbeiten sie mit Fake News und sind entweder vorsätzlich oder grob fahrlässig für den Tod vieler Menschen verantwortlich

Von (gb)
„Corona-Fehlalarm?“
Foto: Bao_5 / Pixabay / Pixabay-License

Professor Bhakdi ist Mikrobiologie und Infektionsepidemologe, leitete 22 Jahre das Mikrobiologie- und Hygieneinstitut der Uni Mainz und ist jetzt im Ruhestand. Frau Professor Reiss ist Biologin und Biochemikerin und arbeitet im Labor der Universitäts-Hautklinik Kiel. Beide haben eine Gemeinsamkeit: Mit Covid-19-Patienten haben sie in der Praxis nichts zu tun. Der Bewegung der „Hygiene-Demos“ dienen sie als wissenschaftliche Kronzeugen für die angebliche Harmlosigkeit des Virus. Maskentragen und Impfung wird als überflüssiger Unsinn diffamiert und allen Ernstes der „Herdenimmunität“ das Wort geredet.1 Angeblich würden die Masken Viren nicht zurückhalten. Hier wird mit der Viruspartikelgröße von 0,16 Mikrometer argumentiert, aber verschwiegen, dass die Viren bei einer Tröpfcheninfektion ja an viel größere Tröpfchen gebunden sind und Schutzmasken auch einer Aerosol-Übertragung einschränken. Also, liebe Buchautoren, sollten Sie mal operiert werden, dann von einem OP-Team ohne Mundschutz! Oder doch nicht?

 

Dem PCR-Nachweistest („Abstrich-Test“) wird unterstellt, er liefere „reihenweise“ falsch positive Ergebnisse. Diese Behauptung ist nachweislich falsch. International gibt es einige schlechte Tests mit einer Trefferquote von nur 95 Prozent. Der in Deutschland übliche, von Christian Drosten entwickelte Test hat aber in Ringversuchen nachweislich 99,9 Prozent Trefferquote.2 Die Gefahr ist eher eine falsch negative Testung durch falschen Zeitpunkt des Abstrichs. Dass Menschen ohne Symptome positiv getestet werden, spricht für ihr Immunsystem, nicht gegen den Test!

 

Wirklich nur ein gewöhnliches Virus?

 

Die Autoren behaupten, dass SARS-CoV-2 nur bei älteren und schwerkranken Menschen tödlich verläuft, während das Grippevirus (Influenza) auch bei jungen Menschen tödlich verlaufen könne und bei Grippewellen die Todeszahlen höher liegen würden wie bei der SARS-CoV-2-Pandemie. Erstaunlicherweise „belegen“ sie diese kühne These mit Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI), dem sie ansonsten – teils berechtigt – eine irreführende Statistik vorwerfen. Dabei wurde die Zahl der Grippetoten nie wissenschaftlich ermittelt, sondern rein statistisch „angenommen“. Und gegen Grippe kann geimpft werden!

 

Ausgeblendet: die neuartige Pathophysiologie des Virus

 

Ja, SARS-CoV-2 ist kein „Killervirus“ wie MERS. Da immer noch kein ausreichender Überblick über die Dunkelziffer und damit die Gesamtzahl der Infizierten vorliegt, schwanken die Werte eines tödlichen Ausgangs zwischen 0,4 und 4 Prozent der Infizierten. Dass weltweit viele Menschen an CoV-2 sterben und gar nicht als solche identifiziert werden, blenden die beiden bürgerlichen Wissenschaftler aus. Das liegt einmal daran, dass in vielen Ländern nur sehr wenig getestet und die Statistik beschönigt wird. Und daran, dass CoV-2 so gut wie alle Organe befallen kann, von Herz über Niere bis zum Gehirn, dass es eine Entzündung der Gefäßinnenwände auslöst. Das bedeutet: Viele unter der Diagnose Herzinfarkt, Schlaganfall oder Lungenembolie verstorbene Menschen sind in Wahrheit an CoV-2 verstorben, ohne dass dies überhaupt so erfasst wurde. „Übersehen“ wird von den beiden Autoren der dramatische Verlauf, den die Pandemie weltweit nimmt. „Übersehen“ wird auch die Tatsache, dass bei zahlreichen Patienten – auch unter den fälschlich als negativ Getesteten und unter den scheinbar „Genesenen“ – oftmals dauerhafte Schädigungen festzustellen sind.

 

Geschickt wird berechtigte Kritik an politisch motivierten Einschränkungen im Rahmen der Rechtsentwicklung der Regierung aufgegriffen, um daraus dann eine gefährliche Fehleinschätzung der Coronakrise zu konstruieren: „Es ist knapp 90 Jahre her, dass die Meinungsfreiheit abgeschafft wurde und die Volksmeinung gleichgeschaltet wurde. … Wenn wir aus den dunkelsten Zeiten der Geschichte eins gelernt haben sollten, dann doch dieses: Wir dürfen nie wieder gleichgültig sein und wegschauen. Diesmal stand nur ein gewöhnliches Virus vor der Tür …“.3

 

Die Gleichsetzung der Maßnahmen der Bundesregierung mit der Hitler-Diktatur ist politisch blanker Unsinn und eine massive Verharmlosung der faschistischen Terrorherrschaft. Das Gesellschaftssystem spielt für sie keine Rolle. Von einer tiefen Weltwirtschaftskrise, chronischen Umweltkrise etc. haben sie anscheinend nie gehört. Das Buch ist durch und durch von einem massiven Eklektizismus und Positivismus gekennzeichnet: Alle Fakten, die dem eigenen Standpunkt widersprechen, werden ignoriert. Den Monopolverbänden kann es mit den Lockerungen nicht schnell genug gehen. Deswegen hievt man dann ein Buch, das von Pseudowissenschaft trieft, auf Platz 1 der Bestsellerliste. Wie tief können bürgerliche Wissenschaftler sinken … Achtung – Täuschungsalarm!