Rote Fahne 16/2020

Rote Fahne 16/2020

Sein Werk gehört dem Volk

Mikis Theodorakis zum 95. Geburtstag

Von (gis)
Sein Werk gehört dem Volk
Mikis Theodorakis, Foto: shutterstock

Am 29. Juli 2020 wird der griechische Komponist und Revolutionär Mikis Theodorakis 95 Jahre alt. Mit seiner Musik hat er seinen Landsleuten und den Völkern der Welt ein großartiges, ein unsterbliches Geschenk gemacht. Theodorakis’ Lieder, seine Oratorien, seine Filmmusiken und sein symphonisches Werk sind Volksmusik in ihrem besten Sinne. Sie sind durchdrungen mit dem Kampf des griechischen Volks und der Sehnsucht der Unterdrückten nach einer besseren Welt.

 

Am 9. Mai 2020 stand Mikis Theodorakis, der sonst zurückgezogen in Athen lebt, mit Konstantin Wecker auf der Kulturbühne des Bayerischen Rundfunks. Anlässlich des 75. Jahrestags der Befreiung vom Hitler-Faschismus gaben sie ein Konzert mit antifaschistischen Liedern, zu hören und zu sehen im Livestream.

 

Von der Junta verboten

 

Die Generäle der Militärjunta ordneten im Juni 1967 im berüchtigten „Befehl Nr. 13“ an: „… dass im ganzen Land verboten sind das allgemeine Senden oder Verbreiten der Kompositionen des Kommunisten Mikis Theodorakis, ehemals Führer der bereits aufgelösten kommunistischen Organisation ‚Lambrakis-Jugend‘ … Zuwiderhandelnde werden vor ein Militärgericht gestellt und entsprechend den Notstandsgesetzen bestraft werden.“

 

Die „Lieder für die Patriotische Front“ waren sieben Jahre lang musikalische und moralische Unterstützung für den Widerstandskampf gegen die Militärjunta. In vielen europäischen Ländern war „Die Volksfront ruft zum Widerstand – kein Grieche für die Junta!“ zur Hymne für die Solidarität mit dem griechischen Volk geworden. Mikis Theodorakis selbst war am Vorabend des faschistischen Putsches untergetaucht, wurde im August 1967 verhaftet und verbrachte bis zu seiner Flucht nach Paris Monate und Jahre in Gefängnissen, Konzentrationslagern und in einem abgelegenen Bergdorf unter Hausarrest. Seine Schaffenskraft war ungebrochen. Selbst im Hauptquartier der Sicherheitspolizei Asphalia komponierte er. Auf die Frage, warum er ob der brutalen Folter niemals aufgab und verzweifelte, antwortete er, dass die Musik im Kopf ihn immer davor bewahrte. 1974 gelang es den Massen, die Junta zu stürzen. Mit einem großen Theodorakis-Konzert wurde das gefeiert.

 

Unbeugsamer Kämpfer im Bürgerkrieg

 

Bereits in jungen Jahren nahm Mikis Theodorakis an den Kämpfen seiner Zeit teil, zuerst am antifaschistischen Widerstand gegen die italienische Invasion und die Besatzung durch die faschistische deutsche Wehrmacht. Von 1944 bis 1949 als kommunistischer Kämpfer im griechischen Bürgerkrieg. Mehrfach wurde er verhaftet, verbannt, ins Gefängnis geworfen und schließlich auf Makronissos in die „Abteilung der Verstockten und Hartgesottenen“ verlegt. Er blieb unbeugsam und unterschrieb selbst unter brutaler Folter die „Reue-Erklärung“ nicht, die der griechische Staat von den Kommunisten verlangte.

 

Der bewaffnete Kampf gegen den englischen Imperialismus und die eigene Bourgeoisie wurde nach der Niederlage in Griechenland jahrzehntelang und bis heute verteufelt. Theodorakis hielt, trotz auftretender Zweifel und Irrtümern, stand. Mit Leidenschaft verteidigte er seine Genossen und den bewaffneten Kampf gegen antikommunistische Attacken. Im Jahr 2006 gehörte er zu den ersten, die entschieden Position bezogen gegen die Entschließung des Europarats, wonach die gesamte neuere Geschichte im Sinne des Antikommunismus umgeschrieben werden sollte. Sozusagen ein Schirmherr der Bewegung „Gib Antikommunismus keine Chance!“

 

Durchdringung von Volksmusik und Literatur

 

Mikis Theodorakis schöpfte aus der griechischen Volksmusik. Er setzte in seinen Kompositionen, auch in Symphonien und Oratorien, das Bouzouki ein und schockierte damit in den 1960er-Jahren die griechischen Intellektuellen. Sein erster Liederzyklus „Epitaphios“ ist die Totenklage einer Mutter, die um ihren beim Tabakarbeiterstreik 1936 von der Polizei ermordeten Sohn trauert: Verse des großen griechischen Dichters Ioannis Ritsos, vertont von Mikis Theodorakis, in den charakteristischen Tanzrhythmen der Rembetika geschrieben. Und so ertönten „An einem Maientag“ und „Wohin ist mein Junge geflogen“ aus jeder Musik-Box in Athen, Thessaloniki, Igoumenitsa und auf den Inseln. Kongenial auch seine Zusammenarbeit mit der wunderbaren Sängerin Maria Farantouri, die 1965 in Athen den „Zyklus von Mauthausen“ sang und unzählige Konzerte mit Theodorakis bestritt, und mit dem chilenischen Dichter Pablo Neruda, dessen von Theodorakis vertonter „Canto General“ Menschen weltweit begeistert.

 

Zeitlebens lag ihm besonders am Herzen, einen Beitrag für das friedliche Zusammenleben der Menschen in Griechenland und der Türkei zu leisten. Seine beiden Grundleidenschaften, so Theodorakis, verdanke er seiner Herkunft, „die eine für das Revolutionäre und die Politik, die andere für die Musik.“ Mit diesen Grundleidenschaften schuf Mikis Theodorakis ein einzigartiges Werk. Herzlichen Glückwunsch zum 95. Geburtstag!