Rote Fahne 15/2020

Rote Fahne 15/2020

Rückkehr zum schulischen Regelbetrieb: Alles „wissenschaftlich“ begründet?

Die meisten Schulkinder und ihre Eltern warten sehnlichst darauf, dass der Schulbetrieb wieder losgeht. Bei Beachtung umfassender Schutzmaßnahmen ist das auch jetzt schon möglich. Am 17. Juni einigten sich Bundeskanzlerin Merkel und die Ministerpräsidenten der Länder darauf, „nach den Sommerferien in den schulischen Regelbetrieb zurückzukehren. Doch die wissenschaftlichen Grundlagen sind fragwürdig

Von (tn)
Rückkehr zum schulischen Regelbetrieb:  Alles „wissenschaftlich“ begründet?
Öffnung von KiTas und Schulen: Hohes Risiko für die Gesundheit, Foto: Energie-Agentur NRW / CC BY 2.0

Schon im Mai forderten die Unternehmerverbände im Auftrag der führenden Monopole ultimativ die Zurücknahme von Corona-bedingten Einschränken, besonders die Wiederaufnahme der Produktion in den Betrieben. Dazu müssen die Kinder natürlich wieder zur Schule gehen – die Eltern sollen schließlich arbeiten.

 

Am 12. Juni fand in Hamburg ein Gespräch statt zwischen Bildungsministern und Bildungsstaatssekretären aus neun Bundesländern mit führenden Wissenschaftlern über die Situation und weitere Entwicklung an den Schulen. Hamburgs Schulsenator Ties Rabe (SPD) fasste die Ergebnisse dieses Treffens so zusammen: „Die Wissenschaftler haben überzeugend deutlich gemacht, dass insbesondere Kinder von der Pandemie kaum betroffen sind und es an der Zeit ist, die Schulen für die Kinder wieder zu öffnen.“ Mehrere wissenschaftliche Studien über die Verbreitung der Krankheit hätten – so die Wissenschaftler – klar gezeigt, „dass die Corona-Krankheit bei Kindern und Jugendlichen erheblich milder verläuft. Im Vergleich zu Erwachsenen infizieren sich jüngere Menschen seltener. Entscheidend aber ist, dass sie die Krankheit kaum auf andere übertragen würden. Dieser Aspekt ist besonders wichtig, weil die Schließung der Schulen vor allem darin begründet wurde, dass Kinder sich über ihre Schulkontakte infizieren und dann die Krankheit an ihre Eltern und Verwandten zu Hause übertragen könnten. Das Gegenteil scheint der Fall.“ Die Wissenschaftler verwiesen darauf, dass sich viele Kinder eher bei Erwachsenen in der Familie anstecken, als umgekehrt. Auch die Ansteckung bei anderen Kindern sei eher unwahrscheinlich.

 

Während etwa die Landeselternkonferenz NRW befürchtet, es drohe eine Vollkatastrophe, wenn nun ohne Abstandsregelungen unterrichtet werden solle, scheint „die Wissenschaft“ zu anderen Erkenntnissen gekommen zu sein. Ist das so?

 

Der Virologe Christian Drosten meint, die wirkliche Gefährdung der Kinder könne im Moment noch gar nicht eingeschätzt werden: Im Moment hätten Kinder einen unnatürlich eingeschränkten Kontakt, das würde die Ergebnisse von wissenschaftlichen Untersuchungen deutlich verzerren. Das bedeutet: Die vollmundig erklärten „wissenschaftlichen Erkenntnisse“ beruhen in Wirklichkeit auf der willkürlichen Übertragung von Erkenntnissen, die unter den oben genannten Einschränkungen gemacht wurden, auf die Situation, die bei voller Öffnung der Schulen gegeben ist. Ehrlich wäre es, wenn Wissenschaftler und Politiker sagen: Wir wissen nicht, was dann passiert.

 

Es bestätigt sich die Einschätzung, die dem „Forderungsprogramm des Jugendverband REBELL und der MLPD zur Öffnung von Schulen und Kitas“ zugrunde liegt, dass die Regierungen eine unverantwortliche Politik bei der Öffnung der Schulen betreiben. Sie gehen ein hohes Risiko ein, dass es zu massiven Ausbrüchen kommt. Sie geben vor, dass sie dabei auf „die Wissenschaft“ hören. Dabei kommen die üblichen Virologen zu immer widersprüchlicheren Aussagen. Die bürgerlichen Politiker rechtfertigen schon vorher gefassten Entschlüsse – nämlich im Interesse der Monopole eine vollständige Öffnung der Schulen auch bei hohem Risiko für die Gesundheit der Schüler, Lehrer, Eltern und vieler anderer zu betreiben.

 

Notwendig sind stattdessen eine regelmäßige Hygieneerziehung sowie die Gewährleistung sorgfältiger Hygiene in allen Klassen, auf Fluren und in Sanitäranlagen. Gebraucht werden Schutzmasken für alle und systematische Tests, auch für Lehrer vor Wiederaufnahme des Schulbetriebs. Kleine beständige Lerngruppen von maximal zehn Schülern sowie rollierende Gruppen können sinnvoll sein. Dazu muss dringend mehr Personal eingestellt werden. Das fordern MLPD und REBELL in ihrem Programm.