Rote Fahne 14/2020
Der Warschauer Aufstand – Hunderttausende Opfer des Antikommunismus
Am 1.August 1944 begann in Warschau ein Aufstand der Bevölkerung gegen die deutsche Besatzung. Er wurde nach 63 Tagen von deutschen Truppen niedergeschlagen. Bürgerliche Historiker und Politiker behaupten, die sowjetische Rote Armee hätte am Ostufer der Weichsel Halt gemacht und die Aufständischen bewusst im Stich gelassen. Was geschah damals wirklich?
Der Aufstand wurde von der selbst ernannten polnischen Exilregierung in London initiiert, die Warschau mit Kräften der von ihr kontrollierten Armia Krajowa1 (AK) unter Kontrolle bringen wollte. Die Exilpolen, die extrem antikommunistisch waren, wollten eine Befreiung Polens durch die Rote Armee verhindern. Nach Kriegsende sollte die bürgerliche Vorkriegsordnung in Polen wiederhergestellt werden.
Als Tadeusz Bor-Komorowski, der Oberbefehlshaber der AK, den Befehl zum Aufstand gab, betrug deren Gesamtstärke 16.000 Mann, die nur über 3500 Handfeuerwaffen verfügten. Schwere Waffen gab es nicht. Der Aufstand selbst begann unkoordiniert. Die Sowjetregierung wurde überhaupt nicht informiert. Im Gegenteil. Die polnische Seite tat alles, um ihr Vorgehen geheim zu halten. Man glaubte, schnell vollendete Tatsachen schaffen zu können. Ministerpräsident Stanislaw Mikolajczik, der sich in Moskau aufhielt, sagte am 31. Juli, man habe den Plan eines allgemeinen Aufstands „erwogen“.
Es war der britische Premierminister Winston Churchill, der J.W. Stalin am 4. 8. 1944 über die Vorgänge informierte. Stalin antwortete ihm: „Die Armia Krajowa … hat weder Artillerie, Flugzeuge noch Panzer. Ich kann mir nicht vorstellen, wie solche Abteilungen Warschau einnehmen wollen, das die Deutschen mit vier Panzerdivisionen … verteidigen.“ 2 Mikolajczik informierte Stalin erst am 9. August. Er erklärte, dass die Aufständischen dringend Waffen brauchten. Es fehlten aber direkte Verbindungen zu den Kämpfern und die für eine Versorgung notwendigen Angaben über deren Stellungen in Warschau. Der Stab der AK hatte erst am 15. September eine direkte Verbindung zur Roten Armee hergestellt: „Nun konnten wir die Aufständischen … systematisch und intensiv versorgen.“ 3 *
Die Rote Armee hat getan, was sie konnte, um die Aufständischen zu unterstützten. Eine erfolgreiche Angriffsoperation an der gesamten Front im Raum Warschau gelang aber nicht. Die faschistischen Truppen schlugen alle Versuche zurück. Die sowjetischen Truppen hatten, bis sie im Raum Warschau standen, zweimonatige pausenlose Kämpfe hinter sich. Die Soldaten waren erschöpft und die Truppen durch Verluste sehr geschwächt. Sie mussten erst aufgefüllt und Nachschub herangeschafft werden.
Am 10. September eröffnete die 47. Armee und die 1. Polnische Armee, die an der Seite der Roten Armee kämpfte, den Angriff. Es gelang am 13. September, in Praga (Stadtteil von Warschau) einzudringen. Die Weichsel aus der Bewegung zu überqueren, gelang nicht, weil die Deutschen die Brücken gesprengt hatten. Soldaten der 1. Polnischen Armee wurden nach Czerniakow am Westufer der Weichsel übergesetzt. Diese Einheiten konnten die Deutschen aber nicht zurückdrängen und waren am 21. September vernichtet. Weil es nicht gelang, den Widerstand der Deutschen zu brechen, wurde beschlossen, die restlichen polnischen Truppen vom Westufer zurückzuholen. Die Rote Armee ging am Ostufer der Weichsel zur Verteidigung über. Sie hat also nicht abgewartet, wie behauptet wird. In Warschau begannen die Deutschen am 28. September den letzten Angriff. Die Aufständischen wehrten sich erbittert, wurden aber besiegt. Viele wurden sofort erschossen oder später in KZs gebracht. Nur wenige gelangten auf das Ostufer der Weichsel zur Roten Armee. Während des gesamten Aufstandes begingen die deutschen Truppen schwerste Kriegsverbrechen. Auf das Konto zum Beispiel von SS-General Heinz Reinefahrt, bis 1964 Bürgermeister auf Sylt, gehen 15 000 Tote. Bestraft wurde er in der BRD nie!
Vor allem durch die Teilnahme der Warschauer Bevölkerung hat der Aufstand enorm an Kraft gewonnen. Der Hass auf die faschistischen Besatzer war sehr groß. Selbstlos und mit Todesverachtung haben die Menschen gekämpft. Sie hofften auf die Unterstützung der Roten Armee, wussten aber nicht, dass die Exilpolen andere Ziele verfolgten. 200.000 Kämpfer und Zivilisten sind für deren reaktionäre Politik sinnlos gestorben. 500.000 Menschen wurden aus der Stadt vertrieben, in KZs gebracht, zur Zwangsarbeit verschleppt und Warschau wurde weitgehend zerstört. Das verbrecherische Vorgehen der Exilpolen wird von den bürgerlichen Politiker im heutigen Polen gerechtfertigt. Man war den Deutschen zwar hoffnungslos unterlegen, der Aufstand sei aber unerlässlich gewesen.4
General Sergei Schtemenko berichtet, dass die Ereignisse in Warschau mehrmals im Hauptquartier in Moskau besprochen wurden. Das leidgeprüfte Warschau wurde „keinen Augenblick“ vergessen. Stalin sagte, niemand werde „der Sowjetregierung vorwerfen können, sie leiste dem polnischen Volk und damit auch Warschau zu wenig Hilfe“. 5 Ein Viertel Polens sei befreit (1944). Das sei das Werk der sowjetischen Truppen, deren Blut für die Befreiung Polens floss. Diese historische Wahrheit gilt es zu verteidigen.