Rote Fahne 05/2020
Für ein fortschrittliches Betriebsverfassungsgesetz!
Vor hundert Jahren, am 4. Februar 1920, trat das erste Betriebsrätegesetz in Kraft
1918 hatten Arbeiter- und Soldatenräte in der Novemberrevolution den Kaiser gestürzt und den Kampf für eine sozialistische Räterepublik nach dem Vorbild der Sowjetunion geführt. Weil eine starke revolutionäre Führung fehlte1, gelang es den Monopolen, adligen Junkern und reaktionären Militärs, die Revolution mithilfe der sozialdemokratischen Führer durch Reichswehr und Freikorps blutig niederzuschlagen. Die Herrschenden waren aber gezwungen, mit der Errichtung einer bürgerlichen Demokratie eine Reihe von Zugeständnissen zu machen, unter anderem auch die Gewerkschaften als Verhandlungspartner anerkennen. Unter der Masse der Arbeiter aber war die Rätebewegung nach wie vor lebendig, und der Einfluss der KPD und linker Kräfte in der Unabhängigen SPD (USPD) wuchs.
Mit einem Betriebsrätegesetzes der Reichsregierung Bauer (SPD) hoffte die Reaktion, sich die von den Arbeitern geschaffenen Betriebsräte unterordnen und den sozialistischen Rätegedanken ausmerzen zu können. Das Gesetz räumte den Betriebsräten zwar gewisse Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte in sozialen und personellen Angelegenheiten ein. Kern aber war die „Unterstützung des Arbeitgebers in der Erfüllung der Betriebszwecke“ (Artikel 1). Dieses reaktionäre Gesetz wurde von den Arbeitern heftig bekämpft. Zur zweiten Lesung am 13. Januar 1920 im Reichstag riefen KPD, USPD und die Zentrale der revolutionären Berliner Betriebsräte zu einer Protestversammlung vor dem Reichstag auf: „Heraus zum Kampf gegen das Betriebsrätegesetz, für das revolutionäre Rätesystem!“ Weit über 100 000 Arbeiterinnen und Arbeiter folgten dem Aufruf, marschierten aus den Betrieben zum Reichstag. Der anwesende preußische SPD-Innenminister, Wolfgang Heine, ließ die paramilitärische Sicherheitspolizei aufmarschieren. Mit der Begründung, eine Stürmung des Parlaments zu verhindern, gab er den Befehl, auf die unbewaffnete Menge zu schießen. Dabei wurden 42 Arbeiter ermordet und über 100 verletzt.
Die Arbeiter verloren zwar diesen Kampf, er war aber auch eine Schule für den heldenhaften Kampf gegen den faschistischen Kapp-Lüttwitz-Putsch, der im März 1920 folgte. Mit einem Generalstreik und vor allem durch den bewaffneten Kampf machten die Arbeiter den Putsch zunichte. Mit der Errichtung des Faschismus 1933 beseitigte Hitler das Betriebsrätegesetz.
Nach dem II. Weltkrieg verabschiedete die Adenauer-Regierung 2 (CDU) 1952 das Betriebsverfassungsgesetz. Wie beim Betriebsrätegesetz von 1920 sollen die Betriebsräte zur vertrauensvollen Zusammenarbeit mit dem Unternehmer „zum Wohle der Arbeitnehmer und des Betriebes“ verpflichtet werden. Wie soll das gehen, wenn das „Wohl des Betriebes“ die Steigerung der Profite durch die Ausbeutung der Arbeiter ist, das „Wohl der Arbeiter“ aber der Kampf gegen die Ausbeutung und ihre Abschaffung? Außerdem sollten die Betriebsräte zur absoluten Friedenspflicht, Unterlassung parteipolitischer Betätigung im Betrieb, zur Geheimhaltepflicht und so weiter verpflichtet werden.
Gegen das reaktionäre Adenauer-Gesetz mobilisierten die Gewerkschaften 1952 Hunderttausende zu Demonstrationen und Warnstreiks. Die Drucker und Setzer streikten vom 27. bis 29. Mai. Die DGB-Führung kapitulierte jedoch vor der Adenauer-Regierung, die dem DGB im Falle eines Generalstreiks Bruch der Verfassung vorwarf. Das Adenauer-Betriebsverfassungsgesetz wurde 1972 und 2011 novelliert, ohne den reaktionären Charakter des Gesetzes zu ändern.
Der IG-Metall-Vorstand lobt auf seiner Webseite das Betriebsrätegesetz von 1920. Er fordert eine „Weiterentwicklung“ des bestehenden Betriebsverfassungsgesetzes durch eine „Erweiterung der Mitbestimmung“ des Betriebsrates.3 Damit bleibt der reaktionäre Kern des Gesetzes unangetastet. Willi Dickhut schrieb 1973 dazu: „Mit Ausnahme der Mitbestimmung auf Löhne und Arbeitsbedingungen, die die Arbeiter sich im hundertjährigen Kampf erzwungen haben, sind alle anderen ‚Mitbestimmungs‘-Forderungen unter der Alleinherrschaft der Bourgeoisie Illusion und ein Betrugsmanöver.“4
Die MLPD und ihre Vorläufer fordern seit ihrer Gründung den Kampf um ein fortschrittliches Betriebsverfassungsgesetz, mit den Hauptforderungen: Weg mit der Schweige- und Friedenspflicht für Betriebsräte! Freie gewerkschaftliche und politische Betätigung im Betrieb! Für ein vollständiges und allseitiges gesetzliches Streikrecht! Stärkung der Rechte der Jugendvertretung! Der Kampf darum ist angesichts der Rechtsentwicklung und der akuten faschistischen Tendenz heute notwendiger denn je und muss in den Gewerkschaften mehr zum Thema werden.
Die beste Bedingung, um die komplizierte Aufgabe der Betriebsratsarbeit zu lernen, Rückgrat zu beweisen, in jeder Situation klaren Kurs zu halten und den notwendigen solidarischen Rückhalt zu bekommen, ist es, sich in einer Betriebsgruppe der revolutionären Arbeiterpartei MLPD zu organisieren.