Rote Fahne 02/2020
Lieferengpässe bei Arzneimitteln – wo liegen die Ursachen?
Leere Schubladen und die Auskunft in den Apotheken „nicht lieferbar“ nehmen zu. Betroffen sind Antibiotika, Krebsmittel, Impfstoffe, Psychopharmaka, Blutdruckmedikamente und Schmerzmittel
„Ein Missstand, der nicht mehr hinnehmbar ist“ – so titelt das „Deutsche Ärzteblatt“ Nr. 45/2019 zu den zunehmenden Lieferengpässen bei Arzneimitteln. Manche Medikamente sind insgesamt wie vom Erdboden verschwunden, bei anderen fehlen gewisse Packungsgrößen, Dosierungen oder Darreichungsformen, zum Beispiel Tropfen. Das macht nicht nur einen Riesenstress in Apotheken, Arztpraxen und Krankenhäusern, sondern ist für viele Patienten eine echte Gesundheitsgefährdung.
60 Prozent der befragten Apotheker gaben an, inzwischen mehr als 10 Prozent ihrer Arbeitszeit für die Lösungssuche bei den Engpässen aufzuwenden.
90 Prozent der Arzneimittel-Grundstoffproduktion findet in Indien und China statt
Inzwischen werden 90 Prozent der internationalen Arzneimittel-Grundstoffproduktion in Indien und China durchgeführt. Ein weltweiter Konzentrationsprozess unter den Pharmamonopolen sorgt dafür, dass nur noch wenige Hersteller sich auf die einzelnen Wirkstoffe spezialisiert haben. Kommt es zu Produktionsproblemen oder werden Chargen wegen Verunreinigungen oder anderen Qualitätsmängeln gesperrt, bricht international die Lieferkette zusammen.
Insider der Pharmaindustrie berichten über Verunreinigung mit Maschinenöl, krebserzeugenden Nitrosaminen, Benzin als Lösungsmittel usw. Diese Stoffe werden nicht mehr penibel genug aus der Wirksubstanz herausgereinigt. Hier wird der Zwang der Monopole, Maximalprofite für die Vorherrschaft am Weltmarkt zu erzielen, als Triebfeder und Hauptursache erkennbar.
Aber auch die Politik der Krankenkassen, durch Rabattverträge die Preise zu drücken, und die Discounter-Methoden der großen Krankenhausketten sorgten dafür, dass zum Beispiel die Herstellung von Antibiotika in Deutschland nicht mehr „profitabel“ genug war: Die letzte Produktionsstätte in Deutschland für Antibiotika wurde deshalb in Frankfurt-Hoechst geschlossen. Allerdings führt diese Politik keineswegs zu sinkenden Preisen für die Arzneimittel-Konsumenten. Im Gegenteil. Es wächst dadurch nur die Profitspanne der Konzerne und Krankenhausketten.
„Seit gut einem Jahrzehnt haben Lieferdefizite in einem in den 50 Jahren zuvor unbekannten Ausmaß zugenommen“, schreibt die kritische Fachzeitschrift arznei-telegramm (at). „Der gemeinsame Nenner ist der oben erwähnte Drang, Kosten einzusparen, koste es was es wolle.“ An anderen Stellen schaffen es die Pharmamultis nach wie vor, immense Raubprofite zu erzielen, wie mit Krebs- und Rheumamitteln, die pro Patient Jahresumsätze und -gewinne von mehreren Zehntausend Euro garantieren. Auf dem großen und wachsenden Markt der Selbstmedikation werden die Preise ebenfalls hochgetrieben.
Das at weist auf weitere Probleme der Arzneimittelsicherheit hin: manipulierte Studien, verharmlosende und irreführende Werbung, gezielte Beeinflussung der ärztlichen Fortbildung durch die Pharmaindustrie und zunehmende Qualitätsprobleme der Arzneimittel. „Es besteht dringender Handlungsbedarf.“ (at 11/19). Hier sind sich Experten und Betroffene einig. Empfohlen wird unter anderem, dass eine nationale Arzneimittelreserve eingerichtet werden soll, lebensnotwendige Arzneimittel vom Rabattierungszwang ausgenommen werden, Hersteller sich in langfristigen Lieferverträgen „verpflichten“ sollen. Das mag sinnvoll sein, ändert aber nichts am Grundübel: den „Marktgesetzen“ der kapitalistischen Profitwirtschaft. Im Interesse unserer Gesundheit muss dies kranke System überwunden und durch den echten Sozialismus ersetzt werden!