Rote Fahne 21/2019

Rote Fahne 21/2019

Fortschrittliche Bewegungen: Revolutionär und perspektivisch oder angepasst und systemkonform?

Wie Liquidatoren versuchen, fortschrittliche Bewegungen zu spalten Am 20. September demonstrierten bei Fridays for Future über 1,4 Millionen Menschen in Deutschland ...

Von sr / rf
Fortschrittliche Bewegungen: Revolutionär und perspektivisch oder angepasst und systemkonform?
Am 20. September demonstrierten bei Fridays for Future über 1,4 Millionen Menschen in Deutschland, Foto: RF

... für den Umweltschutz auf der Straße. Am 19. September warnte das Bundeskriminalamt (BKA), die deutsche Industrie könnte als Verursacher ins Visier geraten. Am 21. September titelte die Süddeutsche Zeitung „Sehnsucht Sozialismus“, um vor dem wachsenden Einfluss der sozialistischen Perspektive zu warnen. Warum die Aufregung?           

 

2019 haben sich bereits 3,9 Millionen1 Menschen an Arbeiter- und Volkskämpfen beteiligt. Das Umweltbewusstsein ist auf breiter Front erwacht und entwickelt sich weiter. Die Fridays-for-Future-Bewegung (FFF) ist Ergebnis dieses Bewusstseins. Der fortschrittliche Stimmungsumschwung zeigt im Laufe des letzten Jahres immer mehr Profil mit einer sich stärkenden antikapitalistischen Richtung:

 

Seit Mai/Juni 2018 entfalten sich Massenkämpfe gegen die Rechtsentwicklung der Regierung und der bürgerlichen Parteien. Die großen Demos, wie gegen die geplanten Polizeigesetze in Bayern, Niedersachsen oder NRW, umfassen ein breites Spektrum von „Religion bis Revolution“. Der wachsende Zuspruch für die MLPD und ihre entstehende neue gesellschaftliche Rolle alarmiert die Herrschenden.

 

Ein ganzes Heer von Ultrareaktionären – angefangen bei CSU-Chef Markus Söder über AfD-Chef Jörg Meuthen, den Bund Deutscher Kriminalbeamter bis hin zur Bild-Zeitung – erhebt schon 2018, leicht panisch und unisono, die Forderung nach antikommunistischer Ausgrenzung der MLPD. Doch die tiefe Vertrauenskrise gegenüber den bürgerlichen Parteien bewirkt, dass sie damit niemanden begeistern können. So werden neue, scheinbar der fortschrittlichen Bewegung angehörende Akteure auf die Bühne gehievt:

 

Ausgehend von der Attac-Bundeskoordinierung, von SPD-, Grünen- und Linkspartei-Funktionären und ihren Jugendorganisationen wird im Verein mit „Antideutschen“ versucht, die MLPD aus der Bewegung zu drängen.

 

Der Schuss geht nach hinten los. Die MLPD und das Internationalistische Bündnis treten unerschrocken und attraktiv und vor allem an allen gesellschaftlichen Brennpunkten in Erscheinung und wecken umso mehr Interesse. So bei der „Unteilbar“-Demonstration mit 240 000 Demonstranten im Herbst 2018 in Berlin, im Hambacher Wald, bei Fridays for future, bei Arbeiterprotesten und -demonstrationen wie am 29. Juni in Berlin, bei antifaschistischen Protesten ebenso wie mit der selbstorganisierten Flüchtlingsbewegung oder im würdigen Gedenken an Ernst Thälmann. Die spalterischen Methoden stoßen bei einem wachsenden Teil der Massen auf Kopfschütteln, ja Empörung. Es ist aber auch allzu peinlich.

 

Aus vereinzelten Störmanövern gegen die MLPD kristallisiert sich im Laufe des Jahres 2018 erstmals in der jüngeren Nachkriegsgeschichte in Deutschland ein gesamtgesellschaftliches Liquidatorentum heraus. Dieses Liquidatorentum versucht, die MLPD mit Intrigen, Gerüchten und scheindemokratischer Anmaßung aus der Bewegung zu drängen und damit zu verunsichern, zu isolieren, von ihr abzuschrecken. Dieses Ziel ist identisch damit, die Denkweise, die Forderungen und die Perspektive der wachsenden Massenbewegungen im Rahmen des kapitalistischen Systems zu halten, es als alternativlos erscheinen zu lassen.

 

Solche Liquidatoren sind ein sattsam bekanntes Phänomen in der revolutionären und Arbeiterbewegung. In der Schrift „Kampf dem Liquidatorentum“2 heißt es: „In ihrem Bestreben, die marxistische Partei, die revolutionäre Partei des Proletariats, zu zersetzen und zu liquidieren, handeln die Liquidatoren objektiv konterrevolutionär. Sie sind objektiv Agenten der Bourgeoisie im Lager der Arbeiterklasse geworden. Zwischen ihnen und der Partei kann es nur einen klaren Trennungsstrich geben. … Die Methoden der Liquidatoren sind hinterhältig und verlogen …“ (S. 35)

 

Das trifft den Nagel auf den Kopf: So versuchte die Polizei am 20. September bei FFF in verschiedenen Städten und im Zusammenspiel mit einzelnen Leuten aus „Orga-Teams“3, Kräften der Grünen sowie sogenannten Antideutschen das Auftreten der MLPD und anderer fortschrittlicher Organisationen zu verhindern.

 

Die panischen Züge vorheriger Attacken steigern sich am 20. beziehungsweise 27. September teils zur Hysterie – bis hin zu faschistoiden, liquidatorischen Methoden. Beispiel Erfurt: Bei der thüringenweiten Fridays-for-Future-Demonstration am 27. September, mit bis zu 1500 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, beteiligte sich die MLPD wie immer aktiv. Dagegen liefen einige antikommunistische Spalter Amok. Tassilo Timm, der Landesvorsitzende der MLPD in Thüringen, berichtet: „Nach Störaktionen gegen die MLPD mit koordinierter Schreierei, Kettenbildung, Rempeleien riefen sie sogar die Einsatzleitung der Polizei, die doch tatsächlich alle Fahnenträger von MLPD und REBELL zur Personenkontrolle abführte. Ein offener Verstoß gegen das Versammlungsrecht!“ Bei einer Zwischenkundgebung organisierte eine Handvoll „Antideutscher“ Sprechparolen gegen die MLPD und versuchte, eine MLPD-Fahne handgreiflich herunterzureißen. Eine Fahnenstange und eine Brille gingen kaputt. Die MLPD erkämpfte sich das eigentlich selbstverständliche demokratische Recht, bis zum Ende mitzudemonstrieren.

 

Weltweiter Kampftag der Arbeiter- und Umweltbewegung

 

Mit der Jugend demonstrierten am 20. September erstmals in größerem Umfang Arbeiter und Gewerkschafter vieler Branchen sowie wachsende Teile der Gesellschaft. Die Losung, für Umweltschutz und Arbeitsplätze zu kämpfen, und der Gedanke, den gemeinsamen Urheber der Probleme in der kapitalistischen Profitlogik zu erkennen, setzen sich unter anderem durch die Arbeit der MLPD immer mehr durch. Das Klimapaket der Bundesregierung stößt auf einhellige Ablehnung.

 

Antikommunistische Attacken zentral gesteuert

 

Ein zentral gesteuertes, antikommunistisches Vorgehen tritt in Erscheinung: Campact überflutet die Bewegung mit massenhaft kostenlosem Material, Flyern und Plakaten. Wer bezahlt es? In etlichen Brennpunkten sind die aggressiven Ordner mit professionellen Headsets über Funk miteinander verbunden. Wer beschafft und finanziert dieses teure Equipment? Die Stoßtrupps der Liquidatoren erweisen sich als einheitlich trainiert: Ketten bilden, Pogromstimmung erzeugen, wortgleiche Durchsagen von der Hauptbühne in mehreren Orten, Zusammenarbeit mit der Polizei, explizit geäußertes Desinteresse an der Rechtslage, was die Ausübung von Grundrechten angeht. Wer hat diese kriminelle Energie ausgerichtet?

 

Was ist der Hintergrund?

 

Ist es Zufall, dass etwa zeitgleich mit der neuen Welle des gesamtgesellschaftlichen Liquidatorentums am 27. März 2019 in Berlin eine gemeinsame Sicherheitstagung des Bundesamts für Verfassungsschutz mit der „Allianz für Sicherheit in der Wirtschaft“ (ASW) abgehalten wurde? Mit von der Partie waren Vertreter führender Konzerne wie Daimler, Airbus, Allianz, ZF und andere (siehe Seite 18). Und was trieb die erlauchten Herrschaften um? In einer Pressemitteilung der ASW dazu wird der Begriff der Gefahr einer „schleichenden Entgrenzung zwischen legitimen bürgerlichen Protest- und extremistischen Strömungen“ 4 geprägt. Entgrenzung? Ja, sie plagt die (berechtigte) Sorge, dass die relative Isolierung, in die sie marxistisch-leninistische Kräfte in Deutschland über Jahrzehnte gedrängt haben, aufbricht.

 

Die großbürgerliche FAZ zitiert dazu am 26. August den Chef des Verfassungsschutzes in Hamburg, Torsten Voß, der dem Arbeitskreis Verfassungsschutz der Innenministerkonferenz vorsitzt: „Meiner Ansicht nach ist das leise Einsickern extremistischen Gedankenguts in die Mitte der demokratischen Gesellschaft die größte Bedrohung“. Mit dem abwertenden Begriff des „Einsickerns“ wird eine Art gefährlicher, klammheimlicher Infiltration suggeriert. Gemeint sind damit aber nicht faschistische oder auch ultrareaktionäre faschistoide Kräfte wie die AfD. Denn die sind mit Schreihälsen, geplärrten Parolen oder „gutbürgerlich“ auf allen Kanälen der Talkshows tagtäglich lautstark zu hören.

 

Tatsächlich jedoch gibt es einen unspektakulären, aber unübersehbar wachsenden Einfluss der Überzeugungskraft marxistisch-leninistischer Argumente und Positionen. Sah man bei den ersten FFF-Demos nur vereinzelt kapitalismuskritische Schilder, so gehören sie jetzt zum guten Ton.

 

Aus Hunderten verkauften Büchern „Katastrophenalarm! …“, Parteiprogrammen der MLPD und Zehntausenden Gesprächen erwächst eine systemkritische Strömung, die immer mehr Anhänger gewinnt.

 

Die Herrschenden bereiten sich vor

 

Hintergrund der Nervosität der Herrschenden ist, dass eine neue Weltwirtschaftskrise, der beschleunigte Übergang zu einer globalen Umweltkatastrophe oder auch die wachsende Kriegsvorbereitung schnell zu tiefen, politischen Erschütterungen führen können. Das Potenzial einer revolutionären Gärung wächst. Revolutionäre Gärung bedeutet eine „Phase  des Aufschwungs von ökonomischen und politischen Massenkämpfen, Beginn einer massenhaften Herausbildung des sozialistischen Bewusstseins“5.

 

Inhalt und Methoden der neuen Liquidatoren

 

Das neue, zentral organisierte gesamtgesellschaftliche Liquidatorentum will selbstständige Massenbewegungen von innen vereinnahmen und zerstören. Es gibt inzwischen ein ganzes Heer von Institutionen und Organisationen, die als Agenturen der bürgerlichen Politik in fortschrittlichen Bewegungen arbeiten, um einer Revolutionierung der Massen entgegenzuwirken, sie zu vereinnahmen: Campact, WeMove, Antonio Amadeo Stiftung und andere. Sie wurden in den letzten Jahren zum Teil erheblich ausgebaut und sind finanziell hervorragend ausgestattet (siehe Seite 20/21). Viele von ihnen – gerade in Thüringen – haben auch handfeste materielle Interessen. Im Dunstkreis der Landesregierung aus Linkspartei, Grünen und SPD gibt es viele Posten, lukrative Jobs und Ämter zu vergeben, die man haben oder nicht verlieren will.

 

Seit der Entwicklung von FFF versucht Campact, zusammen mit Kräften aus den Grünen, dem BUND, von Greenpeace sowie „Plant for the planet“, Einfluss auf die FFF-Führungsstrukturen zu nehmen, sie zu kapern und dabei die Unerfahrenheit vieler Jugendlicher auszunutzen. Büro, Infrastruktur, Material, Kommunikationsverbindungen, Spendenkonten und Geldflüsse werden bereitwillig „zur Verfügung gestellt“, führende Köpfe aufgebaut. Schon Ende 2018 bildeten sie das Aktionsnetzwerk Deutschland – unter anderem mit den führenden Leuten Luisa Neubauer (Grüne), Felix Finkbeiner (Sohn des Vizepräsidenten des Rockefeller-Vereins „Club of Rome“) oder auch Jakob Blasel (Grüne Jugend und Greenpeace).

 

Die Liquidatoren stützen den Regierungskurs, den Massen als „Verbrauchern“ die Schuld für die Umweltzerstörung zuzuschieben und die Hauptverursacher in den Konzernzentralen und Regierungen aus der Schusslinie zu nehmen. Sie orientieren auf Appelle an angeblich lernfähige Konzernchefs, an CDU/CSU, SPD und die Grünen. Dabei war deren Versagen in der Regierung ein wesentlicher Ausgangspunkt der FFF-Bewegung.

 

Voller Sieg am 20. September

 

Am 20. September gelang es, auf breiter Front das Recht auf Versammlungsfreiheit und die Überparteilichkeit gegen die Liquidatoren durchzusetzen und diesen eine schmerzhafte Niederlage beizubringen. Die MLPD mobilisierte breit unter Jugendlichen und vor allem in der Arbeiterbewegung. Und im Vorfeld ging sie konsequent vor gegen die Unterdrückung und willkürliche Außerkraftsetzung des Versammlungsrechtes, politisch wie auch juristisch – mit großem Erfolg. Jeder fortschrittliche Mensch kann daran nur volles Interesse haben. Denn die Jugendlichen wollen demokratische Rechte und Freiheiten – und keine Unterdrückung oder Gängelung! In über 100 Städten waren Blocks der MLPD dabei, gemeinsam mit Jugendlichen, Kindern, Arbeiterdelegationen und mit anderen Organisationen aus dem Internationalistischen Bündnis. Mit Transparenten, Parolen und Musik waren sie oft prägend für einen kämpferischen und optimistischen Charakter der Demonstrationen. MLPD und REBELL sind das größte Hindernis dabei, die Bewegung weichzuspülen und auf kritische Regierungsbeteiligung zu trimmen. Gefragt ist nämlich genau das Gegenteil! In der Frankfurter Rundschau schrieb Stefan Engel am 1. Oktober in einem Leserbrief: Für das Überleben der Menschheit „wäre ein regelrechter Paradigmenwechsel notwendig, von dem die Bundesregierung aber nichts wissen will. Hauptsache, es tut den Mächtigen in der Wirtschaft nicht weh. Es ist offensichtlich, dass ein ,System Change‘ notwendig ist, um einen solchen Paradigmenwechsel herbeizuführen. Das Klimapaket der Regierung ist aber eine regelrechte Provokation der Umweltbewegung und muss entschieden zurückgewiesen werden.“

 

Zerschlagt das Liquidatorentum!

 

Jetzt muss die Auseinandersetzung bis zum Ende ausgetragen werden! Wer die Bewegung spalten und sie im Interesse der bürgerlichen Parteien, der Bundesregierung und der Konzerne vereinnahmen will, der hat nichts in ihr verloren. Die Liquidatoren müssen entlarvt und isoliert werden. Das ist gleichbedeutend damit, den überparteilichen, selbstorganisierten, demokratischen und finanziell unabhängigen Zusammenschluss zu verwirklichen und bewusst die MLPD, den REBELL und das Internationalistische Bündnis noch intensiver zu stärken.

Wer will, dass die Bewegung selbständig, lebendig und konsequent bleibt, sich gegen die Monopole richtet und offen ist für einen gesellschaftsverändernden Kampf, der muss sich aktiv gegen die Liquidatoren positionieren. Der muss Flagge zeigen und die selbständige und überparteiliche sowie die revolutionäre Bewegung stärken – am besten in und mit der MLPD, dem REBELL und dem Internationalistischen Bündnis.