Rote Fahne 21/2019
Brüssel: Antikommunistische Geschichtsstunde vom EU-Parlament
Am 19. September verabschiedete das EU-Parlament eine Resolution, bei der jedem demokratisch eingestellten Menschen ein eiskalter Schauer über den Rücken läuft ...
Hinter dem Titel „Bedeutung der Erinnerung an die europäische Vergangenheit für die Zukunft Europas“ versteckt sich ein Exzess des Antikommunismus, der ein Paradebeispiel im Hinblick auf Geschichtsfälschung und Verharmlosung des Faschismus ist. Die Forderung nach der Abschaffung von Denkmälern, die an die Befreiung Europas durch die Rote Armee erinnern, ist dabei nur die Spitze des Eisbergs.
Die Resolution setzt Faschismus und Kommunismus als „totalitäre“ Systeme gleich. Als Beweis wird der Sowjetunion entgegen allen historischen Fakten vorgehalten, die Hauptschuld am II. Weltkrieg zu tragen. Die Resolution „betont, dass der Zweite Weltkrieg, der verheerendste Krieg in der Geschichte Europas, als unmittelbare Folge des auch als ‚Hitler-Stalin-Pakt‘ bezeichneten berüchtigten Nichtangriffsvertrags zwischen dem nationalsozialistischen Deutschen Reich und der Sowjetunion vom 23. August 1939 und seiner geheimen Zusatzprotokolle ausbrach“.1
In Wirklichkeit war es Stalin, der die europäischen Regierungen schon vor dem Ausbruch des II. Weltkriegs vor der Kriegsgefahr warnte, die vom faschistischen Deutschland ausging. Aber der Antikommunismus war den Herrschenden damals wie heute wichtiger als der Antifaschismus. Sogar so wichtig, dass sie – in der Hoffnung, die Faschisten würden sich auf die sozialistische Sowjetunion stürzen – zuließen, dass der Faschismus ganz Europa verwüstete und Millionen Menschen das Leben kostete.
Der Nichtangriffspakt mit Deutschland war eine Taktik der Sowjetunion, um Zeit für die Vorbereitung der militärischen Auseinandersetzung mit Nazi-Deutschland zu gewinnen. Letztlich war es der entschlossene Kampf der Roten Armee unter Stalins Führung, der dem Faschismus die entscheidende Niederlage bei Stalingrad beibrachte und damit den Untergang des faschistischen Regimes einleitete.
Im weiteren Verlauf der Resolution werden die sozialistische Sowjetunion und die faschistische Diktatur plump und ohne jeden Versuch eines konkreten Nachweises praktisch gleichgesetzt. Mehr noch: als Hauptgefahr wird der sogenannte Stalinismus ausgemacht, während die Nazi-Herrschaft angeblich zu Genüge aufgearbeitet sei.
Der wachsende Einfluss revolutionärer Organisationen wie der MLPD und ihres Jugendverbands REBELL stellt die Herrschenden vor große Probleme. Im Hinblick auf die bereits begonnene Wirtschaftskrise in Deutschland und die eingeleitete Weltwirtschaftskrise bereiten sie verschärfte Angriffe auf die Arbeiter und die breiten Massen vor. Das wird zu einer verstärkten Suche nach einer gesellschaftlichen Alternative führen. Deshalb wollen die Herrschenden erreichen, dass der Kapitalismus als alternativlos dasteht, indem die gesellschaftliche Perspektive des Sozialismus vor allem unter jungen Leuten als „totalitäre Gewaltherrschaft“ dargestellt wird.
Die Resolution ist Ausdruck der Rechtsentwicklung der EU-Regierungen. Sie kriminalisiert die alte und neue kommunistische Bewegung, um ein verschärftes Vorgehen gegen linke Kräfte vorzubereiten, dass auch das Verbot linker Organisationen beinhalten könnte. Die Resolution verharmlost massiv den Faschismus und gießt damit Wasser auf die Mühlen ultrareaktionärer und faschistischer Organisationen. Ganz im Sinne eines Björn Höcke (AfD), der eine „180-Grad-Wende der Erinnerungskultur“ fordert. Sie diffamiert die vielen Kommunisten, die während des II. Weltkriegs unter Todesverachtung den antifaschistischen Widerstand organisierten und auch bis heute an der vordersten Front im antifaschistischen Kampf stehen.
Vor allem aber ist dieses Dokument ein Zeugnis für die Defensive der Herrschenden, für ihre Verzweiflung und moralische sowie weltanschauliche Unterlegenheit. Diese Entwicklung muss den gemeinsamen Widerstand und die Solidarität besonders unter linken Kräften herausfordern.