Rote Fahne 17/2019
Was soll daran antisemitisch sein?
Bundesweit macht der Beschluss des Bundestags gegen die BDS-Kampagne Schlagzeilen. Was steckt dahinter? Die Rote Fahne sprach mit Evelyn Hecht-Galinski. Sie ist die Tochter des ehemaligen Zentralratsvorsitzenden der Juden in Deutschland, Heinz Galinski
Rote Fahne: Frau Hecht-Galinski, Sie haben den Bundestagsbeschluss gegen die palästinensische Solidaritätsbewegung BDS1 in einem harschen Kommentar als „fatal und schändlich“ bezeichnet. Warum?
Evelyn Hecht-Galinski: Im Mai haben alle „demokratischen“ Parteien zusammen für eine Ächtung der BDS-Bewegung gestimmt. Mit diesem Antrag haben die Abgeordneten des Bundestages der gewaltlosen BDS-Kampagne einen „Antisemitismus“-Stempel aufgedrückt, was so falsch wie dreist ist. Allerdings war allen gemeinsam die völlige Unkenntnis über die BDS-Bewegung sowie eine Fixierung auf die Einflüsterungen der Israel-Lobby und deren falsche Argumente. Die Kampagne gründet sich aus der Mitte der palästinensischen Zivilgesellschaft.
Wie belegen Sie, dass sie nicht antisemitisch ist?
Ich frage: Was ist antisemitisch daran, wenn nach Jahrzehnten israelischer kolonialer Besatzung Zivilisten das Heft in die Hand nehmen und – inspiriert vom Kampf der Menschen in Südafrika gegen die Apartheid – mit Boykott, Divestment und Sanktionen die Besatzungsmacht Israel dazu veranlassen will, die Besetzung und Kolonisation allen arabischen Landes zu beenden? Was ist antisemitisch daran, die illegale Mauer, wie vom Internationalen Gerichtshof gefordert, abzureißen, das Grundrecht der arabisch-palästinensischen Bürgerinnen und Bürger Israels auf völlige Gleichheit anzuerkennen, und das Recht der palästinensischen Flüchtlinge auf Rückkehr gemäß UN-Resolution 194 zu respektieren?
Aber wie wird denn der Vorwurf begründet?
Hier soll der falsche Vergleich zwischen den „Don’t buy“-Aufklebern von BDS mit der NS-Parole „Kauft nicht bei Juden“ herhalten als Beleg für Antisemitismus. Eine bösartige und haltlose Diffamierung, ausgeheckt von der Hasbara2 des Netanjahu-Regimes und der Israel-Lobby. Gezielt soll so eine gewaltfreie, aber durchaus erfolgreiche Bewegung getroffen werden.
Was folgt aus dem Bundestagsbeschluss?
Vor den Folgen dieses Antrags kann man nur warnen. Organisationen, die sich für die Freiheit Palästinas einsetzen und BDS unterstützen, sollen nicht mehr gefördert werden. Kommunale Räume und Einrichtungen sollen Organisationen verweigert werden, die darüber informieren wollen.
Da war es nur allzu verständlich, dass der frisch gewählte und kurz vor einer Korruptionsanklage stehende israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu diesen Bundestagsantrag zur Verurteilung der BDS-Kampagne als „wichtige Entscheidung“ begrüßte.
Wie geht es weiter mit BDS?
Solange die israelische Regierung ihre völkerrechtswidrige und kolonialistische Politik zulasten der Palästinenser weiter betreibt, so lange wird die weltweit wachsende BDS-Bewegung weiter gewaltfrei für ihre Ziele kämpfen. So lang, bis Israel das Völkerrecht respektiert und die unveräußerlichen Rechte der Palästinenser, einschließlich des Rechts auf Selbstbestimmung, anerkennt.
Vielen Dank für diese Einschätzung!