Rote Fahne 17/2019

Rote Fahne 17/2019

„Unser Herz schlägt für das Leben“

Weltweit kämpfen Millionen Frauen um das Recht auf selbstbestimmte Schwangerschaft. Dieser Kampf ist so alt wie die Frauenbewegung

Von sb/ms
„Unser Herz schlägt für das Leben“
Berlin 2018: Protest gegen die Kriminalisierung von Ärztinnen und Ärzten (Foto: RF)

Ausgehend von den USA und ihrem ultrareaktionären, faschistoiden Präsidenten Donald Trump, erreicht die Auseinandersetzung um selbstbestimmte Schwangerschaft eine neue Qualität. Mit dem „Heartbeat Law“ („Herzschlag-Gesetz“) wird jeglicher Abbruch illegal, der ab dem Zeitpunkt vorgenommen wird, ab dem Herztöne des Fötus zu hören sind. Das ist etwa ab der fünften, sechsten Schwangerschaftswoche der Fall. Ein Zeitpunkt, an dem viele Frauen noch nicht mal wissen, dass sie schwanger sind. Mit solchen Kampagnen werden bewusst die Gefühle der Frauen und der Massen insgesamt missbraucht. Wer will schon ein Wesen „mit Herzschlag“ töten? Tatsächlich sind Föten zu diesem Zeitpunkt aber noch lange keine entwickelten Menschen, die Herausbildung der Organe und des Gehirns hat gerade erst begonnen.

 

Vor allem ist die Propaganda dieser selbsternannten „Lebensschützer“ zutiefst geheuchelt. Es ist die Trump-Regierung, die Flüchtlingskinder brutal von ihren Eltern trennen lässt, die den Tod von Flüchtlingen an den Außengrenzen der USA billigend in Kauf nimmt, die mit ihren massiven Kriegsbeteiligungen und -vorbereitungen das Leben Tausender Menschen aufs Spiel setzt.

 

Der Schutz des geborenen Lebens, auch des Lebens der Frauen, die ungewollt Kinder gebären müssen, spielt für sie keine Rolle. Das Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen ab der fünften oder sechsten Schwangerschaftswoche umfasst auch den Zwang zum Austragen von Föten nach Vergewaltigung und bei schwerer Erkrankung des Kindes oder der Mutter. Ärzten, die einen Abbruch vornehmen, drohen je nach Bundesstaat zwischen zehn und 99 Jahren Gefängnis. Die „Womens March“-Bewegung organisierte sofort Protestaktionen und verbreitete die Nachricht international.

 

Weltweit frauenfeindliche Bestrebungen ...

Die internationale Rechtsentwicklung von Regierungen und bürgerlicher Parteien verschärft die besondere Unterdrückung der Frau. Unter massiver Beteiligung der katholischen Kirche wollen die ultrareaktionären bis faschistischen Kräfte erkämpfte Rechte liquidieren. Sie erzeugen ein Klima der Kriminalisierung und Einschüchterung von Gynäkologen und Schwangeren. In Italien ist die faschistoide Lega gegen Schwangerschaftsabbruch aktiv. Italiens Frauen können in den ersten 90 Tagen – nach einer Beratung und Bedenkfrist – legal eine Schwangerschaft beenden. Aber 70 Prozent der Gynäkologen nehmen keine Schwangerschaftsabbrüche vor. In Polen herrscht eines der strengsten Gesetze Europas. Seit 2016 stellt sich eine Frauenmassenbewegung dort gegen die Regierung und die katholische Kirche.

 

... aber auch Erfolge der Frauenbewegung

Die reaktionäre Entwicklung bleibt nicht ohne Reaktion. In einigen Ländern erlebt die kämpferische Frauenbewegung eine Aufschwung und hat Erfolge erzielt. Zum Teile wurde so eine Liberalisierung der Gesetze zu Schwangerschaftsabbrüchen befördert. In Irland erreichte sie, dass 2018 ein Referendum durchgeführt wurde. Eine große Mehrheit von 66,4 Prozent stimmte gegen das bis dahin geltende rigide Verbot. In Argentinien scheiterte zwar trotz Massenprotesten letztes Jahr ein entsprechendes Gesetz, das Schwangerschaftsabbrüche bis zur 14. Woche legalisiert hätte. Die breite Bewegung dafür lässt jedoch nicht locker und will im Zusammenhang mit den Wahlen im Oktober einen neuen Anlauf unternehmen.

 

In Deutschland gibt es den § 218 seit dem Kaiserreich. Er stellt den Abbruch einer Schwangerschaft unter Strafe. Seit dieser Zeit ist der Kampf dagegen wichtiger Bestandteil der Frauenbewegung. 1975 wurden Schwangerschaftsabbrüche nur in Ausnahmefällen legalisiert. In den ersten zwölf Wochen und nach Beratung durch eine staatliche Stelle, mit drei Tagen Bedenkzeit. Die reaktionären „Lebensschützer“ terrorisieren Frauen vor Arztpraxen und bringen Ärzte vor Gericht. Möglich ist das auch durch den § 219a, wonach Informationen zur Beratung über einen Schwangerschaftsabbruch als Werbung gelten, die illegal ist. Massenhafte Proteste der Frauenbewegung zwangen die CDU/SPD-Regierung zum Handeln. Was herauskam, ist ein fauler Kompromiss, auf dessen Grundlage es weiterhin möglich ist, Ärzte zu verurteilen. Die MLPD fordert seit ihrem Bestehen die ersatzlose Streichung des § 218, das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und den Kampf gegen Sexismus und Menschenhandel.

 

Widerspruch zwischen Gesetz und Wirklichkeit

Aufgrund zunehmender Diskriminierung ist es inzwischen für viele Frauen schwer geworden, eine sachliche Beratung und Hilfe zu bekommen. Das wirft ein grelles Licht auf den Widerspruch zwischen Gesetzen und gesellschaftlicher Wirklichkeit. Tatsächlich erklärt sich dieser Widerspruch nicht aus einzelnen Faktoren, oder gar, weil „Männer“ in den Regierungen sind.

Monika Gärtner-Engel und Stefan Engel weisen im Buch „Neue Perspektiven für die Befreiung der Frau – eine Streitschrift“1 nach: „Die Kontrolle der Fortpflanzung zielt vor allem auf Schaffung und Erhalt menschlichen Lebens entsprechend den Erfordernissen des Ausbeutungs- und Unterdrückungssystems. Dies findet weltweit seinen Niederschlag in staatlichen Gesetzen, Verordnungen und Programmen.“ Die bürgerliche Staats- und Familienordnung organisiert die besondere Unterdrückung der Frau für die systemerhaltende Wahrnehmung ihrer Funktion. Doch selbst die katholische Kirche erfuhr mit der Bewegung „Maria 2.0“, dass die Frauen nicht zurück ins Mittelalter wollen.